Fürstenfeldbruck:Aus Asylbewerbern werden Obdachlose

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Die Anträge von 40 Syrern sind bewilligt worden, weitere werden folgen. Müssen diese die Erstaufnahmestelle am Brucker Fliegerhorst verlassen, dann bekommt die Stadt ein Problem: Sie ist dann zuständig für die Unterbringung

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

In der Stadt fehlt es an Wohnungen. Nun auch noch das: Bald könnten 40 anerkannte Asylbewerber buchstäblich vor dem Rathaus stehen. Und Bruck müsste sie unterbringen. Niemand weiß, wie das gehen soll. Der Grund für das Dilemma: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat die Asylanträge von 40 in der Erstaufnahmestelle am Fliegerhorst lebenden Syrern bewilligt. In der Regel müssen anerkannte Asylbewerber die Erstaufnahmeeinrichtung verlassen, um neuen Flüchtlingen Platz zu machen. Mangels Wohnungen aber würden sie auf der Straße stehen - und Fürstenfeldbruck müsste für die Unterbringung der Obdachlosen sorgen. Das Obdachlosenheim im sogenannten Hotel am Horst an der Maisacher Straße aber ist voll belegt. Und der für Obdachlose vorgesehene Teil der 36 am Sulzbogen sowie an der Parsevalstraße geplanten Sozialwohnungen wird frühestens Ende 2016 zur Verfügung stehen.

Oberbürgermeister Klaus Pleil (BBV) sieht die Regierung von Oberbayern in der Pflicht. Es könne nicht angehen, dass entgegen aller Absprachen der Kreisstadt weitere Lasten aufgebürdet würden - "das sehe ich gar nicht ein." Der OB ist stolz auf die recht reibungslose Aufnahme der zurzeit 530 am Rande des Fliegerhorsts lebenden Asylbewerber und will vermeiden, dass die Stimmung kippt. Schließlich warten in der Container-Behelfsunterkunft im Gewerbegebiet Hasenheide und anderen Häusern weitere etwa hundert Menschen ebenfalls auf die Bewilligung ihrer Asylanträge.

Vorgesehen ist eigentlich, dass Bewohner der Erstaufnahmestelle nach einigen Wochen in dezentrale Unterkünfte jenseits der Kreisstadt ziehen und dort das Ende des Anerkennungsverfahrens abwarten. Die zuständige Regierung von Oberbayern ist da aber überfordert, weil sie keine aufnahmewilligen Landkreise findet: zahlreiche Flüchtlinge leben deshalb bereits seit der Einrichtung der Erstaufnahmeeinrichtung Anfang Oktober dort. Pleil hat sich bereits an die Regierung gewandt und auf die Notlage hingewiesen. Nächste Woche wird die stellvertretende Regierungspräsidentin Maria Els in Bruck erwartet. Es dürfte ein Krisengespräch werden. Pleil fordert, Asylbewerber vom Fliegerhorst schneller auf Kommunen zu verteilen, die bislang kaum Flüchtlinge aufnehmen mussten. "Wenn die Leute jetzt vor dem Rathaus stehen, dann fahre ich sie persönlich im Landkreis spazieren", droht der OB plakativ.

Integrationsreferent Willi Dräxler (BBV), der das Thema am Rande der Haushaltsberatungen am Mittwoch zur Sprache gebracht hat, bestätigt, dass es mitnichten um ein Worst-Case-Szenario geht, sondern eher um eine vorhersehbare Entwicklung. Und weil die Anerkennungsquote von Flüchtlingen aus Ländern wie Syrien oder Eritrea "bei 90 Prozent liegen dürfte", könnte die Zahl der Wohnungssuchenden anschwellen. Offenbar gebe es keine Abstimmung zwischen dem Bundesamt, das die Asylanträge von Syrern im beschleunigten Verfahren bearbeitet, und der für die Unterbringung zuständigen Regierung.

Wird der Antrag eines Asylsuchenden bewilligt, dann genießt er Freizügigkeit und kann gar nicht mehr verlegt werden in eine andere Einrichtung - wird ein Familienangehöriger anerkannt, dann gilt das für seine ganze Familie. Es habe bereits einen Fall gegeben, so Dräxler, in dem eine solche Familie zunächst nach Ebersberg verlegt und dann nach zweitägigen Irrfahrt wieder zurückgebracht worden sei. Um die ihm zustehenden Leistungen, also Hartz IV, zu beziehen, muss ein anerkannter Asylbewerber sich anmelden und wird deshalb die Adresse der Unterkunft am Fliegerhorst angeben. Muss er in der Folge den Platz in der Unterkunft räumen, wird er mangels freier Wohnungen obdachlos. Die Kommune ist dann gesetzlich verpflichtet, ihn unterzubringen.

Die Miete für anerkannte Asylbewerber übernimmt zwar das Jobcenter, für die Schaffung von Unterkünften aber ist die Stadt zuständig. Behelfsbauten in Ständerbauweise sei da der Vorzug zu geben vor den zurzeit ohnehin schwer zu bekommenden Containern, so Dräxler. Alternativ könnte die Stadt Wohnungen in anderen Gemeinden anmieten und dann bereitstellen. Dräxler, Migrationsbeauftragter bei der Caritas, warnt indes vor einer Dramatisierung: "Wir werden das schon hinkriegen." Schließlich sei eine schnelle Anerkennung durchaus positiv für die Flüchtlinge. Bei seinen regelmäßigen Besuchen im Flüchtlingsheim hat er zahlreiche Bewohner kennen gelernt. "Viele kann ich wirklich jedem Vermieter wärmstens empfehlen." Auf Anfrage der SZ teilte die Bezirksregierung am Donnerstag mit, die 40 Syrer könnten "für eine gewisse Zeit in der Dependance in Fürstenfeldbruck bleiben."

© SZ vom 06.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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