NS-Straßennamen:Ehre für SS-Mitglied soll bleiben

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Brucker Arbeitskreis zu NS-Straßennamen schlägt im Abschlussbericht sieben Umbenennungen vor. Festhalten will man allerdings an Raketenpionier Wernher von Braun trotz dessen Nazivergangenheit

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Der Arbeitskreis Straßennamen in Fürstenfeldbruck hält an Wernher von Braun und Willy Messerschmitt fest. Dagegen sollen die Schilder von Paul Hindenburg und sieben Angehörigen der Luftwaffe der Wehrmacht verschwinden. Eine Mitgliedschaft in der NSDAP bedeute nicht automatisch, dass eine Person nicht geehrt werden dürfe. Das ist das Ergebnis der monatelangen Diskussion. Über die Empfehlungen müssen der Kulturausschuss und der Stadtrat befinden. Kulturreferentin Birgitta Klemenz (CSU) will in beiden Gremien dafür eintreten, dass Messerschmitt und von Braun verschwinden. "Als Weltraumpionier mit Meriten kann man ihn nicht stehen lassen, wenn man die Zeit davor anschaut", sagte die Historikerin der SZ. Von einer "Verklärung der Weltraumfahrt" sprach Axel Lämmle (SPD). Der Ingenieur Messerschmitt habe mit seinem Rüstungsbetrieb den Angriffskrieg vorbereitet und KZ-Häftlinge ausgebeutet.

Dagegen haben Klaus Quinten (BBV) und der zweite Kulturreferent Klaus Wollenberg (FDP) im Arbeitskreis für Messerschmitt und Wernher von Braun gestimmt haben. "Meine Linie ist, dass Namen entfernt werden, wenn es keinen Grund gibt, den Betreffenden zu ehren", erklärte Quinten der SZ. So sei Hindenburg ein "schwerer Lügner" gewesen, habe im Ersten Weltkrieg als Chef der Obersten Heeresleitung wie ein Diktator agiert und später die Republik unterminiert. Anders sei die Situation bei Wernher von Braun und Messerschmitt. "Es handelt sich um berühmte Ingenieure, die weltweit anerkannt sind. Wir ehren die großen Techniker", so Quinten. Auch Wollenberg will vor allem an zwei Pioniere der Weltraum- und Luftfahrt erinnern. "Ich habe zwar ein ungutes Gefühl, aber im Abwägungsprozess überwiegt dieser Bereich, den ich positiv finde", so der FDP-Politiker in Bezug auf von Braun. Messerschmitt habe zuerst zivile Flugzeuge gebaut sowie die erste Ganzmetallmaschine, obendrein liege die nach ihm benannte Straße weit außerhalb des Zentrums im Gewerbegebiet Hasenheide.

Quinten und Wollenberg plädierten dafür, die zwei Straßennamen mit zusätzlichen Tafeln zu versehen, in denen Verstrickungen mit dem NS-Regime aufgeführt werden. Der BBV-Stadtrat betonte, er habe volles Verständnis, wenn andere solche Namen komplett entfernen wollten. Quinten riet jedoch zu einer moderaten Vorgehensweise, um nicht Bürger in den betroffenen Straßen aufzubringen. Christian Stangl (Grüne) forderte, dass die Kommune die Kosten einer Umbenennung übernehme, die Bürgern entstehen, schließlich haben die Stadträte die Namen beschlossen.

Stangl bedauerte, dass sich einige Mitglieder von "Kindheits- und Jugenderinnerungen" leiten ließen, als Wernher von Braun in deutschen Medien als "Vater der Mondlandung" gefeiert wurde. Für ihn ist klar, dass der Mann kein Vorbild sein könne. "Der hätte zwei Augenklappen tragen müssen, um im KZ Dora-Mittelbau die Zwangsarbeiter zu übersehen." Der SS-Sturmbannführer entwickelte die V-2-Raketen. Seine Raketenfabrik war zuletzt im KZ Dora-Mittelbau untergebracht, wo Tausende von KZ-Häftlingen zu Tode gequält wurden. Sein Straßenschild zu entfernen, lehnte der Arbeitskreis mit einem Patt von 4:4 ebenso ab wie das von Willy Messerschmitt. Schon wegen der beiden Luftfahrtpioniere habe eine Mehrheit des Arbeitskreises gleich zu Beginn der Beratungen festgelegt, dass eine NS-Mitgliedschaft kein prinzipieller Ausschlussgrund sei, berichtete Wollenberg. "Ich sehe das nicht als absolut an", sagte Quinten und verwies auf Oskar Schindler. Einstimmig votierte man dafür, den völkischen Propagandisten Langbehn zu entfernen, nach dem eine Straße in Puch benannt ist. Dagegen bleiben die Schilder des völkischen Schriftstellers Peter Rosegger und des Turnvaters Ludwig Jahn, der gegen die Franzosen hetzte und ein Großdeutsches Reich forderte. "Jahn ist ein Mythos und wenn, dann müssten wir auch die Jahnhalle umbenennen", sagte Quinten. Erhalten bleiben soll auch die Otto-Kubel-Straße, obwohl der Märchenmaler der Hitler-Partei angehörte.

In der Fliegerhorstsiedlung im Norden will der Arbeitskreis sieben Straßen umbenennen, die Angehörigen der Luftwaffe des Dritten Reiches gewidmet sind, darunter zwei Piloten der Legion Condor. Vor fast einem Jahr hatten Grüne Jugend und Jusos verlangt, die Wernher-von-Braun Straße umzubenennen. Im Frühjahr wurde ein Arbeitskreis aus sieben Stadträten unter Leitung von Stadtarchivar Gerhard Neumeier gebildet. Die Runde diskutierte nicht öffentlich über 17 Namen. Das Ergebnis hat Neumeier in einem Bericht zusammengefasst, der den Arbeitskreis-Mitgliedern nun vorliegt.

© SZ vom 29.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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