Filmgespräch:Überfluss und Mangel

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Naturschützer und Slow-Food-Anhänger diskutieren, wie zehn Milliarden Menschen zu ernähren sind

Von Julia Kiemer, Fürstenfeldbruck

Heuschrecken oder ganz allgemein Insekten schmecken nicht jedem, in Thailand jedoch gehören sie seit Jahrhunderten zur Esskultur. Aber was, wenn die Menschheit bald nicht mehr die Option hat, wählerisch zu sein, weil die Nahrung knapp wird? Wo soll die Nahrung in Zukunft herkommen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Valentin Thurn in seinem neuen Dokumentationsfilm "10 Milliarden - Wie werden wir alle satt?", den die Ortsgruppe Fürstenfeldbruck/Emmeringvom Bund Naturschutz in Zusammenarbeit mit der Non-Profit-Organisation Slow Food Fünfseenland kürzlich bei einem Filmabend mit anschließendem Filmgespräch gezeigt hat.

In seiner knapp zweistündigen Dokumentation hangelt sich Thurn auf der Suche nach Lösungen durch den Dschungel der Lebensmittelproduktion. Er spricht mit Kleinbauern, deren Gegnern, die industriellen Landwirtschaft, und besucht Laborgärten. Auch Großkonzerne wie Bayer kommen zu Wort, die Gentechnik beziehungsweise neue Technologien als einzige Lösung des Problems sehen, obwohl gesundheitliche Langzeitfolgen teilweise nicht abschätzbar sind. Am Ende lautet sein Fazit, dass die Technologie ihren Preis haben werde und die Lösung des Großen eigentlich im Kleinen liege. Nur durch eine bessere Verteilung und Förderung der Kleinbauern und der regionalen Landwirtschaft sei auf Dauer eine effektive Hungerbekämpfung möglich.

"Wir haben alle - wie auch Thurn - die gleichen Hoffnungen und Ziele, aber auch den gleichen Kummer, wenn wir unter dem Gesichtspunkt der Ernährung auf die Welt schauen", sagte Richard Bartels, Leiter der regionalen Gruppe von Slow Food, zu Beginn der Veranstaltung. Bis 2050 wird die Weltbevölkerung laut Schätzungen auf zehn Milliarden Menschen angestiegen sein. Mehr zu produzieren, um den Hunger zu kompensieren, werde nicht funktionieren. Aber auch mit dem Wegwerfen von mehr als einem Drittel der Lebensmittel, was Thurn auch in seinem Film "Taste the waste" thematisiert, könne man das Problem nicht lösen.

Bei den rund 15 Zuschauern kam der Regisseur mit seinem Film unterschiedlich gut an. Einer Frau gefiel der Film nur mäßig. Erst der Schluss habe sie versöhnlich gestimmt, da würde Thurn das Thema auf den Punkt bringen. "Davor ist es nur von oben herab gefilmt. Ich finde, er hat die Thematik nicht ganz erfasst", merkte sie kritisch an. Eine andere Dame konnte diese Meinung nicht teilen. Ihrer Meinung nach war der Film sehr sehenswert, weil er einen Überblick über das Gesamtbild gebe, aber auch den Zusammenhang mit dem Klima erkläre. Nur zu lang sei er gewesen. Besonders beeindruckt hat einen Besucher ein klar sichtbarer Unterschied zwischen profitorientierter und bäuerlicher Landwirtschaft. "Die moderne Landwirtschaft ist so menschenleer und wenn doch mal welche da sind, werden die auf den Feldern fast wie Sklaven behandelt", meinte er. Bei der bäuerlichen Form dagegen hätten verschiedene Menschen eine Beziehung zueinander. "Da sieht man doch mit einem Blick, dass die modernen Methoden ein Graus sind."

Die Lösung des Großen liegt im Kleinen, das sei seiner Meinung nach der markanteste Satz im ganzen Film, zeigte sich Bartels nach dem Film beeindruckt. Auch ihm gefielen die verschiedenen Ansätze und der Blick um die Welt. "Besonders schön finde ich die Beispiele, was wir selbst tun können", meinte er. Im Film zeigt Thurn etwa eine Stadt in England, die alle sonst verwucherten und nicht genützen Grünflächen verwendet, um dort Essbares, wie zum Beispiel Apfelbäume, anbaut. Das sei schön und gleichzeitig essbar. Aber auch das Konzept der urbanen Gärten, wo Menschen aus der Stadt in gemeinschaftlich organisierten Gärten "garteln" können, gefällt ihm: "So etwas gibt es ja hier auch schon in Fürstenfeldbruck und auch Puchheim." Das seien gute Lösungsansätze. "Aber am Ende liegt die Entscheidung bei uns, was wir wo und zu welchem Preis kaufen", sagt ein anderer Besucher. Und damit entscheide man sich tagtäglich selbst, in welche Richtung man das Problem treibe.

© SZ vom 15.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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