Ein Begriff, der die Gemüter spaltet:Die Heimat im Wandel

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Einen Tusch bitte: Musikgruppen dürfen wieder gemeinsam proben, drinnen wie draußen. (Foto: Johannes Simon)

Die Kreiskulturtage beschäftigen sich mit einem aktuell viel und intensiv diskutierten Thema. Den Fragen, die aufgeworfen werden, stellen sich die Organisatoren jedoch nicht, sie bleiben unbeantwortet

Von Florian J. Haamann

Heimat. Kaum ein Begriff spaltet die Gemüter aktuell so stark wie der Begriff Heimat. Denn seit der Ankunft zahlreicher Flüchtlinge im Herbst 2015 ist er wieder ins Zentrum der Debatten gerückt, nachdem es längere Zeit eher ruhig um ihn war. Für die Konservativen, gerade in Bayern, ist die Heimat der Dreh- und Angelpunkt der Gesellschaft, die Rechten meinen, eine wie auch immer definierte Heimat gegen "Eindringlinge" schützen zu müssen. Viele Linke und Liberale stehen ihm eher skeptisch gegenüber, weil sie ihn für rückwärtsgewandt halten, und natürlich, weil er ein Kampfbegriff der Rechten ist, mit entsprechend belasteter Historie. Weil aktuell also so viel über Heimat diskutiert wird wie lange nicht mehr, vom Feuilleton bis zum Stammtisch, ist es keine Überraschung, dass er nun auch das Motto der diesjährigen Kreiskulturtage Fürstenfeldbruck ist.

Wohltuend ist erst einmal, dass das Thema mit "Heimat im Wandel - eine sommerliche Begegnung" neutral gehalten ist und dass CSU-Landrat Thomas Karmasin und die Grüne Kreiskulturreferentin Christian Claus in ihrem Vorwort des Programmheftes dieser Linie folgen. "Alles fließt, das war schon immer so", heißt es da feststellend mit Bezug auf den griechischen Philosophen Heraklit. Etwas Bedauern scheint dann im folgenden Satz mitzuschwingen: "Durch Globalisierung, Digitalisierung und zunehmende Mobilität fließt der Strom der Veränderung heute aber oft in rasender Geschwindigkeit". Diesen Wandel darzustellen, habe man sich nun mit den Kreiskulturtagen zur Aufgabe gemacht. Ein Blick ins Programm macht dann schnell klar, dass dieses hochgesteckte Ziel - nach den Themen und Veranstaltungen der vergangenen Kreiskulturtage ist man fast geneigt zu schreiben, wie zu erwarten - nur bedingt erreicht wird.

Bei einem Großteil der Einzelveranstaltungen in sich sowie beim Konzept als Ganzes. Allerdings gibt es auch ein paar positive, durchdachte und das Thema wirklich behandelnde Veranstaltungen. Da wäre etwa der Jexhof, der sich drei Teilaspekte herausgreift und sie an drei Abenden behandelt. Neben einem Konzert mit einer Band, die "Barrieren abbauen und Identitäten hinterfragen" möchte, sind es vor allem die Veranstaltungen zum Thema Essen und dessen Wandel und Heimatliteratur von aufklärerisch-progressiven Autoren, die echte Denkanstöße liefern könnten. Auch die Veranstaltung des Lese- und Theaterklubs "Turmgeflüster" ist als positives Beispiel zu nennen. Jugendliche aus der Region und minderjährige Geflüchtete haben aufgeschrieben, was Heimat für sie bedeutet. Diese Perspektiven gegenüber zu stellen und deutlich zu machen, ist zwar nicht neu, aber dennoch ein interessanter Ansatz.

Was, wie schon bei den Kulturtagen 2015 zum Thema "Perspektivwechsel" komplett fehlt, sind Veranstaltungen, die sich ganz konkret mit den angesprochenen Problemen beschäftigen. Etwa ein Gespräch darüber, wie sich der Landkreis als Heimatort für die Bewohner denn konkret verändert hat in den vergangenen Jahren, wie er sich weiter verändern wird.

Und so bleiben auch die aufgeworfenen Fragen offen und unbeantwortet. Wie wirkt sich die Globalisierung denn nun aus? Wie die Digitalisierung, die größere Mobilität? Wie definiert man den Begriff Heimat eigentlich, wie geht man damit um, dass er auch von den Rechten für sich beansprucht wird? Das gesetzte Thema ernsthaft zu verfolgen, wäre eine Aufgabe der Organisatoren gewesen. Gestellt haben sie sich ihr nicht.

© SZ vom 27.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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