Fürstenfeldbruck:Asyl im Fliegerhorst

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Landrat Thomas Karmasin will in leer stehenden Gebäuden auf dem Militärgelände Asylbewerber unterbringen und hat deshalb ein "Amtshilfeersuchen" gestellt. Über seinen Antrag entscheidet das Verteidigungsministerium

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Der Landkreis Fürstenfeldbruck hat in den vergangenen Wochen 140 Flüchtlinge weniger aufgenommen, als er muss. Um die von der Regierung von Oberbayern vorgegebene Quote zu erfüllen, ist Landrat Thomas Karmasin (CSU) zu einer Notlösung gezwungen. Er wird an diesem Donnerstag an den Standortältesten, Brigadegeneral Bernhardt Schlaak, ein offizielles Amtshilfeersuchen stellen und beantragen, Asylbewerber im Fliegerhorst aufzunehmen. Da der Bund die Kaserne aufgibt und voraussichtlich in fünf Jahren die letzten Soldaten abziehen werden, stehen auf dem rund 200 Hektar großen Militärgelände bereits jetzt einige Gebäude mit erheblichen Flächen leer.

Ob die Bundeswehr dem Ersuchen des Landrats nachkommen wird, ist unklar. Aus der Kaserne war am Mittwoch lediglich zu erfahren, dass der Antrag über das Landeskommando Bayern an das Verteidigungsministerium weitergeleitet werde. Dort werde entschieden. Das Landeskommanden ist für die Zusammenarbeit von zivilen und militärischen Stellen zuständig. Gelingt es Karmasin nicht, Flüchtlinge in der Kaserne unterzubringen, muss er auf Schulturnhallen zurückgreifen, die dem Landkreis gehören, oder er muss Zelte auf dem Freizeitgelände am Mammendorfer Badesee aufstellen lassen. Die Turnhallenlösung war schon vor einem Jahr erstmals in erwogen und nach Protesten der Puchheimer Schulleiter, deren Hallen damals für geeignet befunden worden waren, wieder verworfen worden. Gegen das Aufstellen von Zelten hatte sich Karmasin ausgesprochen, weil er Asylbewerbern nicht zumuten wollte, in einem Behelfsquartier in Zelten zu hausen.

Der Landkreis beherbergt zurzeit in zehn Kommunen rund 400 Flüchtlinge. Eigentlich müsste er schon jetzt 540 Asylbewerbern aufnehmen. Diese Zahl entspräche der für den Landkreis geltenden Quote von 4,7 Prozent der in Oberbayern eintreffenden Flüchtlinge. Im Landratsamt äußerte man sich am Mittwoch mit Rücksicht auf ungeklärte Fragen und das heikle Thema nur sehr zurückhaltend. Eine Pressesprecherin bestätigte lediglich Gespräche mit der Bundeswehr, ohne sich zu Ergebnissen zu äußern.

Dabei hatte Karmasin bereits im Juli 2012 bei einem Pressegespräch mit dem Regierungspräsidenten Christoph Hillenbrand angekündigt, er wolle am liebsten weitere, dem Landkreis zugewiesene Flüchtlinge im Fliegerhorst einquartieren. Ob das möglich ist, ließ er damals offen, da dazu die entsprechenden Häuser und Liegenschaften aus dem Sicherheitsbereich der Bundeswehr ausgezäunt werden müssten. Etwas mehr als ein halbes Jahr zuvor war die Konversion des Fliegerhorstes bekanntgegeben worden. Vor zwei Jahren lebten gerade mal 64 Asylbewerber im Landkreis. Damals spitzte sich die Situation erstmals zu, weil sich deren Zahl in kurzer Zeit verdreifachte. Für die Bundeswehr ist es ein Sicherheitsproblem, Kasernen für Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten zu öffnen.

Die Gedenkstätte an das Olympia-Attentat 1972 am Haupteingang des Fürstenfeldbrucker Fliegerhorstes ist Teil der Stadttour "Terror und Gedenken". (Foto: Landrastamt Fürstenfeldbruck)

Zurzeit steht in der Kaserne etwa der Gebäudekomplex der zuletzt vom Stab der 1. Luftwaffendivision genutzten ehemaligen Luftkriegsschule leer. Dort hätte nach den Wünschen der Kreisstadt im September 2013 eine private Wirtschaftsfachhochschule aus Erding einziehen und die ersten Studenten unterrichten sollen. Diese Pläne scheiterten wohl auch am Kaufpreis. Die Gebäude sind sanierungsbedürftig und nur dann zum Wohnen geeignet, wenn kräftig investiert und umgebaut wird. Allerdings baute der Landkreis wiederholt für Asylbewerber angemietete Privatgebäude mit erheblichem Aufwand für Flüchtlinge um.

Landrat Karmasin kann auf die Unterstützung des Fürstenfeldbrucker Oberbürgermeisters Klaus Pleil bauen. Dieser erklärte, die Stadt werde sich sicher nicht quer stellen, sollte eine vernünftige, tragbare Lösung gefunden werden. Menschen aus Krisengebieten aufzunehmen, sei nichts Schlimmes, sondern etwas Gutes. Aus mehreren Begegnungen mit den in Containern im Gewerbegebiet der Stadt lebenden Asylbewerbern nahm der Oberbürgermeister die Erfahrung mit, dass es eine Bereicherung für Fürstenfeldbruck sei, diese Menschen hier zu haben. Klaus Peil erinnerte daran, selbst ein Kind von Flüchtlingen zu sein, die hier nach dem Zweiten Weltkrieg integriert wurden. Dafür sei er dankbar.

Der Brucker OB ist sich aber auch der Probleme bewusst, die sich für die Bundeswehr aus der Unterbringung von Flüchtlingen in einer Kaserne ergeben. Laut Pleil gibt es zur Belegung von ungenutzten Gebäuden noch eine weitere Alternative. So sei auch in Erwägung gezogen worden, kleinere Bereiche der Kaserne auszuzäunen und dort Wohncontainer oder Häuser aus vorgefertigten Bauteilen aufzustellen.

© SZ vom 07.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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