Bildung und Karriere:Ausbildung und Abi in einem

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Berufsschulleiterin Andrea Reuß wirbt für das Berufsabitur. (Foto: Carmen Voxbrunner)

An der Berufsschule in Fürstenfeldbruck können junge Menschen von Herbst an parallel zur Lehre im Betrieb ihr Fachabitur erwerben. Das Programm ist ehrgeizig, der Unterricht findet abends statt

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Im Idealfall nimmt das neue Angebot Druck raus aus vielen Familien, unter dem Schulkinder vor allem in der vierten Klasse leiden. Sie sollen den Übertritt auf eine weiterführende Schule schaffen, so wollen es fast alle Eltern. Dass es auch später immer mehr Möglichkeiten gibt, Bildungsabschlüsse, auch das Abitur, zu erwerben, wissen viele oft nicht. Ein neues Angebot wird es von Herbst an an der Berufsschule Fürstenfeldbruck geben. Es nennt sich Berufsschule plus oder Berufs-Abitur und verbindet eine duale Berufsausbildung mit dem gleichzeitigen Erwerb des Fachabiturs.

"Absolut sportlich" nennt Schulleiterin Andrea Reuß diese Möglichkeit der Doppelqualifizierung, die sich vor allem an besonders leistungsstarke Schülerinnen und Schüler richte. Die absolvieren dann eine Berufsausbildung im Betrieb, zu der auch der Besuch der Berufsschule gehört, sowie einen Zusatzunterricht am Abend, der in den ersten beiden Schuljahren aus sechs und im dritten Jahr aus sieben Wochenstunden besteht. Unterrichtet werden sie dabei in Deutsch, Englisch, Mathematik, Natur- und Gesellschaftswissenschaft. Ihre Fachabiturprüfungen schreiben sie in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathe und erwerben damit die Fachhochschulreife, die zu einem Studium an einer Fachhochschule berechtigt. Auch Schüler aus anderen Landkreisen, in denen es das Zusatzangebot nicht gibt, können sich anmelden. Voraussetzung für alle ist, dass sie eine mindestens zweijährige Ausbildung beginnen und die mittlere Reife mit einem Notenschnitt von 3,5 in den drei Kernfächern erworben oder die Vorrückungserlaubnis in die Jahrgangsstufe elf am Gymnasium erhalten haben.

Reuß hält viel von dem neuen Programm. Die betriebliche Praxis mit dem Fachabitur zu verbinden, sei "ein wahnsinnig guter Weg, um mehr Perspektiven zu eröffnen". An der Brucker Berufsschule sieht sie ausreichend Reservoir für das Programm, immerhin hat die Hälfte der etwa 2300 dort unterrichteten Berufsschüler die mittlere Reife. Vor allem bei Bankkaufleuten, IT-Berufen, Steuerfachangestellten, Industriekaufleuten, Elektronikern, im Büromanagement oder im Groß- und Außenhandel kämen heute viele junge Menschen mit einem mittleren Bildungsabschluss in die Ausbildung. Diese seien es dann auch, die die Betriebe hinterher wieder verlassen würden, um sich weiterzubilden und ihr Abitur nachzuholen. Das geschieht in der Regel an einer Berufsoberschule (BOS). Für die Fürstenfeldbrucker FOS/BOS stellt das neue Angebot an der Berufsschule keine Konkurrenz dar. Das sei abgesprochen, sagt Reuß. Die FOS/BOS klage ohnehin über zu großen Andrang.

Bislang gibt es die Berufsschule plus bereits an den Berufsschulen in Starnberg, Garmisch-Partenkirchen, Mühldorf am Inn, Bad Aibling und Berchtesgadener Land. Neu hinzu kommen werden im Herbst Ingolstadt und Fürstenfeldbruck. Die Brucker Einrichtung war vom bayerischen Kultusministerium auf das Angebot aufmerksam gemacht worden. Sie habe das "erst zur Seite gelegt", gesteht Reuß, denn die Brucker Berufsschule muss ihren normalen Schulbetrieb derzeit zwischen Abriss und Neubau ihrer Gebäude organisieren, außerdem hat sie seit zwei Jahren mit der Flüchtlingsbeschulung einen neuen Verantwortungsbereich hinzubekommen. "Ein eigentlich ungünstiger Zeitpunkt, weil wir derzeit vielen Belastungen ausgesetzt sind", sagt Reuß. Dennoch sprach man sich schließlich für das neue Angebot aus.

Bei einem Infoabend im Brucker Sparkassensaal wird die Berufsschule plus am Donnerstag, 22. Februar, vorgestellt (18.30 Uhr). Andrea Reuß sowie Frank Hüpers, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für München und Oberbayern, und Hubert Schöffmann, Leiter des Referates Berufsausbildung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern, werden Details vorstellen. Einige Schüler, die die Berufsschule plus bereits absolviert haben, werden von ihren Erfahrungen berichten. Da der normale Berufsschulbesuch Pflichtprogramm ist für Auszubildende, "mussten wir uns bislang nie um unsere Schüler kümmern", sagt Reuß. Für die Schule ist es deshalb neu, mit einem Infoabend auf sich aufmerksam zu machen.

© SZ vom 19.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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