Jugendhilfe:Die Diskussions-Verweigerer

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Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge streckt der Landkreis im nächsten Jahr zwölf Millionen Euro vor. (Foto: Johannes Simon)

In nur fünf Minuten segnen die Kreisräte einen 33 Millionen Euro hohen Jugendhilfe-Etat ab. Die klassischen Kosten sind dabei erstmals gleich geblieben. Neues großes Aufgabengebiet sind die jugendlichen Flüchtlinge

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Die Beratungen darüber, wie viel Geld der Landkreis im kommenden Jahr für welche Dinge ausgeben möchte, haben am Montagnachmittag mit der wohl kürzesten Sitzung eines Kreisgremiums aller Zeiten begonnen. Nach nicht einmal fünf Minuten war der erste Teil des Haushalts 2016, der den Bereich Jugendhilfe betrifft, als Empfehlung an den Kreistag einstimmig beschlossen. Die gesamte, von Landratsstellvertreterin Martina Drechsler (CSU) geleitete Sitzung des Jugendhilfeausschusses, die vier Tagesordnungspunkte vorsah - darunter den Auftakt der diesjährigen Haushaltsberatungen -, dauerte kaum zehn Minuten. Es gab keine Nachfrage von Seiten der Kreisräte, obwohl es um Jugendhilfeausgaben von 33 Millionen Euro für das Jahr 2016 ging.

21 Millionen Euro davon betreffen die klassische Jugendhilfe, zwölf Millionen Euro sind für die Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF) im Landkreis eingeplant. Diese zwölf Millionen muss der Landkreis unter seinen geplanten Aufwendungen für 2016 verbuchen, "weil wir die freien Träger ja finanzieren müssen", erläutert Kreisjugendamtsleiter Dietmar König der SZ. Freie Träger wie etwa Caritas, Diakonie, Arbeiterwohlfahrt übernehmen verschiedene Aufgaben für das Jugendamt. Die Kosten für die jugendlichen Flüchtlinge soll der Landkreis sodann vom Bezirk Oberbayern ersetzt bekommen, doch "Unwägbarkeiten gibt es", sagt König. Zunächst muss die Kreisverwaltung für die erfolgten Maßnahmen Rechnungen stellen. Außerdem gibt es noch keine Erfahrungen im Abrechnungsmodus, der zum 1. November gesetzlich geändert wurde. Auch die Fälle für das laufende Jahr sind noch nicht abgerechnet. Im Oktober 2014 waren erstmals unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in den Landkreis gekommen. Für 2015 hatte der Landkreis dafür 1,5 Millionen Euro eingeplant. Für 2016 ist die Summe achtmal so hoch, Rechengrundlage dafür ist die zu erfüllende Quote von 250 UMF für Ende 2015. Derzeit sind 170 im Landkreis untergebracht.

Die Jugendhilfe ist einer der größten Ausgabeposten im Kreishaushalt. Sie soll laut Gesetz junge Menschen in ihrer Entwicklung fördern und Benachteiligungen vermeiden helfen, sie soll schützend eingreifen, wenn Gefahr für das Wohl von Kindern und Jugendlichen besteht, und sie soll Eltern bei der Erziehungsarbeit unterstützen. Die Kosten dafür sind in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen, von elf Millionen Euro 2006 auf 21 Millionen im Vorjahr. Das ist nahezu eine Verdopplung innerhalb von zehn Jahren. Vor einigen Jahren hatte sich politischer Streit entzündet, als Landrat Thomas Karmasin (CSU) die Vorgaben des Kinder- und Jugendhilfegesetzes scharf kritisiert hatte, das für die meisten Leistungen einen Rechtsanspruch der Betroffenen vorsieht. Das bedeutet, dass der Landkreis die Finanzierung in jedem Fall übernehmen muss. Einnahmen in diesem Bereich gibt es kaum, im Jugendhilfeetat für 2016 sind sie auf knapp drei Millionen Euro beziffert.

Seit einigen Jahren soll deshalb ein Controlling dazu beitragen, die Kostenentwicklung im Blick zu behalten. Nun ist der Etat - die Kosten für die jungen Flüchtlinge ausgenommen - erstmals beinahe gleich geblieben, die Steigerung beträgt nur noch ein Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das hat vor allem damit zu tun, "dass es keine steigenden Fallzahlen gab in diesem Jahr", erläutert Jugendamtsleiter König. Warum das so ist, kann er noch nicht genau sagen: "Aber es wäre schön, wenn man daran ablesen könnte, dass unsere Präventionsanstrengungen tatsächlich wirken."

Sein Präventionsangebot in der Jugendhilfe hat der Landkreis sukzessive ausgebaut. Dazu zählt auch das Projekt Familienstützpunkte, das im nächsten Jahr umgesetzt werden soll. 66 000 Euro werden die wohnortnahen Kontaktstellen für Familien kosten, die vor allem die Erziehungskompetenz der Eltern stärken sollen, "damit das Kind erst gar nicht in den Brunnen fällt", sagt König plakativ. Insgesamt plant der Landkreis im nächsten Jahr 2,5 Millionen Euro für freiwillige Vorbeugemaßnahmen ein, darunter das Neugeborenen-Besuchsprogramm, das Frühförderprojekt Opstapje, Erziehungsberatung oder Jugendsozialarbeiter an Schulen. Auch wegen neuer Aufgaben wie der Flüchtlingsbetreuung bekam das Kreisjugendamt in diesem Jahr acht neue Stellen hinzu. Weitere vier sollen 2016 besetzt werden.

© SZ vom 18.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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