Eichenau/Biburg:Klatschmohn aus Eisen

Lesezeit: 2 min

Prächtige Blüten auf Porzellan: Monika Seltner in ihrem Biburger Atelier (Foto: Günther Reger)

Monika Seltner hat einst in der Meißener Porzellanmanufaktur gelernt. Heute bemalt sie Tassen, Teller und Vasen nur noch für sich selbst oder als Auftragsarbeit

Von Anna Landefeld-Haamann, Eichenau/Biburg

Es ist ein besonderes Handwerk, das Monika Seltner vor fast 50 Jahren von Meißen mit nach Eichenau gebracht hat: die Porzellanmalerei. Das München der Sechzigerjahre rief jedoch ein Unbehagen in der damals 20-Jährigen hervor, weil es so vollkommen anders war als ihre beschauliche Heimat an der Elbe. "Ich tat mir schwer, mich an die betonierten Straßen und Plätze, die modernen, funktionalen, aber zugleich sehr seelenlosen Bauten zu gewöhnen. Und weigere mich bis heute", erzählt Seltner. Vielleicht sind dies auch die Gründe, weshalb sie sich ihr Atelier im Allinger Ortsteil Biburg eingerichtet hat. Mit seinen Bauernhöfen, den Feldern, der schmalen Straße nach Bruck, auf der in unregelmäßigen Abständen ein Auto vorbeifährt, und mit seiner Nähe zur Amper und dem Ammersee, die Seltner immer wieder als Motive dienen. Doch in der Zeit, als sie das sozialistische Regime mit einer S-Bahn nach West-Berlin verließ, da seien auch bislang unbekannte Gefühle in ihr aufgekeimt: frei und unabhängig zu sein. Bis zum heutigen Tage spiegelt sich diese Sehnsucht nach Ferne und Natur auch in der Malerei Seltners wieder. An diesem Sonntag feiert die Künstlerin ihren 75. Geburtstag.

Doch Malerei, das ist für Seltner nicht nur ein Gefühl oder eine harmonische Komposition, die man intuitiv darzustellen versucht. "Malerei, "das ist zunächst einmal bloßes Handwerk. Licht, Schatten, Perspektive und Farbspiel sind essenziell für jede Art von Malerei." Gelernt hat sie diese über vier Jahre an der Meißener Porzellanmanufaktur. Doch gleich Tassen oder Vasen zu bemalen, daran war in den ersten beiden Jahren nicht zu denken. In dieser Zeit zeichnete und malte sie Blüten, ausgestopfte Tiere oder auch Akte ab - sie lernte, nicht nur zu sehen, sondern zu beobachten. "Das Wesentliche einer Sache muss immer genau erfasst werden", erzählt Seltner. Gleich ob es sich dabei um die barocken Stuckverzierungen der Klosterkirche Fürstenfeld, die Salzkristalle auf einer Breze oder die Staubfäden einer Blüte handle. Gerade arbeitet Seltner an einem Teller mit Blütenmotiven, die der Porzellanmalerei der 1880er-Jahre nachempfunden sind. Für das Rot des Klatschmohns mischt sie auf einer kleinen Glasplatte oxidiertes und pulverisiertes Eisen mit einer öligen Flüssigkeit. Zu den ätherischen Dämpfen aus Lavendel und Eukalyptus mischt sich der beißende Geruch des Terpentins. Es lässt die Farben auf dem Porzellan später schneller trocknen. Sie taucht eine Stahlfeder in die Farbe, die je nach Zugabe von Eisenoxid oder Terpentinöl kräftiger oder schwächer wird. Mit der Feder zieht sie den Umriss eines Blütenkelchs. Knapp zwei Tage muss dieser trocknen, bis Seltner ihn mit einem Pinsel aus Fehhaar, dem grauen Winterfell des sibirischen Eichhörnchens, ausmalen kann. Farbschicht für Farbschicht erhält die Blüte so ihre Plastizität - bis Seltner zufrieden ist, dauert es manchmal Wochen.

Doch Porzellan bemalt sie nur noch für sich selbst oder als Auftragsarbeit. Momentan beschäftigt sie sich mit der niederländischen Ölmalerei des 17. Jahrhunderts, das auch als "Goldenes Zeitalter" bezeichnet wird und in dem religiöse Motive von neuen Bildthemen abgelöst wurden. Für ihre Stillleben, Landschafts-, Architekturmalereien und Portraits trugen die damaligen Meister bis zu 15 Farbschichten auf. "Ein Jammer", sagt Seltner, "dass sie schon seit 300 Jahren tot sind. Ich hätte sie gerne nach ihren Techniken gefragt."

Zweimal wöchentlich bekommt Seltner Besuch von ihren Schülern. Gemalt wird jedoch nicht nur in Seltners Atelier, sondern auch in der Natur - und auf Reisen: in Südfrankreich, am Gardasee, in der Wachau. Dabei versucht sie ihren Schülern all das beizubringen, was sie selbst damals in der Meißner Manufaktur gelernt habe: Dass alles seine eigene Stimmung und Schönheit hat, Unwesentliches wegzulassen, zu reduzieren, zu abstrahieren, um das Charakteristische stärker hervorzuheben und die orts- und objektspezifische Atmosphäre einzufangen. So wie das Zirpen der Zikaden, das gelbliche Grün der Zypressen oder das bläuliche der Olivenbäume in der Toskana. Dort findet sie neue Motive und spürt das, wonach sie sich sehnt: Freiheit.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: