Empfang in Germering:Wettern statt wohlfühlen

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Eigentlich ist der Wirtschaftsempfang für Andreas Haas (links) und seine Gäste ein Wohlfühltermin. Dieses Jahr aber gibt es kritische Töne. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Der Chef des Wirtschaftsverbands rechnet mit Grünen und SPD ab

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Der Wirtschaftsempfang der Stadt Germering in der Stadthalle ist als Wohlfühlveranstaltung konzipiert. Oberbürgermeister Andreas Haas (CSU), der diese Veranstaltung 2009 ins Leben gerufen hat, beschreibt dann immer in einer längeren Rede - diesmal umringt von diversen Wohlfühlplakaten im Saal - den Vorteil des Wirtschafts- und Lebensstandortes Germering. Dann werden Betriebe geehrt, die seit Jahrzehnten erfolgreich am Ort wirken und die Blaskapelle der Freiwilligen Feuerwehr Unterpfaffenhofen bläst dazu "Lottchen Polka". Doch diesmal war alles anders.

Jürgen Biffar, der Vorsitzende des Germeringer Wirtschaftsverbandes, nutzte den Wirtschaftsempfang in der Stadthalle zu einer heftigen politischen Attacke auf die Stadtratsfraktionen der SPD und Grünen. Biffar beschäftigte sich in seiner Grundsatzrede vor etwa 200 Gästen mit dem Thema "Anstand in Wirtschaft und Politik". Eingangs rechnete der Verbandschef allerdings mit den nationalen Spitzenkräften aus Politik und Wirtschaft ab. "Dieselskandal - zu wenig Anstand oder Dummheit?", fragte Biffar. Auch bezeichnete er den Innenminister und früheren CSU-Chef Horst Seehofer als "Negativbeispiel" in der Flüchtlingsdebatte. Kanzlerin Angela Merkel, die die "Fridays for Future"-Demonstrationen jugendlicher Klimaschützer gelobt hatte, würde Schüler und Schülerinnen zum "Gesetzesbruch" ermuntern, so sein Vorwurf an die Berliner Adresse. "Das ist purer Populismus. In meinen Augen nicht anständig", schimpfte Biffar, bevor er zwei Themen aufgriff, die aktuell die Gemüter in Germering bewegen.

"Wer gegen die Ansiedlung der Post-Niederlassung stimmt", erklärte der Chef des Wirtschaftsverbandes, "versündigt sich an der jungen Generation" vor Ort "und trägt dazu bei, dass sich so bald kein größeres Unternehmen mehr um einen Standort in Germering bemüht." Namentlich ging der Chef des Wirtschaftsverbandes damit SPD und Grüne an. Deren Stadträte hatten neulich im Bauausschuss deutlich gemacht, dass ihnen die Ansiedlung des Post-Briefverteilzentrums im Gewerbegebiet Germeringer Norden "zu groß ist" (SPD) oder "zu viel Verkehr" (Die Grünen) bedeute. Allerdings gibt es in beiden Parteien auch Stadträte, die die Post-Ansiedlung befürworten. "Machen Sie den Weg frei für 1400 Arbeitsplätze in Germering", appellierte Biffar nachdrücklich an die Kritiker und differenzierte die Arbeitsplätze, die mit der Post kommen könnten, in 400 hochwertige Büroarbeits- und tausend Teilzeitarbeitsplätze.

Bei einem Nein "geht es uns wie den Briten", bemühte Biffar noch den Brexit, "aufgrund politischer Stimmungsmache wird die falsche Entscheidung getroffen". Dann wäre der "Germeringer Brexit" da. Doch es würden auch wieder andere Zeiten kommen, dann werde man in Germering über jeden Arbeitsplatz und jeden Euro Gewerbesteuer froh sein. Zuvor hatte Biffar die Grünen schon scharf angegriffen, als er über das geplante Baugebiet am Kreuzlinger Feld sprach. Die Grünen würden dafür plädieren, nur 1500 statt 2500 Menschen anzusiedeln. Weniger Wohnungen zu bauen, werde die Preise für die Wohnungen allerdings nach oben treiben. "Die Grünen fordern damit, Wohnraum ausschließlich für wohlhabende Bürger zu schaffen und machen damit Politik vorrangig für die vermögende Schicht", warf Biffar den Stadträten vor.

© SZ vom 05.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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