Halb ausgebildete Ersatzkräfte:Notfalls unterrichten Studenten

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Der Mangel an Pädagogen zeigt an Grund- und Mittelschulen Folgen. Noch entfallen im Landkreis nur Wahlfächer und Arbeitsgemeinschaften - das aber kann sich rasch ändern

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Not macht erfinderisch. Dieses Sprichwort gilt auch für den Lehrermangel an den Grund- und Mittelschulen im Landkreis. So reicht es inzwischen nicht mehr, dass Teilzeitkräfte ihr Stundendeputat aufstocken und pensionierte Pädagogen für einen oder zwei Arbeitstage in der Woche aus dem Ruhestand rekrutiert werden. Inzwischen stehen in Ausnahmefällen auch schon mal Studenten ohne abgeschlossene Ausbildung vor einer Klasse und unterrichten. Christian Franke, Kreisvorsitzender des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (BLLV), sieht das kritisch. Dass Studenten als Hilfslehrkräfte eingesetzt werden, Noten vergeben und an Zeugnissen mitarbeiten, obwohl das nicht vorgesehen sei, das gehe gar nicht, meint er.

Zahlen dazu, wie viele Studenten an den Grund- und Mittelschule im Landkreis als Angestellte mit einem Arbeitsvertrag tätig sind, kann Franke nicht nennen. Bettina Betz, Leiterin des Schulamts in Fürstenfeldbruck, hat im SZ-Gespräch auch keine Zahlen parat. Aber sie geht davon aus, dass es nur einige wenige sind. Wenn im Landkreis Studenten an der Tafel stehen, sei das eine Notlösung, zu der es keine Alternative gebe, sagt sie. Dann kommen im Landkreis laut Betz nur solche Studenten zum Zug, die in ihrer Lehrerausbildung zumindest das erste Staatsexamen absolviert haben. Zudem würden die Studenten im Team geführt und angeleitet, vom Kollegium also nicht allein gelassen, und sie unterrichteten auch keine Hauptfächer. Laut Regierung von Oberbayern müssen bei Einsätzen von Studenten höherer Semester "bereits Unterrichtserfahrungen im Rahmen von Praktikumstätigkeiten" vorgewiesen werden. Die Planung der Unterrichtseinsätze liege in der Verantwortung der Schulämter und Schulleiter.

Die Brucker Schulamtsleiterin bestätigt, dass es aufgrund des Lehrermangels Probleme gibt. Sie weist aber auch auf die Bemühungen der Staatsregierung hin, das aufzufangen. Was die Besetzung von Lehrerstellen oder krankheitsbedingte Ausfälle betrifft, stehe der Landkreis nämlich in diesem Jahr so gut da, wie schon seit einem Jahrzehnt nicht mehr, beteuert sie. Offenbar sind die Bemühungen von Bettina Betz bei der Akquise erfolgreich. "Im Moment fehlt uns niemand", sagt die Schulamtschefin sichtlich zufrieden. Als sie das und die relative gute Situation als "Glück für den Landkreis" bezeichnet, klopft sie bekräftigend auf die Holzplatte des Konferenztisches in ihrem Amt. Um zu ergänzen: "Wir können mit der mobilen Reserve alles auffangen." Vom Lehrermangel sei der Haupt- und Pflichtunterricht nicht betroffen, betont sie, höchstens einzelne Arbeitsgemeinschaften und Wahlfächer. Dagegen ist in München die Lage laut Betz "dramatisch". Zudem kehren im Landkreis Monat für Monat Lehrer aus der Elternzeit zurück. Auch das trägt zur Entspannung bei. Krasse Fälle, dass ein Lehrer über mehrere Wochen zwei Klassen führen muss, gibt es im Landkreis laut Betz überhaupt nicht.

BLLV-Funktionär Franke teilt diese Einschätzung. Er meint sogar, die Situation im Landkreis sei in diesem Schuljahr die beste von ganz Oberbayern. Als Schwerbehindertenbeauftragter der Regierung ist Franke an Schulen in ganz Oberbayern unterwegs und bekommt mit, wie sich der Lehrermangel in anderen Landkreisen und Städten auswirkt. Und Franke weiß auch, warum der Landkreis Bruck noch verhältnismäßig gut dasteht. Der Grund: Dem Schulamt wurde diesmal erheblich mehr Personal für die mobile Reserve zugebilligt als in früheren Jahren. Das sagt auch Betz. Damit kann die Schulamtschefin flexibel reagieren, wenn sie kurzfristig auftretende Personallücken schließen muss.

Franke rechnet langfristig noch mit einer Verschlimmerung der Situation. Das bekommen die Lehrer zu spüren, die im Februar 2018 in den vorgezogenen Ruhestand gehen wollten. Lehrer, die zu diesem Zeitpunkt vorzeitig eine Rente beziehen wollten, müssen nun bis zum Ende des Schuljahres warten. Im Landkreis sind laut Betz von dieser Maßnahme des Kultusministeriums nur drei bis fünf Lehrkräfte betroffen.

Zudem werden laut Franke zum Beginn des nächsten Schuljahres aufgrund des Personalmangels auch familienpolitische Teilzeitphasen gestrichen und die Mindeststundenzahl für Teilzeitkräfte auf 21 Stunden angehoben. Und der BLLV-Kreisvorsitzende weist darauf hin, dass es schon jetzt schwer sei, Fachlehrer zu bekommen. "Richtige Schwierigkeiten" gebe es im Sport für Jungs, im Werkunterricht sowie für die Fächer Ernährung und Gestalten, sagt er. Als dramatisch bezeichnet Franke die Aussichten für die Mittelschulen. Für diesen Schulzweig absolviere kaum noch jemand ein Studium, weil es sich lohne einige Semester dranzuhängen und Realschul- oder Gymnasiallehrer zu werden. Mit der Folge, dass Grundschullehrer an den Mittelschulen eingesetzt werden.

Laut der Kreisvorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW), Margot Simoneit, brennt es seit Jahren an den Grund- und Mittelschulen im Landkreis an allen Ecken und Enden. Noch sei es gelungen die Lücken zu schließen und auch der Einsatz von Studenten sei noch "marginal". Mit solchen Notlösungen verbindet Simoneit, die selbst Lehrerin ist, eine Entwertung ihres Berufsstandes. Gerade an den Grund- und Mittelschulen sei eine Aufwertung gefragt. Nötig sei eine Gleichstellung mit den anderen Schularten.

© SZ vom 17.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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