Der Pflegeberuf:Hohe Belastung, schlechte Bezahlung

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Am Internationalen Tag der Pflege wollen Seniorenheim-Leiter aus dem Landkreis ihre personelle Misere ins Bewusstsein bringen: Es mangelt an Fachkräften und der Nachwuchs fehlt fast völlig

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Thomas Behr fasst die ganze Misere in der Altenpflege in zweisimplen Sätzen zusammen: "Wir haben einen steigenden Anteil pflegebedürftiger Menschen. Gleichzeitig ist die Zahl der Auszubildenden rückläufig." Behr ist Geschäftsführer des Pflegeheims Haus Elisabeth in Puchheim und des Laurentiushauses in Olching, die von der Diakonie betrieben werden. Als Mitglied einer Expertenkommission der Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienste und Wohlfahrtspflege weiß Behr, dass es mittlerweile deutschlandweit und somit auch in wohl allen 16 Pflegeeinrichtungen im gesamten Landkreis so gut wie unmöglich geworden ist, neue Kranken- oder Altenpfleger einzustellen. Und zum Pflegenotstand trägt noch ein weiterer Umstand ganz wesentlich bei, betont Kathi Probst, die Seniorenfachberaterin des Landkreises: "Die Schultern, auf die die Pflege im familiären Kreis verteilt werden können, werden heute immer weniger."

Am Nachwuchsmangel in Pflegeberufen hat bisher keine Kampagne der Bundesregierung und auch nicht der internationale Tag der Pflege, an dem, wie an diesem Donnerstag, das Bewusstsein für Pflegeberufe geweckt werden soll, viel geändert. Momentan sind 1888 Pflegeheimplätze im Landkreis vergeben. "Das ist eine Belegung von 91 Prozent", sagt Kathi Probst. Eine Zeit lang habe die Quote wegen des fehlenden Personals sogar noch darunter gelegen. Auch Armin Seefried, Geschäftsführer des Brucker Alten- und Pflegeheims Theresianum, berichtet von Schwierigkeiten, Personal zu gewinnen. Für 2016 konnten im Theresianum zwar alle Ausbildungsplätze besetzt werden, aber Seefried beeilt sich hinterherzuschieben: "Das ist eine Momentaufnahme. In einem Monat kann das schon wieder ganz anders aussehen." 2015 etwa habe man nur zwei der sechs Plätze vergeben können.

Warum sich so wenige junge Menschen für diesen Beruf entscheiden, erklärt sich Seefried nicht nur mit Berührungsängsten, sondern unter anderem auch mit der geringen Attraktivität des Schicht-, Wochenend- und Feiertagsdienstes. Behr führt außerdem die schlechte Bezahlung und die hohe Belastung durch die Arbeit in einem Bereich, in dem man viel mit dem Sterben und auch mit Leid konfrontiert ist, ins Feld. "Es ist in der Vergangenheit regelrecht verschlafen worden, den Beruf attraktiver zu gestalten", sagt der Geschäftsführer. Das habe schon bei der Ausbildung angefangen, zu der der Nachwuchs einen großen Teil der Kosten selbst zuschießen musste.

Dass die Arbeitsbelastung in diesem Beruf besonders hoch ist, davon zeugen bis zu einem gewissen Grad auch die von Behr genannten rund 30 000 Pfleger in Deutschland, die aufgrund gesundheitlicher Beschwerden wie Rückenleiden momentan nicht in ihrem Beruf arbeiten können. Auch in der ambulanten Pflege ist die Situation nicht besser. "Momentan ist es eine mittlere Katastrophe", sagt Renate Hillreiner, die sich beim Pflegedienst Cordi esse in Gernlinden um die Buchhaltung und das Personal kümmert. Wenn Kollegen, etwa wegen einer Schwangerschaft, längere Zeit ausfallen, sei es trotz aller Bemühungen kaum möglich, Ersatz zu finden.

Auch im Landkreis setzen viele Pflegeeinrichtungen deshalb auf Fachkräfte aus dem Ausland. Im Haus Elisabeth und im Lauretiushaus seien im Moment alle zehn Auszubildenden aus dem Ausland.

Schlechte Erfahrungen habe man mit ihnen nicht gemacht, ganz im Gegenteil, sagt Behr. Die Grundhaltung zu ihrer Arbeit, dem Helfen-Wollen und den Menschen sei sehr positiv. Was mögliche Sprachbarrieren angeht, betonen Behr, Seefried und Katharina Hillreiner, die Leiterin von Cordi esse, dass ausländische Kollegen, um ihre Ausbildung in Deutschland anerkennen zu lassen, verpflichtend den Sprachnachweis mit einem Niveau von mindestens B2 vorlegen müssen. Sie persönlich hätten in dieser Hinsicht immer gute Erfahrungen gemacht. Seefried und Behr hoffen, dass sich in Zukunft vielleicht auch einige fähige Asylbewerber finden lassen könnten, die an dem Beruf Interesse haben. Was die ausländischen Mitarbeiter angehe, habe es übrigens auch noch nie Beschwerden der Senioren gegeben, betonen alle drei. "Das Herz muss am rechten Fleck sein und die Pflege gut, wo der Mitarbeiter herkommt spielt dann keine Rolle", findet Katharina Hillreiner.

© SZ vom 12.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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