Dauerbrenner:Zankapfel Innenstadt

Lesezeit: 3 min

Darüber, wie sich das Zentrum der Stadt Germering entwickeln soll, wird schon ziemlich lange gesprochenund auch gestritten. Der Umbau des Kleinen Stachus stellt zumindest ein erstes Ergebnis dar

Von Andreas Ostermeier, Germering

In Germering soll zusammenwachsen, was zusammengehört. Das ist nicht einfach, wie die Diskussion über die Entwicklung der Innenstadt zeigt. Denn das Stadtzentrum ist entstanden als Nahtstelle zwischen den beiden ehemaligen Dörfern Germering und Unterpfaffenhofen. Aus dieser Nahtstelle soll ein richtiges Zentrum werden, mit besseren Einkaufsmöglichkeiten, mehr Wohnungen und höheren Häusern. Architekten und Stadträte sprechen von städtischen Räumen und von Urbanisierung. Doch es gibt auch Skeptiker. Ihnen geht der Wachstumsprozess Germerings zu schnell, und so richtig städtisch wollen sie es gar nicht haben. Das Thema Innenstadt ist ein Germeringer Dauerbrenner, spätestens seit Anfang der Neunzigerjahre mit dem Bau der Stadthalle und der Bibliothek der erste Schritt zur bewussten Gestaltung eines Zentrums getan wurde.

Die Stadt Germering ist nicht von innen nach außen, aus einem Zentrum heraus entstanden, sondern von den Rändern her. Das Dorf Germering bildete sich an der Straße nach Augsburg um die Kirche Sankt Martin herum, Unterpfaffenhofen um die Kirche Sankt Jakob. Die heutige Mitte war früher eine freie Fläche zwischen diesen beiden Dörfern. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Bahnlinie von Pasing nach Herrsching gebaut. Auf der Fläche zwischen den beiden Dörfern entstand der Bahnhof. In den Dreißigerjahren wurde am Kreuzlinger Forst die Wifo-Siedlung errichtet, in der Arbeiter und Angestellte wohnten, die im Tanklager tätig waren. Diese vier Areale waren die Siedlungsschwerpunkte, ehe der Zuzug nach dem Zweiten Weltkrieg Germering groß werden ließ. Flüchtlinge suchten ein Zuhause, die vielen neuen Firmen in München machten die Landeshauptstadt und ihr Umland interessant.

1950 hatten Germering und Unterpfaffenhofen zusammen etwa 6500 Einwohner, elf Jahre später waren es schon mehr als 11 000, und bei der Zusammenlegung der beiden Gemeinden im Jahr 1978 wurden knapp 34 000 Germeringer gezählt. In diesen Jahren wuchs die Gemeinde mit Harthaus und Neugermering bis an den Stadtrand von München heran. Auch die für das Stadtbild charakteristischen Hochhäuser an der Spange stammen aus den Wachstumsjahren. Sie haben Gerhard Polt zu der Wortschöpfung von der "Germeringisierung" angeregt, mit der er die Entwicklung mehrerer Vororte von München bezeichnet hat.

Polts Ausdruck bezeichnet etwas Wucherndes, einen Verdichtungsprozess, der nicht von Planung geprägt erscheint. Das wollen die Germeringer Lokalpolitiker für die Zukunft verhindern. Zwar registrieren sie den Zuzug, der seit ein paar Jahren wieder zugenommen hat, doch sie möchten ihn in Bahnen lenken. Dazu dienen die Diskussionen, Workshops sowie die Wettbewerbe, die die Stadt veranstaltet hat. Im Jahr 2008 ist nämlich der Versuch gescheitert, die Stadtmitte durch Gebäude auf dem Therese-Giehse-Platz zu vollenden. Das Geld ging aus und die Zustimmung in der Bevölkerung fehlte. In einem Entscheid sprach sich die Mehrheit der Germeringer gegen Planungen für einen Hotelturm und andere Bauten aus.

Bei der Umgestaltung des Kleinen Stachus waren viele unterschiedliche Interessen zu beachten. (Foto: Günther Reger)

Weil die Entwicklung abgebrochen worden ist, empfinden Stadträte die Innenstadt als Torso - und sie möchten dies ändern. Der Masterplan für das Zentrum von Germering, den die beiden Planerinnen Martina Schneider und Manuela Skorka ausgearbeitet hat, bezieht sich allerdings nicht nur auf das Gelände rund um die Stadthalle. Auch Bereiche wie der Vorplatz des Bahnhofs und das Areal bis hin zur Landsberger Straße sind von den Stadtplanerinnen ins Auge gefasst worden. Und seit vergangenem Herbst gibt es einen ersten Erfolg: Nach jahrzehntelangen Diskussionen ist der Kleine Stachus endlich umgestaltet worden. Zwar treffen dort immer noch fünf Straßen aufeinander, doch die Bereiche für Passanten sind erweitert worden. Sitzbänke, ein Brunnen und ein Café sollen Einwohner und Besucher der Stadt dazu bringen, sich an dem Platz aufzuhalten.

Die Gestaltung des Kleinen Stachus hat den weiteren Veränderungswünschen Auftrieb gegeben. Doch einer schnellen Umsetzung stehen Hindernisse entgegen. So decken sich die Vorstellungen der Stadt nicht mit denen des Investors für das Areal nördlich des Bahnhofs. Die Entwürfe von Architekten zu diesem Bereich sollen überarbeitet werden. Ähnliches gilt für das Umfeld der Stadthalle. Vor allem Größe und Nutzung eines Gebäudes an der Ecke Landsberger-/Untere Bahnhofstraße ist umstritten. Die Befürworter eines Hotels an dieser Stelle sind mit einem großen Haus einverstanden, schließlich braucht ein Beherbergungsbetrieb eine gewisse Anzahl von Betten, um wirtschaftlich zu sein. Überdies möchten sie erreichen, dass das neue Gebäude ein markantes Zeichen für die Innenstadt darstellt. Die Gegner eines Hotels erinnern dagegen an den Bürgerentscheid und wollen nur ein kleines Gebäude. Eine Einigung erscheint momentan in weiter Ferne.

Auch um die Stadthalle herum versucht die Stadt die Wohn-, Lebens- und Verkehrssituation zu verbessern. (Foto: Johannes Simon)

Streitigkeiten um die Verdichtung in Germering gibt es allerdings nicht nur, was die Mitte der Stadt anlangt. Auch andernorts sind Hochhäuser umstritten, so das Projekt eines 47 Meter hohen Gebäudes am Rand des Gewerbegebiets Nord. Nicht einverstanden zeigen sich auch Anwohner der Münchener Straße mit den Plänen für ein Hochhaus an der Landsberger Straße. Auf dem Gelände eines früheren Autohändlers soll ein markantes Gebäude entstehen, das auch die Eingangssituation in die Stadt markiert. Kritikpunkte der Anwohner sind das Schallschutzgutachten und Bedenken wegen einer möglichen Verschattung.

Einfluss auf die Überlegungen in der Stadt Germering haben auch die Entwicklung des Pasinger Zentrums sowie - mit mehr Gewicht - die Entstehung des neuen Stadtteils Freiham. Dort, östlich von Germering, sollen Wohnungen für bis zu 20 000 neue Münchner entstehen. Außerdem gibt es im Gewerbegebiet in Freiham noch viele freie Flächen. Die Diskussion über den Zuzug nach Germering und die Entwicklung der Innenstadt wird also weitergehen.

© SZ vom 21.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: