Baugebiet :Germering zieht vor Gericht

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Die Stadt will den Spruch der Verwaltungsrichter zum Bürgerbegehren Kreuzlinger Feld überprüfen lassen

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Oberbürgermeister Andreas Haas (CSU) war es zu mühsam, die Ja-Stimmen bei der Stadtratssitzung am Dienstag auszuzählen. "Gegen 15 Nein-Stimmen ist der Beschluss angenommen", verkündete er in aller Eile. Angenommen wurde mit der Mehrheit aller Stadträte von CSU, Freien Wählern, FDP und Haas selbst der Beschluss, dass die Stadt Germering Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) gegen die Entscheidung des Münchner Verwaltungsgerichts einlegt. Das Gericht hatte im Eilverfahren die Veröffentlichung des Satzungsbeschlusses des Stadtrates untersagt, was einem Planungsstopp gleichkommt. Überdies hat es in der Begründung erkennen lassen, dass es das Bürgerbegehren zur Bebauung des Kreuzlinger Feldes für zulässig hält.

Haas hatte zuvor angesichts der Gerichtsentscheidung drei Tagesordnungspunkte, die den Weg für die baldige Bebauung des Kreuzlinger Feldes frei gemacht hätten, von der Tagesordnung abgesetzt. Per Tischvorlage hatte der Oberbürgermeister den Beschlussvorschlag eingebracht, Beschwerde bei der nächst höheren Instanz gegen die Entscheidung des Münchner Gerichts einzulegen, falls die Mehrheit im Stadtrat zustimmt. Dieser Mehrheit konnte sich Haas angesichts des Abstimmungsverhaltens von CSU und den drei FWG-Stadträten in der Vergangenheit gewiss sein.

"Wir klagen hier gegen die eigenen Bürgerinnen und Bürger", hatte Sepp Dürr (Die Grünen) vor der Abstimmung die Beschwerdebefürworter eindringlich gewarnt und dazu aufgefordert, "den Streitfall den Bürgern statt dem Gericht vorzulegen". Knapp 3000 Germeringer - viel mehr als erforderlich - hatten das Bürgerbegehren unterstützt. Dieses fordert einen Stopp des laufenden Bebauungsplanverfahrens und stattdessen eine neue Rahmenplanung nach einem offenen städtebaulichen Ideenwettbewerb, der zum Beispiel das Maß der Bebauung an die bestehende Umgebung anpasst, eine klimaneutrale Planung und effektive Bürgerbeteiligung gewährleistet sowie den zusätzlichen Verkehr minimiert.

"Es geht nicht um Rechthaberei und Gängelung der Bürger", argumentierte CSU-Fraktionssprecher Oliver Simon, "es geht um die Wahrung der städtischen Planungshoheit." Eine schnelle Entscheidung sei notwendig. "Das Verwaltungsgericht kann irren", meinte Simon, der im Hauptberuf Rechtsanwalt ist. SPD-Fraktionssprecher Daniel Liebetruth widersprach und forderte, dass die Bürger möglichst schnell abstimmen sollten, weil das Verwaltungsgericht eindeutig entschieden habe. Liebetruth warf der anwesenden Rechtsanwältin Kerstin Funk vor, im Auftrag der Stadt im Juli "ein einseitiges Gutachten" vorgelegt zu haben, das vor Gericht nicht Stand gehalten habe. "Wir sollten hier im Stadtrat nicht die Bürger bevormunden", so Liebetruth.

Funk, die für eine Münchner Kanzlei arbeitet, hatte bereits vor einem Jahr für die Stadt das Bürgerbegehren gegen die Ansiedlung des Briefverteilungszentrums der Post für unzulässig erklärt, dem die bekannte Mehrheit im Stadtrat gefolgt war. Sie empfahl dem Stadtrat, Beschwerde einzulegen. Ihre Hoffnungen knüpften sich daran, dass der VGH die Ziele des Bürgerbegehrens anders bewertet als die erste Instanz. Sie versprach sich auch von der VGH-Entscheidung einen "Mehrwert" für die Stadt. Liebetruth hatte Funk daraufhin der "Haarspalterei" bezichtigt. Der SPD-Fraktionschef überzeugt: "Wir müssen uns nicht von Gerichten erklären lassen, was wir tun sollen." Haas, der häufig wie nie das Worte ergriff, intervenierte nicht nur an dieser Stelle spürbar gereizt. "Es war kein einseitiges Gutachten", widersprach er Liebetruth.

Zudem warnte Haas vor einer "Dauerschleife" von Bürgerbegehren. "Die Umsetzung des Bürgerbegehrens fällt mir schwer", sagte er. Die Wortmeldung von Maximilian Streicher (ÖDP/Parteifreie), welches Risiko die Stadt beim Verzicht auf eine Beschwerde eingehe, beantwortete Haas nicht. Franz Senninger (CSU) warb für ein beschleunigtes Verfahren, um rasch Wohnraum zu schaffen. Er sagte: "80 Prozent unserer Wähler stehen hinter uns." Einen Gerichtsbeschluss wird es wohl erst in einigen Monaten geben.

© SZ vom 14.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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