Ernste Herausforderung :Mahnende Worte

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Bund, Land und Kommune im Gespräch (von links): Reinhold Bocklet, Gerd Müller, Gerda Hasselfeldt und Andreas Lohde. (Foto: Günther Reger)

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller erinnert seine Parteifreunde beim CSU-Jahresempfang in Bruck an die Verantwortung gegenüber der Dritten Welt

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Gerd Müller fügt sich nicht in den CSU-Mainstream ein. Einfache Antworten auf die negativen Auswirkungen des globalen Welthandels sind dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit zuwider. "Wenn der Wohlstand nicht nach Afrika kommt, kommt Afrika zum Wohlstand", zitiert Müller den ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler zu Beginn des Neujahrsempfangs der Fürstenfeldbrucker CSU im Kurfürstensaal des Klosters. Dieser Satz beschreibt die Migration - besonders aus Afrika - angesichts der aktuellen Flüchtlingslage sehr zutreffend.

Müller, 61, bezeichnete die Migration als "Menschheitsherausforderung", die es zu bewältigen gelte. Der CSU-Politiker erinnerte an historische Parallelen und dass auch Deutschland besonders im 19. Jahrhundert zu den armen Ländern gehörte, deren Bürger in die USA auswanderten und sozusagen Millionen deutsche Wirtschaftsflüchtlinge in Nordamerika anlandeten. "Drei Tanten von mir sind ausgewandert", sagte Müller, der in Kempten beheimatet ist. Er plädierte für einen Marshallplan für Afrika. Er führte den 120 Besuchern des Neujahrsempfangs die zukünftige Dimension des schwarzen Kontinents vor Augen: "Dort werden bis 2050 etwa zwei Milliarden Babys geboren, und die Bevölkerung Afrikas wird sich verdoppeln",

"Eine Welt ohne Hunger ist möglich", bekräftigte Müller und bezeichnete Hunger als "Mord". Afrika könne man durchaus entwickeln, wenn man dort für Bildung, Innovation und die Stärkung der Frauenrechte sorge. So habe die Bildung und Ausbildung von Frauen in Ruanda bewirkt, dass diese Frauen statt durchschnittlich sieben nur noch zwei Kinder auf die Welt brachten. "Der Marshallplan geht nicht mit öffentlichen Geldern", so Müller und forderte viel mehr private Investitionen in Afrika. Müller sicher: "Geld ist genug da." Auf jeden Fall werde sein Ministerium keinen Euro mehr in korrupte Länder überweisen. Er stellte das Projekt "Cash for work" vor, das Deutschland im Irak betreibe. "Dort geben wir Menschen hundert Dollar im Monat dafür, dass sie Häuser und Infrastruktur ausbauen."

Müller kritisierte vehement den aktuellen globalen Handel: "Wir haben in den vergangenen hundert Jahren unseren Wohlstand auf dem Rücken der Entwicklungs- und Schwellenländer finanziert." Das sogenannte deutsche Textilbündnis bezeichnete der Redner als ersten Erfolg. 65 Prozent des deutschen Textilhandels würden sich jetzt an faire Standards im internationalen Handel halten. Müller berichtete von einem Besuch in Bangladesch und von eigenen Einkauf einer Jeans, die dort fünf Euro kostet und in Deutschland im Laden für hundert Euro verkauft werde. Schon bei einem Einkaufspreis von sechs Euro würden die Arbeiterinnen dort bei einer 70-Stunden-Woche einen Lohn bekommen können, der sie, so Müller, ernähre. "Zuerst mauern die Unternehmen jedoch immer", sagte Müller. Doch, wenn man Druck mache, könne man auch eine Firma wie Adidas davon überzeugen, dass sie in Bangladesch faire Löhne zahlt.

Der CSU-Politiker streifte in Fürstenfeldbruck auch die aktuelle Flüchtlingskrise ein und plädierte entschieden für Hilfe an Ort und Stelle. Er erinnerte daran, dass in Deutschland die Betreuung von einer Million Flüchtlinge etwa 30 Milliarden pro Jahr kosten. Müller sagte: "Mit acht Milliarden Euro für alle syrischen Flüchtlinge in und um Syrien herum in die dortige Infrastruktur ist eine Bleibeperspektive für die Menschen möglich." Er bezeichnete es als skandalös, dass dieses Geld in Europa bisher nicht zusammen gekommen ist. "Da müssen alle Länder in einen Topf einzahlen", meinte Müller unter dem Beifall der Zuhörer, unter denen auch Gerda Hasselfeldt, die Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag war. Würden die Länder nicht freiwillig zahlen, müsse man das Geld von ihren EU-Fördermitteln abziehen.

© SZ vom 16.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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