Emmering:Menschenbilder

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Erinnerung an Elisabeth Bunge

Von Johannes Simon, Emmering

Noch Mitte der Neunzigerjahre zählte Elisabeth Bunge-Wargau, die allgemein "die Liesl" genannt wurde, zu den höchst geachteten Persönlichkeiten innerhalb der Brucker Künstlervereinigung. Neben Josef Dering, der mit seinen öffentlichen Arbeiten an Schulen und Kirchen den Landkreis (nicht immer unumstritten) optisch prägte, war Liesl Bunge eine der eher raren wirklich professionellen Künstlerpersönlichkeiten innerhalb der Gruppe. Von seiner Kunst zu leben beziehungsweise sich ihr ganz widmen zu können, das galt etwas unter den Künstlern. Liesl Bunge war eine der Auserwählten - ob ihr das Von-der- Kunst-leben-Können immer gut gelang, ist die andere Frage.

Aufgrund ihrer stark wirkenden Persönlichkeit, aber auch wegen ihrer sensiblen, immer als authentisch empfundenen Arbeiten, die vom Leid und der inneren Zerrissenheit des Menschen kündeten, wurde sie gewissermaßen als künstlerische Autorität empfunden. Sie galt allgemein als lustiger, fröhlicher Mensch. Oft mit der Zigarette in der Hand (zum Tabak hatte sie ein ähnliches Verhältnis wie Alt-Kanzler Helmut Schmidt), sah man sie nach ermüdenden Vereinssitzungen lange noch im Gespräch mit Kollegen. Sie war niemals arrogant - eher frech vielleicht, frotzelnd. Den jungen Künstlern wie Jens Augustin, der zu ihr ein besonders nahes Lehrer-Schüler-Verhältnis pflegte, war sie Vorbild und Mentorin zugleich.

Es waren vor allem ihre ausdrucksstarken Porträt-Studien, ihre Menschenbilder, die den Kollegen Hochachtung abrangen. Erstaunlicherweise schaffte sie das mit einer ganz autarken Stilsprache, die sich nicht am Zeitgeist orientierte. Sie blieb in ihren Arbeiten ganz bei sich. Dabei war den wenigsten Kollegen bewusst, dass Liesl Bunge Teil einer Künstler-Dynastie war, die sich vor allem auf dem Gebiet der angewandten Kunst einen Namen gemacht hat. Später wurde es still um sie. Das allmähliche Einsetzen ihrer Alzheimer-Erkrankung machte sie misstrauisch, argwöhnisch und zunehmend auch aggressiv. Für viele Freunde, die die Liesl so nicht kannten, war das eine schwierige Zeit. Ein Amt übte Liesl Bunge in der Künstlervereinigung nie aus. Für administrative Aufgaben war sie zu chaotisch, zu sehr Freigeist. Diese Eigenschaft spiegelte sich auch in ihrem Wohnhaus in der Emmeringer Hauptstraße wieder, eines der wenigen Künstlerhäuser des Landkreises. Wer jemals dort gewesen war, erinnert sich an eine Ali-Baba-hafte geheimnisvolle Räuberhöhle, an eine Wunderkammer der Kunst und des Kunstgewerbes. Vollgestopft von oben bis unten, nach Farbe und Zigarettenrauch riechend, konnte man dort auf Entdeckungsreise gehen. Jeder Zentimeter atmete Kreativität, Bilder achtlos übereinander gestapelt mit lässiger Nonchalance, unzählige kunstgewerbliche Gegenstände - Spiegel eines reichen Künstlerlebens.

Daran änderte sich wenig, als nach ihrem Tod 2005 Tochter Rena Bunge das Haus übernahm. Rena Bunge war selbst begabte und manchmal auch obsessive Goldschmiedin. Weniger konziliant im persönlichen Umgang, düsterer im Charakter und auch sie zeitlebens misstrauisch, gelingt es Rena Bunge nur bedingt, das ihr eigene Talent zum Erfolg zu führen. Sie arbeitete längere Zeit als Angestellte beim Münchner Juwelier Hemmerle in der Maximilianstraße, träumt aber zeitlebens von der ganz großen Karriere in Paris oder New York. An diesem Anspruch scheitert zuletzt ihr Lebensentwurf. Mit ihrem viel zu frühen Tod 2014 endet die Künstler- und Kunsthandwerker-Dynastie der Bunges - eine Familie, die oft zwischen Genie und Wahnsinn, zwischen Lebenslust und Lebensdrama oszillierte und die sich niemals an bürgerlichen Maßstäben messen ließ.

© SZ vom 11.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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