Fotostrecke:Im Vorhof des Sommers

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In Tagen, in denen das Wetter noch nicht weiß, was es will, hat SZ-Fotograf Johannes Simon im Landkreis Plätze gefunden, die auf die Sonne und damit die Ankunft des Menschen zu warten scheinen

Von Christian Hufnagel, Fürstenfeldbruck

Der Sommer, der meteorologisch ja noch gar keiner ist, ist im Landkreis auch im oftmals trügerischen Urteil des Empfindens noch keiner. Einer kurzen Hitzephase folgte die noch kürzere Schafskälte und diese lösten ein paar jener undefinierbaren und konturenlosen Tage ab, die mit sich und allem um eine Identität ringen. Es sind Phasen des Übergangs, in denen die Welt entleert erscheint und in einem Zustand des Wartens verharrt. So musste unser Fotograf Johannes Simon nicht suchen, um Ecken und Nischen, Dinge und Stellen abzulichten, die in der Abwesenheit des Menschen einen verfremdeten, ja skurrilen Charakter annehmen: Der aufgespannte Sonnenschirm auf dem leeren Balkon, die offene Tür des Toilettenhäuschens am Olchinger See, der Poller ohne Boot am Badesteg, die Palette mit Holzkohlen-Päckchen oder die Berge von Bausand an der Bundesstraße, die den Betrachter in die Einsamkeit einer Dünenlandschaft am Meer versetzen.

All diese bühnentauglichen Szenarien haben eines gemeinsam: Sie werden eine rasante Metamorphose durchlaufen, wenn sich die Wolken verflüchtigen, die Sonne das Land freigibt und die Menschen wie Magneten hinauszieht aus ihren Verschanzungen. Im Nu verwandeln sich die unwirtlich anmutenden Orte, weicht Ödnis dem Trubel, Stille dem Lärm: Bildet sich eine ungeduldige Schlange vor dem Eingang zum WC, strecken sich Menschenleiber in den Sand hinein, röhren Motorboote über das aufspritzende Wasser und klappert ein Paar in Balkonien mit dem Kaffeegeschirr.

Wenn also die Sonne die uneingeschränkte Herrschaft übernimmt, glaubt der Mensch, seine Sehnsüchte seien erfüllt. Und irrt doch auch wieder. Weil auf den Grund seines Herzens senkt sich kein Wetter, das ihm Seelenfrieden bringt. Es wird ihm zu heiß und die Welt um ihn herum zu laut, wenn die Biergartengläser klirren, Kindergeschrei auf dem Spielplatz anschwillt und der Nachbar den Grillmeister gibt. Dann sehnt er sich zurück nach den vergessenen Plätzen, die das Wetter gebiert, wenn es noch nicht weiß, was es will. Aber warum soll das Wetter auch besser sein als der Mensch?

© SZ vom 12.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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