Ausstellung zum Kirchentag:Keine Frage des Alters

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Ein Porträt eines alten Menschen, mit dem Pastoralreferentin Beate Reimann "eine Imagekampagne zur positiven Wertschätzung von Senioren" betreibt. (Foto: Pfarrverband Fürstenfeld/oh)

Schönheit, Mut, Neugierde: Tugenden der Jugend müssen im Laufe des Lebens nicht verschwinden. Eine Porträt-Ausstellung im Klosterareal will den Senioren die Wertschätzung zurückbringen

Von Christian Hufnagel, Fürstenfeldbruck

Eigentlich ist es ein Skandal, dass es diese Ausstellung gibt. Dass es sie zweifellos geben muss. Dass sie den berühmten Spiegel vorhalten muss und in Abwandlung des Brucker Kirchentagsmottos mit einem Appell untertitelt werden sollte: Seht, wen Ihr ignoriert! In den Blickpunkt gerückt wird eine Gruppe, die im bundesrepublikanischen Wohlstandsland immer mehr und unaufhaltsam anwächst, die aber längst aus der Mitte des Gesellschaftslebens hinausgedrängt wurde und nicht anders als Flüchtlinge oder Homosexuelle ein Rand-Dasein zu fristen hat. Dabei handelt es sich um nichts weniger als unsere Eltern und Großeltern. So unglaublich dies klingt, wenn man es auf die einfache Beziehungsbezeichnung reduziert, so wahr ist es doch. Und so inhaltsgewaltig nimmt sich der Leitgedanke aus, den Beate Reimann mit diesem Projekt verfolgt: nämlich eine "Imagekampagne zur positiven Wertschätzung von Senioren".

Die Kampagne umfasst fünf Fotomotive, die die Fürstenfeldbrucker Seniorenheim-Seelsorgerin von Werbefachleuten hat entwerfen, als Postkarten drucken und auf sogenannte Rollups aufziehen lassen. Letzteres sind zwei Meter große Plakate, die an diesem Samstag im Klosterareal ausgestellt sind. Wer zwischen 9 und 18 Uhr dort den Ökumenischen Kirchentag in Fürstenfeldbruck besucht, wird nicht umhin kommen, sich über eine zentrale Frage, mit der die Pastoralreferentin die Besucher konfrontieren will, Gedanken zu machen: "Wie gehe ich in meiner Familie damit um?"

Ein Porträt eines alten Menschen, mit dem Pastoralreferentin Beate Reimann "eine Imagekampagne zur positiven Wertschätzung von Senioren" betreibt. (Foto: Pfarrverband Fürstenfeld/oh)

Vitalität

Aus den fünf Porträts strahlt alles andere als Hilflosigkeit, Gebrechlichkeit, Siechtum oder wie die missliebigen Zustände sonst noch heißen, die mit dem fortgeschrittenen Alter gemeinhin assoziiert werden. Diese fünf Gesichter verheißen hingegen Tugenden, die eine schwungvolle Überschrift vorgibt und die in jedem Fall der Vitalität näher sind als dem Tod: Das "Kraftwerk" nimmt man der offenherzig lächelnden Bauersfrau ebenso ab wie dem verschmitzten Schnurrbartträger den "Geschichtenerzähler". Und dem "Networker" steht seine Umtriebigkeit ebenso in die Züge geschrieben wie der anmutig-stolzen Dame das "Schönheitsideal".

Und wer es immer noch nicht wahrnehmen will, dem werden wohl die Postulate, die als Bildunterschrift diesen Lebensköpfen zur Seite gegeben worden sind, Augen und Einsicht öffnen: "Mut kennt kein Alter." Und das gilt auch für die Neugierde, das Lachen oder die Schönheit. Das mögen triviale Sprüche sein, die Kraft der Bildnisse gelebten Alters verleihen ihnen indes jede Überzeugungskraft dieser Welt. Die Initiatorin möchte, dass die Betrachter "darüber stolpern" und ein wenig Selbstreflektion ausgelöst wird.

Ein Porträt einer alten Frau, mit dem Pastoralreferentin Beate Reimann "eine Imagekampagne zur positiven Wertschätzung von Senioren" betreibt. (Foto: Pfarrverband Fürstenfeld/oh)

Ausgrenzung

Denn die Wirklichkeit gibt für Reimann genug Anlass, etwas zu ändern: "Alte Menschen werden nicht mehr wahrgenommen und reagieren mit Rückzug", sagt die 50-Jährige und betont: Das sei nicht menschenwürdig. Was mit der Huldigung des Schönen, Jungen und Gesunden sich die Gesellschaft alles nimmt, sind ihrer Ansicht nach Werte wie Gelassenheit und Lebenserfahrung.

Die katholische Seelsorgerin selbst, die drei Senioren-Einrichtungen in der Kreisstadt betreut, hat dabei die ausgestellten Fotografien nicht nötig, um auf diese Bereicherungen aufmerksam zu werden. Ihr Berufsalltag bringt diese täglich mit sich: "Ich bin sehr dankbar über jede einzelne Begegnung", sagt Reimann. Sie bringe sehr viel Respekt jeder Lebensgeschichte entgegen. Und so besteht ihre Arbeit in den Seniorenheimen viel aus Zuhören und damit der Gewissheit etwas zu tun, was die moderne Schnelllebigkeit immer mehr ausmerzt: "Die Zuwendung zum Einzelnen ist in der heutigen Massenabfertigung Gold wert."

Ausstellung "Glück kennt kein Alter", Rollups im Klosterareal, eine Initiative der Seniorenheim-Seelsorge, 9 bis 18 Uhr.

© SZ vom 19.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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