Fliegerhorst:Druck im Kessel

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Die Dependance des "Ankerzentrums" Manching mit tausend Bewohnern gerät regelmäßig in den Blickpunkt. Die verbreitete Frustration mündet dort regelmäßig in Handgreiflichkeiten. Ihre Nöte bringen die Asylbewerber bei zwei Demonstrationen und einer Kundgebung zum Ausdruck

Von Stefan Salger

Die Spannungen entladen sich an einem Mittwoch im April. Etwa 200 Bewohner der Asylunterkunft am Fliegerhorst entscheiden sich am frühen Morgen offenbar ziemlich spontan, mit Transparenten zum Rathaus Fürstenfeldbruck zu ziehen und den Marktplatz zu blockieren. Sie sind fest entschlossen, das öffentliche Augenmerk auf die Lebensbedingungen in ihrem Lager zu lenken. Die Vorwürfe reichen von schlechtem Essen und schlechter medizinischer Versorgung bis hin zu angeblicher Schikane durch das Sicherheitspersonal. Ein paar Monate später folgt die nächste Demo. Es sind dies Belege für ungelöste Probleme in der Kreisstadt.

Die Probleme gibt es schon länger. Es sind nicht die Asylbewerber an sich - die werden von weiten Kreisen der Bevölkerung gut aufgenommen und landkreisweit von 20 Helferkreisen mit 800 ehrenamtlichen Kräften betreut. Es ist vielmehr die geballte Unterbringung in der Kreisstadt von bis zu tausend vor allem allein reisenden jungen Männern, die zu etwa 95 Prozent aus dem Herkunftsland Nigeria stammen und kaum Aussicht haben auf einen positiven Abschluss des Asylverfahrens. Viele von ihnen gelten als sogenannte Dublin-III-Fälle, die Asyl im ersten EU-Land beantragen müssten, das sie betreten. Meist ist das Italien.

Dorthin zurück will aber niemand, denn dort kümmere sich niemand um die Flüchtlinge. Das sagt Willi Dräxler, der sich bei der Caritas für das Thema Migration zuständig und Referent für Integration im Brucker Stadtrat ist. Nur etwa jeder Fünfte darf in Deutschland bleiben. Kein Wunder, dass die Flüchtlinge frustriert sind. Auch deshalb, weil alles zur Hängepartie geworden ist: Manche leben mehr als ein Jahr in der angeblichen "Erstaufnahmestelle", in der sie eigentlich nur für ein paar Wochen unterkommen sollten. Auf die Melange aus Perspektivlosigkeit, Langeweile und Sammelunterkunft haben örtliche Politiker immer wieder hingewiesen. Eine Kreisstadt wie Bruck könne das nicht auf Dauer stemmen.

Die Regierung von Oberbayern hat die Einrichtung mittlerweile zur Dependance des sogenannten Ankerzentrums Manching umgetauft. Geändert hat sich dadurch nichts. Immerhin ist es der Stadt zuvor in zähen Verhandlungen gelungen, dem Innenministerium Zugeständnisse abzuringen. So soll die Unterkunft, die im Herbst 2014 unter großem Zeitdruck in ehemaligen Kasernengebäuden und dem früheren Unteroffiziersheim eingerichtet worden ist, 2023 dicht gemacht werden. Damit soll mit Blick auf den bevorstehenden Abzug der Bundeswehr der Boden für eine zivile Umgestaltung des Fliegerhorsts bereitet werden.

Nur mit Zustimmung der Stadt könnte der Termin noch um zwei Jahre verschoben werden. Zudem wurde die Maximalgrenze von 1600 auf 1000 Bewohner reduziert. Die Kapazität wird zurzeit nahezu ausgeschöpft.

Nur sehr langsam umgesetzt werden kann die von der Regierung zugesicherte "bessere Durchmischung". Zwar stieg der Anteil der Frauen und Familien bereits. Weil Bundesländern und Bezirken aus organisatorischen Gründen aber jeweils unterschiedliche Nationalitäten zugewiesen werden und Oberbayern vor allem Menschen aus Nigeria aufnimmt, lassen sich nur schwer Menschen unterbringen, die im Idealfall nicht so frustriert und perspektivlos sind. So bleibt es vorerst dabei, dass es vor allem innerhalb der Unterkunft, auch bei Versuchen, Abschiebungsbescheide durchzusetzen, regelmäßig zum Ausbruch von Aggressionen kommt - gefolgt von Großeinsätzen der Polizei. Offen ist, ob die von staatlichen Stellen zugesicherte personelle Aufstockung der Brucker Polizeidienststelle umgesetzt wird. Bis Ende 2019 soll zudem die zweite große Asylunterkunft auf städtischem Gebiet kleiner werden: In dem Haus sowie den benachbarten Wohncontainern im Gewerbegebiet Hasenheide soll die Zahl der Bewohner von 140 um 70 Plätze reduziert werden.

In die Kritik geraten ist Landrat Thomas Karmasin (CSU) wegen seiner angeblich zu restriktiven Linie. Ende September zogen etwa 400 Asylhelfer, Flüchtlinge und Unterstützer durch Fürstenfeldbruck. Bei einer Kundgebung vor dem Landratsamt kritisierten sie, dass die Behörde viel zu hohe Hürden aufbaue für Arbeitsgenehmigungen und es Asylbewerbern so verweigere, den Tag sinnvoll zu verbringen und für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen.

Viel zu häufig gestrichen werde auch das Taschengeld - etwa dann, wenn von fehlender Kooperationsbereitschaft bei der Identitätsfeststellung ausgegangen werde.

© SZ vom 28.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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