Der evangelische Pfarrer Niclas Willam-Singer:Geläuterter Tunichtgut

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Pfarrer Niclas William-Singer. (Foto: Günther Reger)

"Eigentlich wollte ich kein Pfarrer werden, sondern Künstler."

Von Lena von Holt

5Als Pfarrer Niclas Willam-Singer sich entschied, Pfarrer zu werden, wusste er nicht, was er mit seinem Leben anfangen sollte. "Eigentlich wollte ich kein Pfarrer werden, sondern Künstler", erzählt der 59-Jährige. Sein Kunstlehrer hatte zwar sein Können erkannt, glaubte aber nicht an sein Durchhaltevermögen. "Danach hing ich erst einmal in der Luft", erinnert sich Willam-Singer, der seit zehn Jahren Pfarrer der Erlöserkirche Fürstenfeldbruck. Bei einem Gottesdienst in Frankreich wurde ihm von einem auf den anderen Moment klar: "Das muss ich machen." Als Pfarrer sieht er sich selbst als "christliche Eier legende Wollmilchsau": Er tauft, traut, spricht mit Menschen, die ihn brauchen und besucht Alte und Kranke. Neben dem "Verkünder des Wortes Gottes" ist er auch "Facility Manager". So hat er zum Beispiel den Umbau des Pfarramtes und der Erlöserkirche organisiert. Böse Zungen würden sogar behaupten, er hätte von Bau und Handwerk mehr Ahnung als von der Bibel.

Menschen dabei zu helfen, mit dem Leben besser zurecht zu kommen und auf die Hilfe Gottes zu vertrauen - darin sieht er eine wichtige Aufgabe seines Amtes. Donnerstagmorgens sitzt der Pfarrer nicht in seinem Büro, sondern geht auf den Fürstenfeldbrucker Wochenmarkt. Die Leute könnten ihn überall ansprechen. Er will für sie da sein, wenn sie Hilfe brauchen. Genauso will er ihnen aber auch sagen, was sie falsch machen. Zum Beispiel der Zwölfliterwagen, der die Umwelt verpestet.

"Ich war ein jugendlicher Tunichtgut", sagt er von sich selbst. Noch bevor er volljährig wurde, hatte er eine "versoffene und verkiffte Leber". Heute sieht er seinen Sinn in Gott, den er oft neben sich spürt. Trotzdem kommt ihm seine Vergangenheit zugute: "Ich weiß, wovon ich rede", sagt Willam-Singer, der dadurch einen guten Zugang zu seinen Konfirmanden hat. Die Menschen haben heute zu wenig Zeit für sich selbst, findet der Pfarrer. Nur wer diese hat, könne Gott in sein Leben lassen. Deshalb sei er auch ein Gegner vom verkaufsoffenen Sonntag. "Am siebten Tag sollst du ruhen", zitiert er die Schöpfungsgeschichte. Am Ostersonntag seien die Geschäfte zum Glück geschlossen. Da Jesus an diesem Tag durch den Tod gegangen ist, sei dies für ihn der wichtigste Moment an Ostern. Eine Zeit, an dem man sich all das noch einmal ins Gedächtnis rufen sollte.

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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