Asylbewerber:Feldbetten in Klassenzimmern

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Feuerwehren, THW und Rettungskräften gelingt es in vier Stunden, Schlafgelegenheiten, Sanitäranlagen und eine Küche herbeizuschaffen. Dann werden in ruhiger Atmosphäre in der ehemaligen Grundschule am Niederbronner Weg 99 Flüchtlinge aufgenommen

Von Gerhard Eisenkolbund Markus Mayr, Fürstenfeldbruck

Die drei afrikanischen Neuankömmlinge sind guter Dinge am Donnerstagmittag. Sie verlassen die Grundschule am Niederbronner Weg und wollen sich die Stadt ansehen, in der sie seit dem Abend des Vortags wohnen. Geduscht hätten sie vorher gerne, sagen sie. Gekonnt hätten sie es. Doch anscheinend ist es noch nicht bis zu ihnen durchgedrungen: Es gibt zwei Zelte mit funktionierenden Duschen im Hof der Schule, nach Geschlechtern getrennt. Neben den Zelten kocht das Rote Kreuz im großen Küchenwagen. Zum Mittagessen gibt es Putengeschnetzeltes, abends dann Linseneintopf. In der Eingangshalle der Schule warten einige der Asylbewerber darauf, in das eilig eingerichtete Arztzimmer gerufen zu werden. Das Gesundheitsamt hat in Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus mit der für neue Asylbewerber verpflichtenden Gesundheitsuntersuchung begonnen.

Die 99 Menschen aus Syrien, Eritrea, Sierra Leone und weiteren afrikanischen Ländern schlafen im ersten Stock auf sieben frühere Klassenzimmer verteilt. Die Feldbetten sind nicht sonderlich beliebt, räumt der Leiter des Ausländeramts, Dieter Bamesreiter, ein und deutet auf einen jungen Mann, der es sich mit der blauen Rettungsdecke auf dem Boden gemütlich gemacht hat. Immerhin hat jeder binnen weniger Stunden überhaupt einen Schlafplatz und einen Schlafsack erhalten. Hier und da dient ein kleiner Holzstuhl als Nachttisch. Am Vortag überhaupt so viele Schlafstätten in so kurzer Zeit herzurichten, war eine Leistung der 20 Mitarbeiter des Landratsamtes und der etwa 80 ehrenamtlichen Helfer von THW, Rotem Kreuz, Maltesern, Johannitern und Feuerwehren. Die Vielzahl von Kaffeebechern einer Fast-Food-Kette im Mülleimer des Aufenthaltsraums zeugt davon, dass es eine lange Nacht gewesen sein muss.

Rückblende: Landrat Thomas Karmasin hat am Mittwochabend in der Grundschule am Niederbronner Weg keine Zeit, um darüber zu sprechen, wie ärgerlich er die katastrophalen Zustände in der Bayernkaserne in München findet. Aber er hat erkannt, dass manchmal zu viel geredet und zu wenig getan wird. Deshalb versprach er am Nachmittag bei einem Krisentreffen zur Flüchtlingsmisere in München, bis zum Abend bis zu hundert Flüchtlinge in dem im Handumdrehen möblierten Notquartier in der Schule am Niederbronner Weg unterzubringen. Und tatsächlich: Bereits um 20 Uhr können die ersten Flüchtlinge, ausschließlich junge Männer, die Notunterkunft beziehen. Vier Stunden später folgen weitere 50 Personen, diesmal sind es vor allem Familien, schwangere Frauen und Kinder.

Um 20 Uhr treffen die ersten Flüchtlinge mit ihren wenigen Habseligkeiten in der neuen Erstaufnahme-Einrichtung in Fürstenfeldbruck ein.

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(Foto: Günther Reger)

Betten unter der Tafel: Nur wenige Stunden dauert der Umbau der Klassenzimmer zur Notunterkunft.

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(Foto: Günther Reger)

Auch ein Anwohner ist überrascht (mit Landrat Thomas Karmasin).

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(Foto: Günther Reger)

Am Vortag so viele Schlafstätten in kurzer Zeit herzurichten, war eine Leistung der 20 Mitarbeiter des Landratsamtes und der 80 ehrenamtlichen Helfer.

Mit THW-Lastwagen werden Feldbetten herbeigekarrt und in sechs ehemaligen Klassenzimmern aufgebaut.

Die Schule in nur vier Stunden auszuräumen, Feldbetten aufzustellen, ein provisorisches Büro des Ausländeramts zur Ersterfassung einzurichten, ist ein Kraftakt. Trotzdem läuft alles reibungslos, auch weil alle Beteiligten Hand in Hand zusammenarbeiten. Und weil man sich gut kennt. Nach einer noch vom Handy des Landrats aus einberufenen Dienstbesprechung kurz nach 15 Uhr im Landratsamt werden um 16 Uhr die Hilfsorganisationen wie in einem Katastrophenfall alarmiert. Dann läuft alles wie am Schnürchen. Mit THW-Lastwagen werden Feldbetten aus den beiden Katastrophenschutzlagern in Eichenau und im Fliegerhorst herbeigekarrt und in sechs ehemaligen Klassenzimmern aufgebaut. Rotkreuzhelfer installieren im gleißenden Licht von Scheinwerfern eine mobile Küche, die allerdings nur zum Zubereiten von warmen Getränken benötigt wird. Und Feuerwehrhelfer schließen im Hof die Duschen ans Versorgungsnetz an. Das musste außerhalb des Hauses geschehen, weil in der Schule noch Abläufe für die Duschen fehlen. Das Landratsamt werde sich um die fehlenden Installationen kümmern, sagt Referatsleiter Bamesreiter.

Kurz bevor die ersten Flüchtlinge eintreffen, ziehen sich die Helfer aus der Schule ganz zurück, um die Gäste nicht durch das Großaufgebot an Uniformierten zu verunsichern. Woher die Neubrucker kommen, ob aus der Bayernkaserne in München oder aus den Reihen derer, die erst kurz vor der Abfahrt nach Fürstenfeldbruck in München eingetroffen sind, weiß noch niemand. Auch nicht, welche Entbehrungen hinter ihnen liegen. Aber man ist bestrebt, ihnen eine menschenwürdige Unterkunft zu bieten. "Ich bin zufrieden", erklärt Karmasin. Stolz ist er auf seine Mitarbeiter und die ehrenamtlichen Helfer.

Dem Anwohner Wolfgang Heimerl, der sich darüber beschwert, plötzlich ohne Vorankündigung mit Flüchtlingen Haus aus Haus zu wohnen, versichert der Landrat, dass es sich wirklich nur um eine vorübergehende Notunterkunft handelt. Noch im November, wenn weitere Flüchtlingsbetten in der Erstaufnahmeeinrichtung der Regierung von Oberbayern im Fliegerhorst zur Verfügung stehen, soll die Schule wieder geräumt werden, sagte der Landrat am Abend.

© SZ vom 17.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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