Ebersberg/Fürstenfeldbruck:Ungeliebte Ausgleichsflächen

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Landrat von Ebersberg kritisiert Praxis, die Wohnungsbau bremse

Von Isabel Meixner, Ebersberg/Fürstenfeldbruck

Robert Niedergesäß (CSU), Landrat von Ebersberg, greift eine Debatte auf, die in der ganzen Region München von Bedeutung ist - und ganz besonders im dicht besiedelten Landkreis Fürstenfeldbruck: Niedergesäß stellt die Praxis infrage, Ausgleichsflächen für Baugebiete ausweisen zu müssen. Bei den Bautätigkeiten, die auf die Landkreise rund um die Landeshauptstadt in den nächsten Jahren zukomme, sei diese Forderung schwer zu halten. Auch das Credo, in den Orten erst den Innenbereich nachzuverdichten, ehe im Außenbereich Bauland ausgewiesen wird, sprach Niedergesäß auf einer Podiumsdiskussion des Planungsverbands Äußerer Wirtschaftsraum zum Thema Wohnungsbau und Arbeitsmarkt kritisch an.

Die sogenannten Ausgleichsflächen sollen dauerhaft erhalten und gepflegt werden und somit die Flächenversiegelung an anderer Stelle kompensieren. Niedergesäß nannte das 300 000 Quadratmeter große Gewerbegebiet in Parsdorf als Beispiel: "Derartige Ausgleichsflächen kriege ich so nicht mehr her." Zumal zu keinem erschwinglichen Preis: Zahlte man früher fünf bis sechs Euro pro Quadratmeter, würden inzwischen mindestens 25 Euro fällig.

Auch die Vorschrift, neue Bauflächen an die Orte anbinden zu müssen, stand in der Kritik. Dieses Anbindungsgebot soll verhindern, dass die Landschaft zersiedelt wird. Dadurch würde aber eine stärkere interkommunale Zusammenarbeit erschwert, etwa bei der Planung von gemeinsamen Gewerbegebieten, sagte Peter Kammerer, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern. Er vermisse im Landesentwicklungsprogramm einen Plan für den Großraum München, stattdessen konzentrierten sich die Politiker auf bevölkerungsschwächere Regionen etwa in Nordbayern. Doch nicht nur rechtliche Rahmenbedingungen erschweren den Bau neuer Wohnungen. Viele Orte im Münchner Umland wollen überhaupt nicht wachsen oder nur in Maßen. Und weil es in der Planungshoheit der Kommunen liegt, Baugebiete auszuweisen, sind Landkreisen und dem Freistaat bei dem Thema die Hände gebunden.

Eine weitere Herausforderung kommt auf Städte und Gemeinden zu, wie die demokratisch gewählten Lokalpolitiker bei der Podiumsdiskussion deutlich machten: die Bürger. Robert Niedergesäß nannte Poing als Beispiel. Dessen Bevölkerungszahl

hat sich seit 1990 auf heute 15 000 Bürger verdoppelt. Dort hat sich die Gemeinde schon vor mehr als 20 Jahren die heutigen Baugebiete gesichert und die entsprechenden Bebauungspläne geändert - ohne große Bürgerproteste. "So etwas wäre heute nicht mehr möglich", vermutet Niedergesäß. Er kritisierte in dem Zusammenhang auch das Verhalten von Behörden: "Öffentliche Stellungnahmen drehen sich bei Bürgerprotesten teils um 180 Grad." Was vorher zwischen Amt und Planer besprochen wurde, sei plötzlich nichts mehr wert. "Wir brauchen da die Unterstützung von oben", so der Landrat.

Stadtdirektor Stephan Reiß-Schmidt vom Münchner Planungsreferat sprach sich dafür aus, dass Bebauungspläne künftig schneller verabschiedet werden können. Mit Stellungnahmen und Bürgerbeteiligung zögen sich die entsprechenden Verfahren oft über Monate, wenn nicht Jahre hin - und das in einer Zeit, in der jedes Jahr mehr als 25 000 Menschen in den Großraum ziehen und nur etwa 10 000 Wohnungen geschaffen werden. Bei aller Notwendigkeit, Wohnraum zu schaffen, mahnte Stephan Reiß-Schmidt gleichwohl an, für die Zukunft auch genügend Gewerbeflächen vorzuhalten. Hier ist aus seiner Sicht eine engere Zusammenarbeit zwischen Land und Stadt gefordert. Denn hätten Betriebe irgendwann keine Möglichkeit mehr für erforderliche Erweiterungen, dann wanderten sie ab - und mit ihnen die Arbeitsplätze, die München und die Region so attraktiv machen.

© SZ vom 08.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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