Einspruch:Wenn Müllvermeidung bestraft wird

Lesezeit: 2 min

Tanja Diechtierow an der Mülltonne, die für ihre Familie völlig ausreicht. (Foto: Günther Reger)

Germeringer Familie soll eine 60-Liter-Tonne anschaffen, die sie gar nicht braucht. Weil sie sich weigert, droht ihr der Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises ein Zwangsgeld an

Von Jamila Christians, Germering

Familie Diechtierow soll sich eine Mülltonne anschaffen, die sie gar nicht braucht. Die 40-Liter Restmülltonne entspricht nicht dem erforderlichen Mindestvolumen, das für eine vierköpfige Familie vorgesehen ist. Die Germeringer sollen auf eigene Kosten eine 60-Liter-Tonne anschaffen.

Dagegen haben sie schriftlich Einspruch eingelegt. Denn der in ihrem Haushalt anfallende Restmüll habe problemlos in der kleineren Tonne Platz, argumentieren sie. Sie kämen sogar mit einer noch geringeren Größe aus. Der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) des Landkreises beharrt darauf, dass die größere Tonne hermuss und droht der Familie sogar ein Zwangsgeld in Höhe von 50 Euro an, sollte sie dem nicht nachkommen.

Der ABW hatte bei einer Kontrolle festgestellt, dass die Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kinder eine kleinere als die vorgesehene Tonne verwendet. Die Germeringer Familie vermeidet konsequent Rest-und Verpackungsmüll. "Wieso wird man für vorbildliches Verhalten in Sachen Mülltrennung nicht belohnt, sondern bestraft?", fragt Tanja Diechtierow. Die Familie lebt nach dem Zero-Waste-, also Null-Müll-Prinzip: Sie vermeidet konsequent Rest- und Verpackungsmüll. Sie kompostieren selbst. Vieles verwenden die wieder oder verschenken es, nur das Notwendigste werfen sie weg. Sie kaufen kein verpacktes Gemüse und nutzen wiederverwendbare Stoffbeutel. Papiertaschentücher werden durch Stofftücher ersetzt, Wasch- und Putzmittel selbst hergestellt und Kosmetikprodukte wie Shampoo oder Duschgel nur in fester und unverpackter Form verwendet.

Dennoch zieht sich seit Januar die Auseinandersetzung zwischen der Familie und dem Abfallwirtschaftsbetrieb hin. Denn der AWB beharrt auf der Abfallwirtschaftssatzung. Pro Person werden darin 15 Liter an Müllvolumen für einen Zeitraum von 14 Tagen festgesetzt. Das Mindestvolumen berechnet die AWB anhand des Durchschnittsverbrauches aller Bürger im Landkreis. Die Satzung legt auch fest, dass die Familien die erforderlichen Tonnen selbst kaufen müssen. Das ist in einem Bescheid vom 1. Februar erklärt, in dem die Familie wegen der zu kleinen Tonne als "Zustandsstörer" bezeichnet wird.

Das sei ein Standardsatz, der in solchen Fällen immer verwendet werde, erklärt Sabine Schulz-Hammerl, Werkleiterin des AWB. Sie lobt grundsätzlich den Einsatz der Familie Müll zu vermeiden. Dennoch bestehe der AWB auf seiner Satzung. Diese gelte für alle Bewohner des Landkreises, sagt Schulz-Hammerl. Nicht jeder Haushalt könne von der AWB überprüft werden, ob tatsächlich so viel Müll anfalle, wie die Bürger behaupten. Schulz-Hammerl erklärt, man wolle keine Ausnahmen zulassen für Leute, die wenig Müll produzieren. Die Befürchtung ist, dass dann Leute eine kleine Tonne verwenden, um Gebühren zu sparen und ihren Müll dann in den Tonnen der Nachbarn oder in der freien Natur entsorgen. Solche Fälle illegaler Müllentsorgung gebe es immer wieder, sagt sie.

Auch sieht Schulz-Hammerl das vorgeschriebene Füllvolumen der im Landkreis angebotenen 40- und 60-Liter-Tonnen als relativ großzügig an. In München sei eine 80-Liter-Restmülltonne für jeden Haushalt Pflicht,unabhängig davon, ob es sich um einen Ein- oder einen Mehrpersonenhaushalt handle, sagt die Werkleiterin.

Die Begründung des AWB stellt die Familie nicht zufrieden, sie hat gegen den Bescheid vom Februar Widerspruch eingelegt. Ein neuer Bescheid vom 14. März legt nun fest, dass die Familie bis 17. April die 60-Liter-Tonne anschaffen muss, sonst wird das Zwangsgeld fällig. Für den Bescheid muss die Familie für Gebühren und Auslagen 3,45 Euro zahlen. Tanja Diechtierow ärgert sich nicht über die höheren Gebühren, sondern darüber, dass sie trotz ihres Einsatzes eine neue Tonne anschaffen muss. Sie wünsche sich aktive Zusammenarbeit von Einwohnern und AWB. Aktive Müllvermeidung leiste schließlich einen wesentlichen Beitrag zum Schutz von Umwelt und Natur. Eine neue Tonne haben die Diechtierows bisher nicht angeschafft.

© SZ vom 30.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: