Erfinder:Viel Lob, wenig Lohn

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Mit dem Laubgreifer von Autodidakt Jürgen Dahl lassen sich welke Blätter einsammeln. Das Gerät gewann Preise, der kommerzielle Erfolg blieb aber aus

Von Ellen Draxel

Jürgen Dahls Augen funkeln schelmisch hinter seiner Brille, wenn seine kreative Ader erwacht. Im Grunde, sagt der Tüftler, der vor wenigen Wochen 77 Jahre alt geworden ist, sei er ja "ein ganz fauler und bequemer Mensch". Einer, der sich die Arbeit stets so einfach wie möglich habe machen wollen.

Dahl ist Mitglied im Münchner Erfinderclub "Pionier". Vor ein paar Jahren hat der Fürstenfeldbrucker eines der Aushängeschilder des Clubs kreiert, ein Gerät, das er "Laubgreifer" nennt. Mit dieser Innovation gewann er 2010 bei der Erfinder-Fachmesse IENA in Nürnberg die Bronzemedaille. "Ich war damals Hausmeister der Wohnanlage, in der ich seit 42 Jahren mit meiner Familie lebe", erzählt der Rentner. Als Mann für alles musste er sich unter anderem um die Grünflächen rund um den Wohnblock kümmern: Rasen mähen zum Beispiel, Büsche schneiden, im Herbst das Laub der vielen Bäume wegschaffen - keine Kleinigkeit. Jahr für Jahr fallen in der Grünanlage bis zu 120 Kubikmeter welke Blätter an, die es zu entsorgen gilt. Anfangs nutzte Dahl dafür noch eine herkömmliche Schaufel. Oder er griff mit den Händen in den Blätterberg und warf das Laub so in den Anhänger. Doch beides war, wie er inzwischen weiß, ein unnötig "mühseliges Unterfangen". Danach testete Jürgen Dahl einen Laubsauger, "aber das war eine Schnapsidee, der Schlauch war ständig mit kleinen Ästen verstopft".

Was also tun? Dahl probierte etwas Neues aus: Er nahm zwei Schneeschaufeln aus Holz und kombinierte sie so, dass sich eine Zange ergab. Später entwickelte er dieses Modell zum eigentlichen Laubgreifer aus Aluminium mit Zinken an der Unterseite und Griffen für eine bessere Handhabung weiter.

Vier Jahre lang profitierte der Fürstenfeldbrucker als Hausmeister bei der praktischen Anwendung selbst von seiner Idee, bei einer Erfinder-Sendung in einem Privatsender stach er damit 2014 sogar neun Konkurrenten aus und wurde vom Publikum zum Sieger gekürt - inklusive einer Prämie von 5000 Euro. Doch so sehr seine Erfindung von jedem, dem er sie vorführte, auch gelobt wurde - die kommerzielle Vermarktung des Laubgreifers war nicht von Erfolg gekrönt. "Ich habe das Gerät x Firmen vorgestellt, inklusive Exposé und siebenminütigem Film. Keiner hatte Interesse", erzählt der kreative Macher. Ein Patent für den Laubgreifer ist mittlerweile abgelaufen, und verlängern will Dahl es nicht mehr. Er würde sein geistiges Eigentum aber "zu einem Freundschaftspreis" an Interessierte weiterverkaufen - inklusive aller Rechte.

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(Foto: LEONHARD SIMON)

Viele Ideen und eine Werkstatt, die keine Wünschen offen lässt.

Perfektionistisch und kreativ: zu Jürgen Dahls Arbeiten gehören...

...Dampfwalzen, Schiffe, Kanonen...

...und ein Motorrad aus Teakholz.

Wie kreativ der gebürtige Magdeburger, der als Bundeswehr-Soldat zuerst ins Sauerland und dann nach Bayern versetzt wurde, tatsächlich ist, beweisen Exponate, die er heute in seinem Wohnzimmer aufbewahrt. Ein Motorrad aus Teakholz steht da im Regal: Der bekennende Motorradfan, der mit seiner Honda einst bis nach St. Petersburg fuhr, hat die kleine Maschine in 130 Arbeitsstunden gefertigt.

Gleich daneben glänzt eine Messing-Kanone samt Munition, gebaut in 180 Stunden. "Die habe ich gemacht, nachdem ich einen Napoleon-Film gesehen hatte", erzählt Dahl. Mit Platzpatronen gefüttert, gebe die Kanone "einen ganz schönen Knall". Der Tüftler hat außerdem Dampfwalzen aus Messing in allen Größen hergestellt, eine Art Vogel Strauß aus einem Stein und Stahlstäben erschaffen sowie jede Menge Schiffe entwickelt und zu Wasser gelassen - jahrzehntelang.

"Ich hab's vor allem mit den russischen Schiffen, wegen der herausfordernden Aufbauten", sagt Dahl. Das größte Modell, das er je schuf, war 3,40 Meter lang und kostete ihn 5000 Arbeitsstunden. Andere Versionen baute er auf Anforderung in Serie und verkaufte sie anschließend. Für ein Schiff mit einem 1,30 Meter langen Rumpf bekam der Bastler eine fünfstellige Summe. See- und funktionstüchtig inklusive kleinem Raketenwerfer und Fernsteuerung sind alle Dahl-Schiffe.

Trotz allem Perfektionismus und einer Werkstatt im Keller, die keine Wünsche offen lässt - eine Kreativ-Ausbildung hat Jürgen Dahl nie genossen. Alles, was er kann, hat er sich selbst beigebracht. "Man kommt, wenn man Lust und Muße hat, auf so viele Ideen", erzählt er. Platinen für Schiffsaufbauten zu nutzen zum Beispiel. Oder Lötstifte in Griffe für Modellschiff-Türen umzufunktionieren.

Mit seinem aktuellen Projekt hat sich Dahl von der Technik ab- und der Tierwelt zugewandt. Drei Holzäffchen auf einer Stange hat er geschaffen. Die Tiere halten sich, Emoji-like, den Mund, die Nase und die Ohren zu. Und in Jürgen Dahls Ausführung einer sogar das Pipi.

Die Serie wird in loser Folge fortgesetzt.

© SZ vom 03.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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