Baumfällungen genehmigt:Fledermäuse gefährden Kita

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Ein Teil der Baumgruppe links oben - zwischen Psychiatrie (ganz oben) und Haeusler-Villa (rechts unten) - soll gefällt werden. (Foto: googlemaps)

Die Kreisstadt erhofft sich von Neubau im Kester-Haeusler-Park Entlastung bei der Kinderbetreuung. Doch in mehreren Bäumen, die dafür gefällt werden sollen, leben streng geschützte Tiere. Bürgermeisterstellvertreter Erich Raff trifft eine umstrittene Entscheidung

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Ausgerechnet Fledermäuse: Mit ihnen hat die Stadt beim Bau der Windräder schon leidvolle Erfahrungen gesammelt: Um die virtuosen Flugkünstler nicht zu gefährden, müssen die Anlagen regelmäßig abgeschaltet werden. Nun wurde überraschend bekannt, dass Fledermäuse auch im Kester-Haeusler-Park heimisch sind. Also auch in dem Bereich, in dem eine Kindertagesstätte geplant ist. Erich Raff (CSU) hat sich am Dienstag den Unmut mehrerer Stadträte zugezogen, die ihm erneut Eigenmächtigkeit vorwerfen. Der Zweite Bürgermeister sieht sich großem Zeitdruck ausgesetzt und hat ohne Beteiligung der Gremien das Fällen mehrerer Bäumen genehmigt.

Insgesamt müssen im nordwestlichen Bereich des 155 Meter langen und 85 Meter breiten und zwischen Psychiatrie-Neubau und Dachauer Straße liegenden Parks wohl 29 Bäume der Kita mit drei Krippen- und drei Kindergartengruppen weichen. In 9 bis 15 Bäumen leben Fledermäuse. Darauf hat eine von der Stadt beauftragte Biologin offenbar Ende September hingewiesen. Die Stadt bringt das ordentlich in die Bredouille. Denn solche Bäume dürfen aus Rücksicht auf die streng geschützten Tiere und beispielsweise ihre Brutzeiten nur "im Zeitfenster von September bis Oktober" gefällt werden, so Raff im Anschluss an die jüngste Stadtratssitzung am Dienstag. Ist bis November nichts passiert, ist eine Rodung frühestens wieder im September 2017 erlaubt. Dadurch würde sich die Fertigstellung des Kita-Neubaus um bis zu ein Jahr verzögern. Für die Stadt schwer hinnehmbar angesichts des akuten Mangels an Betreuungsplätzen. Diffizil wird die Sache vor allem deshalb, weil das Bebauungsplanverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Und selbst bei baldmöglichstem Baubeginn dürfte mit der Fertigstellung frühestens Mitte 2018 und damit etwa ein dreiviertel Jahr später als ursprünglich vorgesehen zu rechnen sein.

Zähe Verhandlungen hat es in den zurückliegenden Jahren darüber gegeben, in wie weit die Stiftung den einst riesigen Park scheibchenweise wirtschaftlich verwerten darf und welche Zugeständnisse ihr im Gegenzug in punkto öffentlicher Zugänglichkeit abgerungen werden können. In einem städtebaulichen Vertrag soll festgelegt werden, dass die Dachauer Straße mit der Adolf-Kolping-Straße durch einen Fußweg verbunden wird, der dort in östliche Richtung abzweigt und das Areal bis zum Geschwister-Haeusler-Weg durchschneidet. Von diesem Fußweg aus soll der Park auf einem 20 Meter breiten Streifen für Spaziergänger erlebbar werden. Darüber besteht weitgehend Einigkeit. Im Stadtrat blickt man dennoch mit Sorge auf das sich hinziehende Verfahren. Denn nicht nur der Bund Naturschutz sträubt sich vehement gegen die weitere Versiegelung im Haeusler-Park. Auch Anlieger haben einen Rechtsanwalt eingeschaltet und wehren sich gegen die Erschließung des Grundstücks allein über die Dachauer Straße.

In Gesprächen mit der Bezirksregierung als Eigentümerin der nördlich angrenzenden psychiatrischen Klinik wurde immerhin erreicht, dass die künftigen Mitarbeiter die Kita über eine mit Schranke versehene Zufahrt von der Polzstraße aus erreichen und auch in diesem Bereich parken können. Ein Scheitern des gesamten Projekts gilt unter Experten als unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Im schlimmsten Fall bliebe lediglich, die gefällten Bäume durch Neupflanzungen zu ersetzt. Die aber würden Jahrzehnte benötigen, bis sie die aktuelle Größe erreichen.

Stadträte wie Klaus Wollenberg (FDP) und Ulrich Schmetz (SPD) warnen deshalb vor "Einzelfallentscheidungen" des Bürgermeisters und pochen darauf, dass Bauausschuss und Stadtrat nach eingehender Prüfung zunächst einen Satzungsbeschluss fassen, so wie dies üblich ist. Erst danach dürften Bäume gefällt werden. Wollenberg: "Was ist das denn für ein Verfahren? Da geht einem ja der Hut hoch!" Vom Bürgermeister einfach so übergangen zu werden, ist für ihn nicht hinnehmbar. Ähnlich äußerte sich Jan Halbauer (Grüne). "Ich finde, das ist eine Sauerei", schreibt er tags darauf in den sozialen Medien.

Raff führt ins Feld, die Untere Naturschutzbehörde dulde das Fällen noch vor Beschlussfassung. Gleichwohl sichert er am Mittwoch eine erneute Prüfung zu, bevor Bäume gefällt und Tatsachen geschaffen werden. Robert Drexl will kein Urteil zum aktuellen Fall abgeben. Nach Worten des Leiters der Kommunalaufsicht am Landratsamt können Baumfällungen unter bestimmten Bedingungen "durchaus in die Entscheidungshoheit beziehungsweise Zuständigkeit des Bürgermeisters einer Stadt oder Gemeinde fallen".

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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