Emmering:"Ich habe sehr viel gelernt"

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Stefan Floerecke hat sich schon einige Vorwürfe aus der Opposition anhören müssen. Er gewöhnt sich daran, dass es in der Gemeinde andere Entscheidungswege gibt als in der freien Wirtschaft

Interview von Ingrid Hügenell, Emmering

Nicht nur Stefan Floerecke (CSU) ist als Bürgermeister neu in Emmering, im Gemeinderat sitzen auch viele neue Mitglieder, darunter erstmals vier Grüne. Der 35 Jahre alte Bürgermeister muss sich mit erschwerten Arbeitsbedingungen wegen der Pandemie auseinandersetzen. Die CSU hat zudem keine Mehrheit im Gremium. Sie stellt acht von 20 Gemeinderäten, die Freien Wähler sechs. SPD und FDP haben je einen Sitz.

Was war in diesem ersten Jahr Ihr größter Erfolg?

In Sachen Digitalisierung sind wir ein gutes Stück vorangekommen, zum Beispiel, was die technische Ausstattung betrifft. Das Rathaus hat nun komplett W-Lan, das gab es vorher nur im Sitzungssaal für die Gemeinderäte. Die Mitarbeiter in Leitungsfunktionen haben zum PC ein Tablet bekommen, für mobile Arbeitsplätze, Videokonferenzen und Homeoffice. Für Schülerinnen und Schüler haben wir 52 Tablets angeschafft, zudem 22 Dienstgeräte für die Lehrer. Wir waren eine der ersten Gemeinden im Landkreis, die das eingesetzt hat.

Bei der Einstellung eines Mitarbeiters für den IT-Bereich gab es aber auch Probleme. Ihr Vorgehen wurde von der Rechtsaufsicht geprüft.

Ja, es gab eine kommunalaufsichtliche Prüfung. Wir brauchen dringend Unterstützung im IT-Bereich, einen zweiten Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin. Da bin ich relativ schnell rangegangen, habe aber keinen Rechtsbruch begangen. Nichtsdestotrotz habe ich gelernt, dass es in der Verwaltung deutlich anders läuft als in der freien Wirtschaft. Aus dem ganzen Vorgang habe ich sehr viel gelernt. Ich würde das nicht mehr so angehen.

Wie sehr nervt Sie das, dass es in der Gemeinde anders läuft als im Unternehmen?

Nerven ist der falsche Ausdruck. Es ist halt manchmal schade. Es würde uns viele Verzögerungen ersparen, wenn man zu schnelleren Entscheidungen kommen könnte. Die Stelle in der IT muss erst genehmigt und dann ausgeschrieben werden. Dann werden geeignete Bewerber ausgewählt, und die müssen im Hauptausschuss ins Auswahlverfahren. Erst danach kann man die Stelle besetzen. Da vergeht gerne mal ein halbes Jahr, das ist schon ein sehr langer Zeitraum.

Ist denn jetzt schon jemand eingestellt?

Nein, noch nicht, das wird erst im Mai entschieden.

Es gab Vorwürfe von Freien Wählern, Grünen und SPD im Gemeinderat, Entscheidungen würden im Hinterzimmer getroffen. Können Sie das nachvollziehen?

Es wird definitiv nichts im Hinterzimmer entschieden. Das geht auch gar nicht. Ich brauche ja die Gremien für die Entscheidungen, ich habe ja keine CSU-Mehrheit. Ich versuche, alles transparent darzulegen. Zum Beispiel bei der Konversion des Fliegerhorsts, da gab es bei einem Treffen der Bürgermeister die Idee, ein Gutachten machen zu lassen. Das ist an die Presse gekommen, und die Gemeinderäte haben es aus der Zeitung erfahren. Zwei Wochen später hätte ich meine Sitzung gehabt und den Gemeinderat informiert. So habe ich Unmut fabriziert, und es wirkte intransparent.

Hätten Sie den Gemeinderat nicht auf anderen Wegen informieren können?

Informationen über E-Mail bieten sich oft nicht an, wenn Sachen geheim sind. Aber ich werde künftig die Fraktionssprecher sehr regelmäßig treffen und sie über grundsätzliche Themen informieren, sechs- bis achtmal im Jahr, bisher gab es das nur zweimal jährlich. Es muss einem Gemeinderat aber auch klar sein, dass er nicht erwarten kann, immer auf dem Wissensstand des Bürgermeisters zu sein. Jeder Gemeinderat kann mich jederzeit anrufen oder zu mir kommen. Es ist nicht mein Anliegen, irgendwas zu mauscheln. Ich brauche ja meine Gemeinderäte, nicht nur für Beschlüsse, sondern auch ihre Expertise und Erfahrung.

Wie erschwert die Corona-Pandemie die Situation?

Dieser dauernde Lockdown, das ist nicht ganz einfach, wenn man so ins Amt kommt. Mir fehlt total der Kontakt zu den Bürgern und auch zu den Gemeinderäten. Dass man nach der Sitzung mal auf ein Bierchen geht, da kann man viel klären. Dieser informelle Kontakt, der persönliche Austausch, der fehlt derzeit. Es ist auch für den Gemeinderat schwierig zusammenzufinden, es gibt ja viele neue Gemeinderäte und sogar eine ganz neue Fraktion. Nach den ganzen Verwerfungen ist es für mich jetzt auch wieder gut und wir werden uns demnächst zusammensetzen und über die weitere Zusammenarbeit sprechen.

Und wie klappt es mit der Verwaltung?

Es klappt im Großen und Ganzen sehr gut. Anfangs war im Rathaus eine Anspannung zu spüren - da kommt eine neuer Chef, ein junger, wie wird das? Ich bin aber ganz toll aufgenommen worden. Ich treffe die Leute oft, vor allem die in der Leitungseben. Ich will alle mitnehmen, und sie sollen mitgestalten. Ich brauche die Erfahrung und Expertise meiner Verwaltungsleute, will aber auch moderner und effizienter werden, da wird es Umstrukturierungen geben. Wir sind auf einem sehr guten Weg.

Wie geht es Ihnen persönlich im Amt?

Das ist ein wunderschönes Amt, und ich bin sehr froh, dass ich es machen darf. Es ist aber auch eine große Herausforderung, Beruf, Familie und Freunde zu vereinbaren. Man muss persönlich zurückstecken. Das ist auch für meinen zweieinhalbjährigen Sohn nicht einfach. Es ist schon ein Highlight, wenn ich so früh nach Hause komme, dass ich ihn ins Bett bringen kann. Ich versuche, das mit Zeit für ihn am Wochenende auszugleichen. Wie viele Stunden das sind? Ich stemple ja nicht, aber es werden 60 bis 70 Stunden pro Woche sein, obwohl es momentan ja kaum Abendtermine gibt. Natürlich gibt es hier auch irgendwo eine Grenze, dann müssen mich meine Stellvertreter unterstützen.

© SZ vom 29.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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