Geglückte Integration:Mit vollem Einsatz ins neue Leben

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Die Flüchtlinge Stanley Suma und Fall Serign haben im Landkreis Arbeit gefunden. Sie und ihre Chefs sind für ihren Einsatz ausgezeichnet worden

Von Max Keldenich, Fürstenfeldbruck/Mammendorf

Um dem Fachkräftemangel und unbesetzten Lehrlingsstellen entgegen zu wirken, setzen immer mehr Unternehmen im Landkreis auf die Einbindung von Asylbewerbern. Kürzlich wurden einige Betriebe von der Kreishandwerkerschaft für dieses Engagement ausgezeichnet. Wie die gut Zusammenarbeit funktioniert, erzählen zwei Flüchtlinge und ihre neuen Chefs aus den prämierten Betrieben.

Schweinsbraten statt Semmeln

Stanley Suma wirkt sehr glücklich, wenn er über sein neues Leben in Deutschland erzählt. Der 28-jährige Asylbewerber macht seit Dezember 2014 eine Ausbildung zum Fleischer bei der Metzgerei Breitsameter in Mammendorf. Von seiner Tätigkeit ist er sehr angetan: "Die Betrieb hier ist gut und die Leute sind nett. Der Chef hat mich in die Familie aufgenommen", sagt Suma, der seit drei Jahren in Deutschland lebt.

Metzgermeister Robert Breitsameter erinnert sich noch genau an seine erste Begegnung mit seinem Auszubildenden. Suma habe den Betrieb zunächst für eine Bäckerei gehalten und gefragt, ob er eine Ausbildung zum Bäcker machen könne. Breitsameter war von der Initiative des jungen Mannes angetan und bot ihm ein kurzes Praktikum an - als Metzger natürlich. "Stanley hat sofort einen motivierten und engagierten Eindruck gemacht. Nach zwei Wochen hat er dann seine Ausbildung bei uns begonnen", sagt Breitsameter. Für seinen Betrieb sei es schwierig, potenzielle Lehrlinge zu einer Ausbildung zu motivieren. "Stanley hat sich alleine auf die Suche gemacht, was sicher außergewöhnlich ist", meint Breitsameter. Über sein Leben in Sierra Leone will Suma nicht all zu viele Worte verlieren. Es sei dort schlimm gewesen, und wenn er daran zurückdenke, bekomme er schlechte Laune. In seiner Heimat sei es sehr unsicher gewesen, was er auf die politische Situation zurückführt. "Aber ich möchte nicht über Politik reden. Ich hasse Politik", sagt Suma. Seine Mutter und seine Zwillingsschwester seien noch in Sierra Leone, das Leben dort sei weiter schwierig. An Deutschland schätze er das hohe Maß an Sicherheit für den Einzelnen.

Vor drei Jahren verließ Suma seine Heimat, weil er vor allem arbeiten wollte. Zunächst habe er sich auf den Weg zu Bekannten nach Paris gemacht, wo er allerdings nicht bleiben wollte. "In Paris gab es keine Arbeit. Viele Ausländer wollen dort gar nicht arbeiten und machen nichts", berichtet Suma. In Deutschland habe er sich schnell nach Arbeit umgesehen und zunächst ein Praktikum als Fliesenleger und Heizungsinstallateur gemacht. Anschließend begann er seine Ausbildung beim Metzgerbetrieb.

Fall Serign arbeitet wie in seiner Heimat Senegal in einer Druckerei. (Foto: Günther Reger)

Schon sein Vater habe eine kleine Fleischerei in Sierra Leone betrieben, wo er als Kind häufig mitgeholfen habe. "Aber in Sierra Leone gibt es meistens keine Fleischproduktion. Die Ware wird einfach so im Geschäft verkauft", sagt Suma. Verarbeitete Ware wie Salami sei dort teuer. Der Asylbewerber will unbedingt das Handwerk lernen und liest dazu auch die deutsche Fachliteratur. Er nimmt außerdem freiwillig Nachhilfestunden, um sein Deutsch weiter zu verbessern. Suma ist von seinem Weg überzeugt: "Ich habe hier schon viel gelernt . Bildung ist sehr wichtig." Nur Bayerisch verstehe er manchmal nicht, was aber mit der Zeit sicher auch noch besser werde.

"Stanley schreckt wirklich vor nichts zurück. Es macht Spaß, mit ihm zu arbeiten", erzählt Breitsameter. Am Anfang habe er lediglich große Angst davor gehabt, elektronische Geräte zu bedienen. "Wahrscheinlicher hat er in Sierra Leone häufiger einen Stromschlag erhalten", vermutet der Metzgermeister. Suma, der in seiner Freizeit viel Sport treibt, würde gerne in Deutschland bleiben. Während seiner Ausbildung hat ist er geduldet, sein Aufenthaltsrecht wird alle sechs Monate verlängert. "Wir glauben, dass die Chancen recht gut stehen, ihn hier zu behalten", glaubt Breitsameter. Darauf hofft auch Suma, der besonders eine Sache lernen möchte. "Ich will irgendwann selbst Auto fahren."

Vision für die Heimat

Fall Serigns Stimme wird lauter und seine Augen werden etwas feucht, wenn er über eines seiner traurigsten Kapitel berichtet. Es war im Jahre 2010, als sich das Leben von Serign radikal veränderte. Der 58-Jährige arbeitete seit 1993 als Buchhalter in einer Druckerei im Senegal, als diese plötzlich bankrott ging. "Die Firma hat moderne Maschinen in Europa gekauft. Sie wurden aber nicht bezahlt und dann von der Polizei beschlagnahmt." Es war eine Katastrophe für Serign, der für eine neue Arbeitsstelle im Senegal zu alt war. Vergeblich protestiert er gegen die Konfiszierung der Geräte. Sein Chef hatte sich unterdessen mit der Familie in die USA abgesetzt.

Stanley Suma hat zwar zuvor nie als Metzer gearbeitet, aber als Kind in der Fleischerei seines Vaters ausgeholfen. (Foto: Günther Reger)

Serign sah in seiner Heimat keine Perspektive mehr, seine Frau verließ ihn sofort, weil er kein Einkommen mehr hatte. "Das ist in Afrika so üblich. Für mich ist das kein Problem", erläutert Serign. Er beschloss also, eine ganz neue Herausforderung anzunehmen und wanderte im Februar 2013 nach Deutschland aus. "Im Senegal war es einfach nicht möglich, Arbeit zu finden. Das ist generell sehr schwer, auch mit einem Master-Abschluss bekommt man oft nichts", meint Serign.

Im Februar 2013 kommt er nach Olching und sieht sich sofort nach einem Arbeitsplatz um. Er stößt auf das Druckstudio "Dekosign" am Ortsrand von Bruck, das an diesem Tag nicht geöffnet hat. Durch eines der Fenster sieht er moderne Druckmaschinen, die er noch aus dem Senegal kennt. Am nächsten Tag geht er zum Geschäftsführer der Firma, Oliver Schmidt-Nachbauer. "Fall hat mich direkt gefragt, ob er bei mir als Drucker arbeiten kann. Ich war von dieser Idee sehr angetan, musste dann aber zunächst mit dem Landratsamt sprechen," erzählt Schmidt-Nachbauer. Es folgte eine lange, zähe Auseinandersetzung mit der Behörde. Schmidt-Nachbauer forderte, dass Serign zunächst einen Sprachkurs machen darf, um anschließend in seiner Firma zu arbeiten. Doch das Landratsamt lehnte das zuerst s mit der Begründung ab, dass Serigns Aufenthaltsbestätigung erst bestätigt werden müsse. Erst danach erhielt er s eine Arbeitserlaubnis, die ihm ermöglichte an zwei Tagen in der Firma zu arbeiten und drei Tage einen Sprachkurs in München zu besuchen. "Das war aber nur ein halbes Jahr so. Wir haben dann die Anzahl von Falls Arbeitsstunden sukzessive erhöht", erläutert Schmidt-Nachbauer. Der Unternehmer ist von Serigns Fähigkeiten überzeugt. Er benötige keine lange Anlaufzeit, wenn es darum gehe, neue Tätigkeiten zu lernen. Auch sei er sehr akribisch und kontrolliere neue Ware, ob sie nicht beschädigt ist. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sei seine Einstellung absolut profitabel. "Fall kann uns bei vielen einfachen Arbeiten unterstützen. Das ist sinnvoller, als einen hoch qualifizierten Mitarbeiter einzusetzen. So können wir unsere Endprodukte günstiger an die Kunden verkaufen", meint Schmidt-Nachbauer. Serign ist in den Herstellungsprozess von Werbeplakaten eingebunden, was ihm besonders gut gefällt. Sämtliche Produkte hat er mit seinem Smartphone fotografiert. Serign hat sieben Kinder, drei seiner Söhne studieren. Unterstützen könne er sie nicht, deshalb verdienen sie unter schwersten Bedingungen auf einer Bausteller ihr Geld. Er rate seinen Kindern immer, dass sie kämpfen müssen, denn sonst werde sich nichts verändern. "Ich sage auch den anderen Einwanderern, dass sie sich integrieren und die Sprache lernen müssen. Anders geht es nicht", sagt Serign. Sein Heimatland hat er nicht aus den Augen verloren. Serign ist voller Tatendrang, wenn er von seiner Vision spricht: Er will sich dafür einsetzen, die Wirtschaftsbeziehungen Europas mit dem Senegal auszubauen. In einigen Jahren wolle er in seine Heimat zurückkehren, um seine Ideen dort einzubringen. Im Moment fehlten ihm vor allem seine Kinder, doch Serign gibt sich optimistisch. "Wir sprechen regelmäßig über Skype. Ich freue mich sehr, sie dort zu sehen."

© SZ vom 21.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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