SZ-Serie: "Vom Malz zur Mass":Ohne Schnickschnack

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Erst hat Thomas Ernst nur für sich gebraut und Freunde zum Probieren eingeladen. Denen schmeckte es so gut, dass er beschloss, professionell Bier zu produzieren. Seine Brauerei in Fürstenfeldbruck heißt wie das alte Gasthaus seiner Großeltern

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Angefangen hat alles mit einem einfachen, holzverkleideten Einkochautomaten, der irgendwo im Haus herumstand. In ihm hat Thomas Ernst seine ersten Liter eigenes Bier gebraut. Bei den als Testpersonen eingeladenen Freunden kamen die Eigenkreationen so gut an, dass der 47-Jährige immer weiter gemacht hat. "Die waren total begeistert. Irgendwann haben sie mich gefragt, wann sie mein Bier endlich kaufen können", erzählt der Fürstenfeldbrucker. Da so etwas in Deutschland nicht so einfach erlaubt ist, musste Ernst die Freunde enttäuschen - vorerst. "Irgendwann war bei mir der Punkt erreicht, an dem ich gesagt habe, warum eigentlich nicht".

Also hat er sich informiert, was nötig ist, um eine eigene Brauerei zu eröffnen und einen Beratungstermin beim Landratsamt ausgemacht. Einen Standort hatte Ernst schon im Hinterkopf. Denn seine Großeltern hatten bis Mitte der Siebzigerjahre in der Schöngeisinger Straße in das Gasthaus "Zum Silbersteg". Im ehemaligen Hauptgebäude ist heute ein Laden untergebracht, das Lagerhaus im Hinterhof war weitgehend ungenutzt - und beinahe im Originalzustand erhalten, inklusive Kühlraum. "Die Räume wurden nicht gebraucht und deswegen nie umgebaut. Das war für mich ein großes Glück", sagt Ernst. Die Verantwortlichen im Landratsamt waren bei einer Ortsbesichtigung ebenfalls zufrieden. So reichte der angehende Brauer die Pläne ein und besuchte Kurse für Brandschutz und Hygiene. Benannt hat er die Brauerei in Erinnerung an die Familientradition "Zum Silbersteg".

Im Frühsommer hat er im umgebauten Lagerhaus die ersten Hektoliter Bier gebraut. Nicht in dem alten Einkochautomaten, sondern in großen Edelstahltöpfen, die er sich zugelegt hat, zusammen mit dem Rest der Ausrüstung, die man für einen professionellen Braubetrieb braucht. Der hölzerne Automat steht als Erinnerung an die ersten Schritte in einer Ecke des weiß gefliesten Brauraums auf einem kleinen Kühlschrank, in dem Ernst ein paar Flaschen seines Bieres und einige Zutaten aufbewahrt, etwa die Hopfenpellets.

Der Hopfen wird in Form von Pellets zugegeben. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Genau einen Hektoliter kann er pro Sudgang brauen. Sieben Stunden dauert ein Durchlauf, danach gärt das Bier eine Woche in anderen Edelstahltöpfen, weitere sechs Wochen reift es in der Flasche. Die stehen abgedunkelt in einem Nebenraum. Gelagert werden die fertigen Kisten im Kühlraum der Großeltern. Dieser ist noch so original erhalten, dass von der Decke die Haken baumeln, an denen früher das Fleisch aufgehängt wurde. Eng gedrängt stehen die Kästen dort, ein altes Aggregat im Vorraum hält die Temperatur stabil. "Das ist ebenfalls noch von meinen Großeltern und von der Marke unkaputtbar. Reine Mechanik, ohne Elektronik, ganz einfache Technik", sagt der gelernte Maschinenbauer stolz. In seinem Beruf arbeitet er nur noch halbtags. Sollte das Geschäft irgendwann richtig gut laufen, könne er sich vorstellen, zum Vollzeitbrauer zu werden.

Das Bier reift in Flaschen und muss bald getrunken werden. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Noch allerdings ist die Brauerei eher ein Hobby. Beim Brucker Altstadtfest Anfang Juli hat Ernst sein Bier - aktuell braut er ein Helles und ein Weißbier - erstmals öffentlich verkauft. Die Reaktionen seien gut gewesen. Richtig losgehen soll es im kommenden Jahr. "Ich will das Bier im Direktverkauf vermarkten und selbst bei Festen anbieten. Deswegen möchte ich jetzt langsam einen Kundenstamm aufbauen und schauen, wie sich alles entwickelt. Ich habe ja keinerlei Druck", sagt er. Ihm gehe es vor allem darum, ein Bier zu brauen, dass den Leuten schmeckt. "Drinkability" nennt er das. "Einer der Brauer, bei denen ich einen Kurs gemacht habe, hat gesagt, wenn jemand dein Bier trinkt und dann direkt noch ein Zweites will, hast du alles richtig gemacht. Und wenn er Lust auf ein Drittes hat, ist es richtig gut. Das hat er als Drinkability bezeichnet".

Ausgefallene Kreationen sind nicht seine Sache. "Ich finde, Bier sollte ein Genussmittel sein, das keiner große Erklärungen bedarf". Ebenso ist es ihm wichtig, dass sein Bier ein frisches Produkt ist. Er verwendet keine Zusatzstoffe und auch nichts, was es länger haltbar macht. Deshalb müsse man das Bier nach der Produktion innerhalb weniger Wochen trinken. Für Ernst bedeutet das auch, dass er größere Mengen nur auf Anfrage braut oder wenn ein Fest ansteht, auf dem er verkaufen darf. "Es lässt sich in der Gesellschaft ein Trend hin zu natürlichen Lebensmitteln beobachten. Die Menschen, die es sich leisten können, machen sich Gedanken über ihre Ernährung", sagt Ernst. Diesem Trend wolle er Rechnung tragen. Ob das Konzept aufgeht, wird er im kommenden Jahr sehen, wenn er richtig in die Biergarten- und Festsaison einsteigen kann. Bis dahin kann man sein Bier bei Lagerverkäufen in der Brucker Brauerei kennen lernen.

In der SZ-Serie "Vom Malz zur Mass" bisher erschienen: "Vom Kultgetränk zum Craft-Bier" und "Brauen wie in der Steinzeit" (27. August); "Die vier Diven" (28. August); "Angesehen und einflussreich" (30. August) ; "Der klassische Biertrinker ist eher konservativ" (1. September); "Die große Vielfalt" (4. September); "Der Radius um den Schornstein wird größer" (5. September); "Der neue Bräu im alten Gut" (7. September); "Aus dem Keller auf den Tisch" (11. September); "Weihnachtsüberraschung" (13. September).

© SZ vom 15.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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