Bundesjugendspiele:Die Last mit der Leistung

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Nicht mehr nur auf die Weite kommt es beim Weitsprung an. Es wird nun in "Zonen" gesprungen. (Foto: Marco Einfeldt)

Eine Mutter aus Konstanz hat die Debatte über die Abschaffung des Sportwettbewerbs angestoßen. Damit steht sie nicht alleine, denn auch die Lehrer im Landkreis haben Verbesserungsvorschläge

Von Julia Kiemer, Fürstenfeldbruck

Es wird mal wieder an einer altehrwürdigen Institution gerüttelt. Die Bundesjugendspiele sollen nicht mehr zeitgemäß sein, der Zwang zur Teilnahme und der Wettkampfcharakter ließen viele Schülern spüren, vor den Gleichaltrigen gedemütigt zu werden. Deshalb solle diese Sportveranstaltung entweder abgeschafft oder auf Freiwilligkeit umgestellt werden, forderte unlängst eine Mutter aus Konstanz. Sie löste die Debatte aus, nachdem ihr Sohn weinend nach der Sportveranstaltung nach Hause gekommen war. So ganz unrecht scheint die Frau nicht zu haben, denn Sportlehrer im Landkreis können ihre Einschätzung nachvollziehen. Dennoch wenden sie sich dagegen, dass die Bundesjugendspiele abgeschafft werden.

Matthias Lohmann (Name geändert), Sportlehrer an einer Realschule im Landkreis, findet die Aussage der Mutter überzogen. Die Bundesjugendspiele seien eine Veranstaltung, bei der man die Kinder anhalten möchte, sportlich aktiv zu sein. Es gebe mindestens genauso viele Schüler, die sich darauf freuten, wie solche, die weniger begeistert seien. "Und bei schlechten Leistungen habe ich bis jetzt noch nicht erlebt, dass die besonders Guten die weniger Begabten mobben oder hänseln." Auch Eva Hallmeier, die Sport an der Grundschule am Niederbronner Weg in Fürstenfeldbruck unterrichtet, kann die Meinung nicht nachvollziehen: "Ich stimme der Dame und ihrer Aussagen nicht zu. Kinder sind sehr realistisch und können gut einschätzen, ob sie gut oder schlecht sind." Sozialen Druck oder Auslachen von Kindern, die schlechter als andere abschneiden, das habe sie in ihren 33 Jahren als Sportlehrerin noch nicht erlebt. Vielmehr würden sich die Kinder ohnehin oft von sich aus messen wollen und würden durch den Wettkampf umso mehr motiviert werden. Katja Bienert dagegen, Lehrerin an der Mittelschule Türkenfeld, kann mit dem Gedanken der besorgten Mutter etwas anfangen. Sie könne sich schon vorstellen, dass einige Schüler ausgelacht werden würden, weil sie nicht so gut gewesen seien, wie manch andere. "Da verlieren die weniger sportlichen natürlich den Spaß", so Bienert. Selbst erlebt hat sie das aber noch nicht. Aber das Auslachen bei schlechten Leistungen könne grundsätzlich nicht nur bei solchen Sportveranstaltungen auftreten, sondern auch in den anderen Unterrichtsfächern wie Mathematik oder Deutsch ein Thema sein, merkt sie an.

Dass man nun die Bundesjugendspiele so kritisiert, überrascht die Lehrerin. "Vor ungefähr 20 Jahren wurden die Spiele modifiziert, sodass es nun Alternativen zu dem leistungsbezogenen Wettkampf gibt", erzählt sie. Da sei der Leistungsdruck nicht mehr so im Fokus. Es gebe nun zum Beispiel die sogenannte Wettbewerbsform. Man springt dann etwa über Bananenkartons oder in "Zonen" - das genaue Messen des Weitsprungs fällt weg. Das sei viel spielerischer, und die Schüler könnten Leistung bringen, ohne besonders mit den anderen verglichen zu werden. Auch Matthias Lohmann erzählt, dass zu seiner Schulzeit der Druck "gut abzuschneiden" viel höher gewesen sei. "Heute wird das generell meist akzeptiert, wenn jemand unsportlich ist und nicht gut abschneidet", so der 43-jährige.

Obwohl er aufgrund des großen Zeitaufwands nicht der größte Fan der Bundesjugendspiele sei, ist er klar gegen eine Abschaffung, erklärt der Realschullehrer. An der Schule, an der er unterrichtet, sei es nun üblich, die Winterbundesjugendspiele zu veranstalten, die etwa Bodenturnen oder Turnen am Reck beinhalten. "Da steht den Schülern auch eine längere Übungsphase zur Verfügung". Insgesamt seien die Schüler aber schon sehr motiviert und ehrgeizig, sie würden sich extra anstrengen. Man solle ihnen diese Möglichkeit nicht nehmen, denn grundsätzlich würden sich die Kinder freuen. Auch Katja Bienert spricht sich klar gegen eine Abschaffung, aber auch gegen die Umstellung auf Freiwilligkeit aus. "Das Gute an den Bundesjugendspielen ist die Pflicht, sie durchzuführen", sagt sie. Es gebe kaum noch Sportveranstaltungen, mit den Spielen sei wenigstens ein großer Sportwettkampf erhalten geblieben. Die Kinder hätten viel Spaß an dem Sporttag und würden sich eben auch gerne mal messen, erzählt die 48-jährige aus eigener Erfahrung. Wenn der Junge weinend nach Hause gekommen sei, wie die Frau erzählt, dann sei das ein grundsätzlicheres Problem. Man müsse das Kind zu Hause stärken, so dass es damit umgehen könne vielleicht mal nicht der oder die Beste gewesen zu sein. Das findet auch Eva Hallmeier. Es seien mehr die Erwartungen von zu Hause, die Kinder könnten damit recht gut umgehen. Die hätten großen Spaß und genießen es, mal den ganzen Tag sportlich aktiv zu sein und sich zu messen. "Wenn man den Wettkampf abschafft, dann nimmt man damit auch vielen Kindern die Motivation", so Hallmeier. "Wenn alles leichter wird, bleiben die Sportlichen immer noch gut, und schlechtere Kinder haben immer noch kein Spaß". Die Bundesjugendspiele sollen also bestehen bleiben, da sind sich die drei Sportlehrer einig.

© SZ vom 08.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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