Fürstenfeldbruck/Fiji:Im Kielwasser von Käpt'n Bligh

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Zwischen den Fiji-Inseln, wo die Meuterei auf der Bounty ihren Anfang nahm, entert der Fürstenfeldbrucker Weltumsegler Stefan Blasberg mitten in der Südsee erneut einen ihm wohlbekannten Ort: das Paradies

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck/Fiji

Die Meuterei auf der Bounty ist ein Roman, der auf wahren Begebenheiten basiert und Anfang der Sechzigerjahre mit Marlon Brando in der Hauptrolle verfilmt wurde. Der Fürstenfeldbrucker Weltumsegler Stefan Blasberg ist zurzeit ziemlich genau dort, wo es 1787 zur Meuterei auf dem Dreimaster kam und Kapitän William Bligh kurzerhand in ein Beiboot verfrachtet wurde. Es gibt Parallelen: Der 49 Jahre alte Weltenbummler aus Fürstenfeldbruck ist fast dort, wo Fletcher Christian damals Bligh aussetzte: die nach ihm benannte Blighpassage zwischen den zwei großen Fiji-Inseln Vanua Levu und Viti Levu. Außerdem ist jene Nussschale mit sieben Meter Länge und zwei Meter Breite ziemlich auf Augenhöhe mit Blasbergs 1969 in den Niederlanden auf Kiel gelegten Abraxas, die keine zehn Meter misst.

Es gibt aber auch Unterschiede: Bligh steuerte Australien an, während Blasberg gleich rund um die Welt fährt. Und während Bligh unterschiedlichen Überlieferungen zufolge zwischen 18 und 22 Mann mit an Bord hatte, ist Blasberg Einhandsegler und kann sich bei der Nachtwache nicht ablösen lassen. Der gravierendste Unterschied: Für Bligh war es Kampf - für Blasberg ist es das selbst gewählte große Abenteuer, das ihn nach dem Start im Jahr 2014 mitten hinein ins Paradies geführt hat.

Das ändert nichts daran, dass Stefan Blasberg größten Respekt vor Blighs Leistungen hat: "Auch heute im GPS-Zeitalter ist es eine unvorstellbare Leistung, wie die damals durch diese unendlichen Riffe gefunden haben. Selbst heute mit all den elektronischen Hilfsmitteln ist dieses Seegebiet noch eine navigatorische Herausforderung und jeden Tag und man trifft oder hört regelmäßig von havarierten Schiffen."

Rückblende: Im Februar kehrt Stefan Blasberg nach seinem Heimaturlaub in Fürstenfeldbruck nach Tahiti zurück, wo er seine Yacht vertäut hat. Er bringt nicht nur seine Sehnsucht nach diesem Land und den gastfreundlichen Menschen dort mit, sondern unfreiwillig gleich noch Zyklon Gita. In Tahiti herrscht Weltuntergangsstimmung, die Straßen sind überflutet, teils gesperrt. Erst zwei Tage nach der Landung erreicht Blasberg den kleinen Hafen auf der anderen Seite Tahitis, in dem die Abraxas liegt. Schimmel und jede Menge Krabbeltiere haben das Boot geentert, müssen aber alsbald wieder von Bord gehen. Schließlich hat sich Stefan Blasbergs in Berlin lebende Schwester Anja für einen einmonatigen Besuch angesagt. Die sucht keine Kakerlaken, sondern das versprochene Südsee-Paradies.

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(Foto: Stefan Blasberg/oh)

Sieht himmlisch aus - und ist es auch: Die Sonne geht über den vor Bora Bora ankernden Booten unter.

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(Foto: Stefan Blasberg/oh)

Der Weltenbummler Stefan Blasberg trifft in der Südsee die amtierende "Miss Cook Islands".

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(Foto: Stefan Blasberg/oh)

Blasberg segelt mit seiner Abraxas, einem nicht mal zehn Meter langen Kielboot, durch die Südsee.

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(Foto: Stefan Blasberg/oh)

Bora Bora wird auch von Luxuslinern angesteuert. Blasberg relaxt im Pool des geschlossenen Yachtclubs, Meeresblick inklusive.

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(Foto: Stefan Blasberg/oh)

Nicht mehr ganz scharf bekommen, aber ein "Once-in-a-Lifetime-Foto": ein fliegender Buckelwal.

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(Foto: Stefan Blasberg/oh)

Nicht weniger eindrucksvoll ist Blasbergs Foto vom Schnorcheln mit Haien.

Die beiden Geschwister verbringen unbeschwerte Tage auf der Nussschale, tingeln rund um Tahiti und Moorea und lassen sich das auch von Zyklonen nicht verderben. "Nachts sammel' ich Sternschnuppen", schreibt Anja, "okay, ich habe noch keine gefangen. Aber ich bin ohnehin wunschlos glücklich." Sie tauchen gemeinsam mit Haien und Mantarochen. Die Mutprobe erweist sich als eindrucksvolles Vergnügen. Anja lernt aber auch die Schattenseite des Seglerdaseins kennen: kilometerlange Märsche zum nächsten Supermarkt. Mit dem Board an Land paddeln, zur Quelle laufen, vier große Kanister zurückschaffen, auch bei Wind und Regen.

Einen Monat später wird Anja fünf Wochen lang von Blasbergs "Kindergartenfreund" Steffen abgelöst. Für einen Weltenbummler sind das Stippvisiten, für den "Normalo" eher der Jahresurlaub. Mit Steffen an Bord geht es im April westwärts - nachdem Blasberg erstaunt festgestellt hat, dass er nun "wirklich schon mehr als ein Jahr in Französisch-Polynesien unterwegs" war. Er folgen weitere Trauminseln und Traumstrände und Traummenschen, Einladungen, Feiern, Schnorcheln, das Leben genießen - "einfach eine tolle Zeit auf Moorea, Huahini, Raiatea, Tahaa und auf der unvergleichlichen Insel Bora Bora". Steffen schwärmt von den Einheimischen, die Vanille und Zuckerrohr anbauen und die Reisenden mit Mangos, Bananen und Papayas versorgen. Nachdem Steffen nach Hause geflogen ist, trifft Blasberg die Besatzung der Yacht Inti wieder, die er auf der Osterinsel kennen gelernt hat.

Gemeinsam geht es weiter nach Maupiha, der abgelegensten Insel Französisch-Polynesiens, auf der nur etwa 20 Menschen leben.

Am Außenriff zerschellte während des Ersten Weltkriegs das Schiff "Seeadler" von Luckner - sie liegt in einer Tiefe, die sich tauchend erreichen lässt. "Solche Inseln in der Südsee sind wie aus dem Bilderbuch", schwärmt Blasberg, "keine Hotels und Tourismus, kein Flughafen und Internet, und kein noch so kleiner Laden. Herrlich und paradiesisch, mit den gastfreundlichsten und entspanntesten Menschen, die man sich vorstellen kann". Nur Bier habe man vermisst, sagt er augenzwinkernd. Nach elf Tagen geht es weiter mit Kurs auf die Cook-Inseln, zum Ziel Suwarrow sind es 600 Meilen. Den widrigen Winden fallen zwei Segel zum Opfer, auch der Motor macht schlapp. Das also ist die Schattenseite des Paradieses. Nach sechs Tagen Plackerei ist es dennoch vollbracht, einen Tag später trifft auch die Inti in der Lagune des riesigen Ringatolls ein. Sechs Vogelschützer bekämpfen an Land die Ratten - unter ihnen auch Alanna Smith, die amtierende Miss Cook Islands, sowie Aktivisten aus den USA, Neuseeland und Australien. Gemeinsam wird gefischt, getaucht, gegrillt und gefeiert. Dann segeln Inti und Abraxas Seite an Seite 700 Meilen weiter nach Tonga, den "Friendly Islands". Die Winde scheinen immer unberechenbarer zu werden, je weiter es nach Westen geht. Nach sieben Tagen ist Land in Sicht: Es ist Niuatoputapu, die nördlichste der Tonga Inseln. Und dann geht auch noch ein ganzer Tag flöten - die Abraxas überfährt die Datumsgrenze und Blasberg kann mitten am Tag gleich das nächste Kalenderblatt abreißen. Es folgen bange Stunden, denn bei Windstille driftet die Abraxas auf die Insel zu und bei Blasberg keimen erste Zweifel, ob er es so ohne intakten Motor durch die Riffpassage schafft. Im Morgengrauen kann er sein Glück nicht fassen, als sich der Punkt am Horizont beim Blick durchs Fernglas als Inti entpuppt. Deren Crew schleppt die Abraxas durchs Riff.

"Solche Momente kann man nur schlecht beschreiben", sagt Blasberg im Rückblick, "da ist man nur froh, angekommen zu sein und will erst mal nichts mehr wissen vom Segeln und der großen Freiheit." Aber es dauere nicht lange, bis das wieder vergessen sei, fügt er gleich hinzu. Ihren Anteil daran haben die Menschen, die er trifft. Nach zweieinhalb Wochen geht es weiter zur Vavaú-Gruppe von Tonga. Die 200 Meilen werden zur Herausforderung. "Wir haben richtig eins auf die Mütze bekommen", sagt Blasberg. Windstärke sieben und drei Meter hohe Wellen - eine gefährliche Kombination. Als ein Brecher die Abraxas wie eine Faust trifft, stürzt Blasberg im Cockpit und bricht sich dabei eine Rippe. Nach 35 Stunden erreichen Abraxas und Inti Vavaú. Die Crews werden für die Schinderei entschädigt: Traumhafte Kulisse, Buckelwale und gastfreundliche Menschen. "Die Welt wäre ein Paradies wenn es nur Polynesier gäbe", denkt sich Blasberg. Nach fast drei Wochen geht Richtung Fiji. Diesmal erwischen Inti und Abraxas das richtige Wetterfenster und die 420 Meilen bis Savusavu auf der Vanua Levu segelt die Abraxas in der Rekordzeit von 70 Stunden.

"Jetzt tingeln wir gemeinsam mit Inti durch die schwierige und schöne Blighpassage", berichtet Blasberg. "Und diesmal zickt der Motor der Inti, damit es bloß nicht langweilig wird ..." Mit einer Prise Galgenhumor fügt er hinzu: " Da ich mein Ziel, mich bankrott zu segeln, so gut wie erreicht habe, werde ich versuchen, noch bis Australien zu kommen und dann wohl oder übel Abraxas verkaufen. Hilft leider nix, aber keinen Tag möchte ich missen und dreimal wert ist es dieses Abenteuer!"

Die SZ berichtet in lockerer Folge über die Weltreise von Stefan Blasberg. Teil 1 ("Auf einer Nussschale um die Welt"): 13. April 2015; Teil 2 ("Kokosnüsse, Kolonialkirchen, Kriminelle"): 29. Juli 2015; Teil 3 ("An der Schwelle zum Pazifik"): 16. Februar 2016; Teil 4 ("Wendemanöver am Ende der Welt": 1. September 2016; Teil 5 ("Robinson Blasberg"): 5. Januar 2017; Teil 6 ("Vor dem Sprung in den übernächsten Tag"): 14. Juni 2017; Teil 7 ("Schiffbruch im Paradies"): 6. Februar 2018; Reiseblog und weitere Informationen, auch über Möglichkeiten des Reise-Sponsorings, unter www.alekistan.com

© SZ vom 11.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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