Der Strippenzieher:Zwischen Bruck und Brüssel

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Reinhold Bocklet kennt den Kreistag ebenso gut wie das Europäische Parlament. Im Landtag ist er Erster Vizepräsident, doch zur Wahl im Oktober tritt der 75 Jahre alte CSU-Politiker aus Gröbenzell nicht mehr an

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Mit dem Ausscheiden von Reinhold Bocklet aus dem Landtag endet nach 39 Jahren mehr als eine lange, ungewöhnliche Karriere eines Berufspolitikers. Für die Landkreis-CSU ist das das Ende einer Ära. Nach einer Reihe guter Jahre steht sie vor einer Zäsur. Nach der Bundestagsabgeordneten Gerda Hasselfeldt tritt mit dem Gröbenzeller Bocklet der letzte CSU-Grande eines gut vernetzten Zirkels von Politikern ab, die als ehemalige Minister im Bund und Freistaat hohe Ämter innehatten und damit der Landkreis-CSU Glanz, Gewicht und Einfluss verliehen.

Politiker wie Bocklet perfektionierten den Machterhalt und prägten deshalb für eine Generation Stil und Gesicht ihrer Partei im Landkreis. Was lange als selbstverständlich erschien, die jahrzehntelange Kontinuität einer selbstbewussten CSU, die im westlichen Umland von München mit dem Anspruch auftrat, die dominierende Kraft zu sein, ist es plötzlich nicht mehr. Einflussreiche Politiker aus dem Landkreis haben nun nicht mehr ein Wort auf allen politischen Ebenen vom Kreistag über das Land und den Bund bis in die EU mitzureden. Deren Nachfolger müssen sich erst noch bewähren. Sie werden es schwer haben, mit ihren Vorgängern mitzuhalten.

Der Generationswechsel fällt mit der größten Krise der CSU zusammen. Da der 75 Jahre alte Bocklet seit Jahrzehnten auch im Parteivorstand sitzt, erlebte und gestaltete er die Höhen und Tiefen seiner Partei mit. Als loyaler Parteisoldat äußerte er sich im Gegensatz zu anderen nie öffentlich kritisch über seine Partei, die ihm die Möglichkeit bot, immer noch in einer höheren Liga als dem Landtag zu agieren. Da er von 1979 bis 1993 dem Europäischen Parlament angehörte, hat er neben seiner Verwurzelung im Stimmkreis auch eine europäische Wurzel.

Die aktuellen Zuspitzungen der politischen Situation in Bayern, im Bund, in Europa und in der Weltpolitik sind der Grund, weshalb der Jurist, der vor seinem Einzug ins Europaparlament in der Staatskanzlei arbeitete, es inzwischen fast schon wieder bereut, nach 24 Jahren nicht noch ein weiteres Mal wenigstens auf der Liste für den Landtag kandidiert zu haben. Er spricht vom Zwiespalt, ob es richtig war aufzuhören. Daher gehe er mit einem "weinenden Auge". Die Selbstverständlichkeit, mit der er über die allgemeine politische Krise spricht, endet, wenn es um die der CSU geht. Eine Aussage zur umstrittenen Rolle von Horst Seehofer in der Berliner Koalition lässt er sich nicht entlocken. Die Lust weiterzumachen, hat damit zu tun, dass es gelte, das, was man in Bayern aufgebaut habe, zu verteidigen und nicht infrage zu stellen. Zu verteidigen sei das Land gegen jede Art von Rechtsradikalismus, zudem das freiheitliche Leben auf einer sozialen Grundlage und die Bemühungen um den sozialen Ausgleich. Alles Dinge, die Bocklet mit seiner CSU verbindet. Über diese Werte spricht er mit einer Leidenschaft, die bei seinen öffentlichen Auftritten viel zu selten anklang. Gefährdet sieht der Landtagsvizepräsident das instabil gewordene politische System der Nachkriegs- und der Nachwendezeit vor allem durch Radikalismus und Nationalismus.

SZ-Grafik (Foto: N/A)

Als Ruheständler will der Gröbenzeller nicht nur viel reisen und seinen Garten genießen, sondern auch als wissenschaftlicher Autor, der erst kürzlich Beiträge für das Staatslexikon verfasste, seine politischen Themen weiter beackern. Das spitzbübische Lächeln, das diesen Hinweis begleitet, signalisiert, wie sehr er sich darauf freut weiterzumachen. Als versierter Techniker der Macht versuchte er im politischen Kampf vor allem mit Argumenten zu überzeugen oder, wenn es nicht anders ging, Probleme auszuhalten und als absolut loyaler CSU-Anhänger auszusitzen.

Diese Loyalität forderte er in den zehn Jahren seiner Zeit als Kreisvorsitzender von allen ein, die in der Landkreis-CSU etwas werden wollten. Ebenso wie seine Vorgängerin Hasselfeldt als Kreisvorsitzende disziplinierte er die Partei. Sie wurde stromlinienförmiger. "Früher gab es enorme Grabenkämpfe und Zwistigkeiten", sagt er. Diese ständigen Hakeleien sind vorbei. Dafür gibt es in der Landkreis-CSU auch nicht mehr den lebendigen politischen Diskurs früherer Zeiten, der zu vielen Anträgen auf Parteitagen führte.

Und der Landkreis hat sich in den 24 Jahren, in denen der Gröbenzeller zuerst über die Liste- und dann als Stimmkreisabgeordneter im Landtag saß, nicht nur wirtschaftlich enorm entwickelt. Er wurde städtischer, dem Bocklet mit dem Vorstoß, Olching und Puchheim zu Städten zu erheben, Rechnung trug. "Das Erstaunlichste, was ich gemacht habe, sieht man nicht." Mit diesen Worten erinnert er an den Versuch, das Militärflugfeld in Fürstenfeldbruck in einen Zivilflugplatz mit mindestens 40000 Starts und Landungen im Jahr umzuwandeln. Bocklet sah sich mit dem Widerspruch konfrontiert, einerseits einer Staatsregierung anzugehören, die einen Zivilflugplatz befürwortete, und andererseits die Abwehr im Landkreis voranzubringen. Dazu gehört Chuzpe. Durch die von ihm eingefädelte Lösung fühlt er sich bestätigt. Der Politiker trieb die Ansiedlung des BMW-Fahrsicherheitszentrums auf dem Flugfeld voran, womit ein langjähriger Streit beendet war.

© SZ vom 22.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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