Diskussion um Parkgebühren:Eine Frage der Gerechtigkeit

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Bisher werden die Gebühren am Pucher Meer noch von Menschen kassiert. Diese werden nun durch Ticketautomaten ersetzt. (Foto: Günther Reger)

Am Pucher Meer werden Parkscheinautomaten aufgestellt. Müsste es die nicht auch vor dem Veranstaltungsforum geben?

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Über Gerechtigkeit und den Ausgleich zwischen Arm und Reich haben sich zahllose Philosophen schon die Köpfe zerbrochen. Hunderte von dicken Schinken widmen sich auf Hunderten Seiten diesem umfassenden Thema der Menschheit. Im Liegestuhl am Ufer des Pucher Meers könnte man sich dieser Lektüre in aller Muße hingeben - sofern man seine Parkgebühren ordnungsgemäß entrichtet hat und deshalb keine Angst vor Politessen haben muss.

Gerechtigkeit. Um nichts weniger geht es jüngst im Stadtrat. Gerechtigkeit am Pucher Meer und Gerechtigkeit am Veranstaltungsforum Fürstenfeld. Da ist sie wieder, die Umverteilungsfrage. Und da ist selbstverständlich wieder Axel Lämmle (SPD), der sich wortgewaltig und mit sozialdemokratischem Habitus über die Absenz jener Gerechtigkeit echauffiert. Eigentlich soll es ja an jenem Abend lediglich darum gehen, ob das kleine Kassenhäuschen am Erholungsgebiet Pucher Meer durch drei Parkscheinautomaten ersetzt werden soll oder nicht. Personal könnte dadurch eingespart werden. Und auch unter der Woche, an regnerischen Tagen oder im Winter, könnten Parkgebühren verlangt werden. Die sind dem Vorschlag der Verwaltung zufolge moderat: Die Tagespauschale von 8 bis 18 Uhr soll vom 1. Mai bis zum 30. September zwei Euro betragen und vom 1. Oktober bis 30. April einen Euro. Für Wohnmobile sind 24-Stunden-Tickets zum Preis von fünf Euro geplant. Die entsprechende Parkverordnung soll zum Juni in Kraft treten. Angesichts von jährlich bis zu 11 000 Euro Personalkosten, die den wetterabhängig 20 000 bis 40 000 Euro Einnahmen gegenüber stehen, sollen die Automaten ihre Anschaffungskosten in etwa drei Jahren wieder einspielen.

Bevor es ums Einspielen geht, geht es aber um besagte Gerechtigkeit. Lämmle klagt darüber, dass ausgerechnet einer der wenigen Freizeitparkplätze, der von vielen Familien angesteuert wird, etwas kosten soll. Nicht alle Kinder können schon mit dem Fahrrad kommen. Lämmle hat selbst zwei kleine Töchter. Fahrradfahren? "Meine Alte kann's schon ganz gut." Das sorgt für Lacher. Lämmle stellt klar, dass mit "die Alte" natürlich die ältere Tochter gemeint war. Menschen, so Lämmle weiter, die sich mit dem Ticketverkauf ein Zubrot verdienen, durch Maschinen zu ersetzen, sei nicht okay. Vor allem aber: Müsste man nicht zumindest konsequenterweise endlich auch Parkgebühren vor dem Kloster verlangen? Schließlich sei es gar nicht einzusehen, dass die eher wohlhabende Klientel, die sich dort dem Kulturgenuss hingibt, weiter ungeschoren davonkommen soll. Und überhaupt: Lämmle bekennt sich zum Hobby Motorradfahren. Aber weil auch diese Klientel als eher betucht gilt, soll auch sie am Pucher Meer bezahlen- eine Forderung, die von Grünen-Stadträtin Alexa Zierl ausdrücklich unterstützt wird.

Wenn es Reflexe im Stadtrat gibt, dann beim Thema Parkgebühr vorm Kloster. Da liegen sofort die Nerven blank bei Klaus Wollenberg von der FDP. Lämmle, so sagt er, bausche das auf "der Neidschiene" mal wieder zum Kampf Arm gegen Reich auf. Lämmle übersehe, dass ein Teil der Parkplätze vor dem Kloster nicht der Stadt gehöre. Polizeischule und Gastronomie könnten Ansprüche geltend machen. Würden Parkgebühren verlangt, laufe die Stadt zudem Gefahr, Nachzahlungen an den einstigen Grundbesitzer der Fläche, den Wittelsbacher Ausgleichsfonds, leisten zu müssen. Fürstenfeld-Chef Norbert Leinweber pflichtet Wollenberg bei, sei das kostenlose Parken doch ein gewichtiger, gar "existenzieller" Standortfaktor. Und auch Besucher von Kulturwerkstatt, Kirche, Museum oder Bauernmarkt seien von Parkgebühren betroffen und mitnichten nur Leute, die hochpreisige Konzerte oder Firmenevents besuchen. Warum aber, so fragt sich wiederum CSU-Fraktionschef Andreas Lohde, sei das Parken auf dem großen Fürstenfeld-Parkplatz gratis, hinten am Klosterstüberl hingegen kostenpflichtig?

Es geht hin und her. Dritte Bürgermeisterin Karin Geißler (Grüne) deutet an, dass das Thema Fürstenfeld im Zuge der Debatte über ein Parkraumkonzept fürs gesamte Stadtgebiet möglicherweise noch auf den Tisch kommt. Jenes Konzept hat auch Gabriele Fröhlich (SPD) im Auge, die die Regelungen fürs Pucher Meer für unausgegoren hält. Andreas Ströhle (Piraten) würde die Gebühren am Pucher Meer am liebsten im Sommer auf einen Euro senken und im Winter darauf verzichten. Ein Antrag von Ulrich Schmetz (SPD), dieses Jahr erst mal alles beim Alten zu lassen, wird mit 17 gegen 19 Stimmen abgelehnt. So überstimmen letztlich 22 Stadträte 14 ihrer Kollegen und beschließen das Gebührenkonzept am Pucher Meer, das für Autos und Motorräder gleichermaßen gilt und für das nun möglichst schnell die Automaten bestellt werden sollen.

Gerecht oder nicht gerecht - wie auch immer: theoretisch wäre das geklärt. Dennoch bleibt eine Frage offen, an der schon große Denker gescheitert sind: Auch Kommunismus oder Sozialismus sind in der Theorie vorzüglich. Honecker, Mao oder Castro haben sich aber dann bei der Umsetzung in die Realität die Zähne am Wesen des Menschen ausgebissen. Wenn motorisierte Besucher des Pucher Meers künftig Parkzettel von den Motorrädern pflücken und sie sich hinter die eigene Autoscheibe legen - ist das dann gerecht? Aber vielleicht ist das ja zu viel nüchterner Realismus.

© SZ vom 20.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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