Christkindlmärkte im Landkreis:Stille Nacht, stressige Nacht

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Ein Tag, vier Christkindlmärkte. Ein Ausflug in die Welt der Vorweihnachtszeit, die nicht immer ruhig und besinnlich ist.

Von Friederike Zoe Grasshoff

Christkindlmarkt vor der Stadthalle in Germering (Foto: Günther Reger)

In der Weihnachtszeit streben die Menschen noch mehr nach Glück als im restlichen Jahr. Das Fest und die Wochen davor sollen doch bitteschön harmonisch sein, nur keine Konflikte jetzt. Und auch wenn man innerlich schon weiß, dass dem eben nicht unbedingt so ist, versucht man es jedes Jahr aufs Neue. Als Einstimmung auf die heimeligen Tage besuchen viele Menschen Christkindlmärkte. Doch ist die Stimmung wirklich so gemütlich, sind die kalten Stunden auf irgendeiner Bierbank mit billigen, aufgewärmtem Wein in der Hand tatsächlich eine gute Einstimmung? Ein Sonntagsausflug zu verschiedenen Weihnachtsmärkten im Landkreis.

Weihnachtsmarkt fairer Handel

Dietrich-Bonhoeffer-Kirche, 13 Uhr. Die Spülmaschine im Nebenraum ist im letzten Waschgang, von weiter weg erklingt eine Orgel. Ansonsten: Stille. Der kleine Raum, in dem allerlei Strickwaren aus Peru ausgestellt sind, ist verwaist. In der Mitte des Raums steht ein Kleiderständer mit bunt gestreiften Schals, an den Wänden hängen lange Strickjacken mit Brosche auf Taillenhöhe, kurze Strickjagen mit V-Ausschnitt aus Alpaca-Wolle, Kinderstrickjacken mit aufgenähten Lamas und Enten. Nur bei intensiver Observation ist ein Bezug zu Weihnachten zu erkennen: Gleich am Eingang steht eine peruanische Krippe, vorherrschende Farben sind pink und türkis.

Und es gibt eine "Vertrauenskasse". Hier soll nicht nur fair gehandelt, sondern auch fair gezahlt werden. Irgendwann taucht Pfarrer Matthias Pöhlmann auf und erklärt, worum es hier geht: Frauen aus Peru stellen die Stücke her, schließlich bekommen sie einen fairen Preis für ihre Handarbeit. Weihnachtliches Glück kann also auch bedeuten: Nicht nur auf sich achten, sondern auch an andere Menschen denken. Menschen, die in ihren Heimatländern oft Hungerlöhne bezahlt bekommen. Nicht blind konsumieren, sondern mit Bewusstsein. Und dann, man steht schon auf der Schwelle: Kommt tatsächlich eine Frau herein, kauft zwei Fingerpuppen aus Wolle und legt Geld in die Vertrauenskasse.

Emmeringer Weihnacht

Eine Stunde später. Die SPD verkauft Waffeln mit Puderzucker, die CSU Kaffee mit Baileys und Chili con Carne. Am Stand der Freiwilligen Feuerwehr reichen gleich vier junge Männer die Nürnberger Bratwürste in Brötchen heraus. Der Emmeringer Musikverein spielt "Lasst uns froh und munter sein", die Menschen halten ihr Stockbrot über ein Feuer, andere schunkeln. Ach, diese Harmonie, diese Friedlichkeit - und das bei mehr als hundert Menschen, die zwischen einer großen Baustelle und dem Bürgerhaus bei Temperaturen knapp über null Grad den dritten Advent feiern, manche gar mit roten Nikolaus-Filzmützen auf dem Kopf.

"Die Würstl sind zu kalt", zetert da eine Frau im mittleren Alter, der junge Wurstverkäufer sieht betroffen aus. Dafür bietet ihm zwei Minuten später ein Familienvater das Du an. Harmonie wiederhergestellt! Auf der Emmeringer Weihnacht verkaufen Vereine unterschiedliche Produkte, von fairem Kaffee bis hin zu Büchern. Die Hälfte des Gewinns spenden die Vereine an einen Hilfsfonds. Auch hier hat Weihnachten also eine anti-kapitalistische Note, und auch hier wird man zum Glücklichsein aufgefordert.

Wer am Glücksrad mit viel Schwung eine gute Punktzahl erreicht, kann ein Fahrrad gewinnen. Ein Mädchen probiert es aus, "ein Trostpreis".

Adventsmarkt an der Hexe

Keiner will eine Wurstsemmel, keiner will die bunten Ohrringe, und niemand interessiert sich für den alkoholfreien Punsch, der am Stand der Jugendbegegnungsstätte ausgeschenkt wird.

Nur eine Handvoll Menschen steht um kurz vor drei auf dem kleinen Adventsmarkt an der Hexe. Doch immerhin: Es gibt einen Mittelpunkt, einen warmen Mittelpunkt. Helmut Brummer hat eine Kunstschmiedewerkstatt in Olching, man kennt ihn und das weiß er. Während die älteren Menschen bei Zigaretten und Zigarren an runden Plastiktischen darauf warten, dass etwas passiert, stehen die wenigen Kinder bei Brummer, er legt einen Eisenstab auf die Glut, wartet, legt ihn auf seinen Amboss und fängt an zu hämmern.

Die Kinder wollen gar nicht mehr weg, auch Wärme und Licht können glücklich machen.

Christkindlmarkt Germering

Das Geträller hört man schon von Weitem, doch je mehr man sich nähert, desto irrealer wirkt das rote Treiben auf dem Therese-Giehse-Platz. Auf der Bühne: Zwei Endzwanziger in langen weinroten Gewändern mit Goldverzierung, sie singen "Let it snow". Schöne Stimmen, nur das Hin-und Hergeschunkel wirkt monoton.

Auf dem Platz vor dem eigentlichen Christkindlmarkt sind so viele Menschenschlangen ineinander verwoben, dass es kaum noch ein Stück vorwärts geht. Coca Cola ist mit seinem Weihnachtstruck hier, einem riesigen Gefährt, in dem Kinder sich fotografieren lassen können. Und das wollen sehr viele Kinder - und auch Erwachsene. Auf Werbebannern lächelt ein riesiger Santa Claus, der helfen will. An einem Stand werden Getränke verteilt, in einem Holzhäuschen ist eine Bastelwerkstatt.

Die ersten Kinder heulen schon, nicht wegen Santa, sondern weil auf dieser Massenveranstaltung alles so lange dauert. Der Himmel hängt grau über der Stadt, doch aus einer kleinen Lücke blitzt das Sonnenlicht. Es ist eine dieser Veranstaltungen, die die Menschen über den Display ihrer Mobiltelefone erleben. Viele Jugendliche, viele Eltern mit Kindern auf den Schultern. Und die Schlagen wollen einfach nicht kürzer werden.

Auch der Germeringer Christkindlmarkt gleich neben der roten Coca-Cola-Stadt ist rappelvoll, auch am Kinderkarussell bilden sich Schlangen. Gut, dass die jungen Menschen auf der Bühne "Happy Day" singen.

© SZ vom 16.12.2013/fzg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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