Emmering:Am Thema vorbei

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Unter Rechtfertigungsdruck: Michael Piazolo (rechts neben Michael Leonbacher) bei der Veranstaltung im Bürgerhaus Emmering. (Foto: Johannes Simon)

Die Freien Wähler laden zu einer Veranstaltung über den Bahnausbau, diskutieren jedoch über die Wahlkampfstrategie

Von Peter Bierl, Emmering

Eine glatte Themaverfehlung haben sich die Freien Wähler geleistet. Unter dem Titel: "S 4-Ausbau auf dem Abstellgleis?", hatte die Landtagsfraktion im Rahmen ihrer Reihe "Fraktion vor Ort" zu einer Veranstaltung im Emmeringer Bürgerhaus eingeladen. Die S 4 blieb an diesem Abend auf dem Abstellgleis, die FW klärten interne Differenzen um die geplante zweite Stammstrecke in München. Der Emmeringer Bürgermeister Michael Schanderl hatte wohl die Diskrepanz begriffen. Er empfing die Presse mit dem Hinweis, es handele sich um eine nicht öffentliche Veranstaltung. Der Vorsitzende der Kreistagsfraktion, Michael Leonbacher, korrigierte ihn.

Schanderl eröffnete die Aussprache mit dem Hinweis, dass die FW in Fürstenfeldbruck sowohl für den Ausbau der S 4 als auch den umstrittenen zweiten Tunnel sind. Anschließend zitierte er dissonante Stimmen und Ergebnisse der Landtagswahlen 2013. Demnach schnitten die FW im Umland besser ab als in München.

Das zielte auf den Landtagsabgeordneten Michael Piazolo aus München, der sich oft kritisch zum Tunnelprojekt geäußert hat. Er hatte sogar mit der Bürgerinitiative in Haidhausen kooperiert, die das Projekt ablehnt. Anfang 2013 hatte Piazolo kritisiert, dass die Staatsregierung mit falschen Zahlen operiere, und prognostizierte, "im schlechtesten Fall" würde der Tunnel "bis zu 3,9 Milliarden Euro" kosten. Inzwischen liegt die offizielle Marke bei 3,8 Milliarden. Damals hatte Piazolo verlangt, das Projekt Tunnelbau umzuwidmen zugunsten einer Ertüchtigung des gesamten Systems.

In Emmering hatte Piazolo aber keine Lust, den Prellbock zu geben. Nie habe er das Projekt prinzipiell abgelehnt wie die Grünen, sondern stets Bedenken wegen der Finanzierung geäußert. "Wir haben den zweiten Tunnel kritisch begleitet", fasste Piazolo seine Linie zusammen. Diese zweite Röhre sei aber von den vielen Varianten übrig geblieben. "Daran gibt es nichts zu rütteln, weil es nichts anderes gibt." Gleichwohl merkte er kritisch an, die Kapazität der Stammstrecke werde nur um drei S-Bahnen pro Stunde steigen. Um den Kosten-Nutzen-Faktor zu erhöhen, rechne die Staatsregierung nun Regionalzüge aus dem Allgäu ein, die durch die zweite Röhre fahren sollen.

Das ist interessant, weil Staatsregierung und Bahn AG es für unmöglich erklärt haben, dass in Bruck Regionalzüge an den 96 Zentimeter hohen Bahnsteigkanten für S-Bahnen halten. Obendrein wiederholte Piazolo eine Warnung, die man von den Grünen kennt: "Alle anderen Projekte werden kannibalisiert." Für S-Bahn-Projekte, etwa den S 4-Ausbau, bleibe kein Geld mehr. Der Flughafenexpress sei schon auf 2037 verschoben.

Auch wenn der Tunnelausbau mehr als vier Milliarden kosten sollte, sei das egal, weil der Bau einfach notwendig sei, beharrte Piazolos Fraktionskollege Nikolaus Kraus aus Ismaning, ein großer Fürsprecher der Röhre. Täglich würden über 400 000 Menschen an Ostbahnhof, Marienplatz und Hauptbahnhof landen und damit sei die Kapazität längst überschritten. Der Mammendorfer Bürgermeister Josef Heckl wandte ein, dass viele gezwungenermaßen dahin fahren, weil das Münchner S-Bahnsystem eben kein Netz ist. Viele würden in Pasing umsteigen, gäbe es einen Südring.

Man brauche eben nicht nur den Ausbau der S 4 und den zweiten Tunnel, sondern einen Nord- und einen Südring und obendrein einen Autobahn-Südring, sagte Bernd Heilmeier, der stellvertretende FW-Kreisvorsitzende. Anders könne man den Raum München als "Wachstumsmotor" nicht erschließen. Piazolo warnte vor einem "Wunschkonzert" und riet, Prioritäten zu setzen. Der Logik von Kraus mochte sich keiner entziehen. Er bezog sich auf die Wahlstatistik, die Schanderl vorgetragen hatte, und bilanzierte: "Wir brauchen die Stimmen in Oberbayern für den Erfolg, und da ist es schlecht, wenn wir uns in München nicht klar für den Tunnel aussprechen."

© SZ vom 26.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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