Ausstellungsstart in Fürstenfeldbruck :Vielschichtiger Wald

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Zwischen Nutzfläche und Sehnsuchtsort: Der Wald von Paul Wilhelm Keller-Reutlingen in seinem Bild "Schafe im Wald" schafft einen Spagat vom Realismus zur Magie. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die neue Ausstellung im Museum Fürstenfeldbruck spürt den Sehnsüchten und Ängsten der Menschen nach, die sich in Landschaftsbildern widerspiegeln. Eine erlesene Sammlung von 125 Objekten ist dabei entstanden

Von Ekaterina Kel, Fürstenfeldbruck

Es gibt nicht den einen Wald. Der Wald, in dem sich Hänsel und Gretel verirren, ist dunkel und unheimlich. Der Wald, in dem Georg Büchner seinen Lenz unruhig wandern lässt, ist nebelig, ausgedörrt, voller Unbehagen. Und im Wald des Erlkönigs hört das fiebrige Kind, wie die Blätter bedrohlich rascheln und Geister beschwören. Dass die Natur um uns herum immer auch aus unserem Blick auf eben diese Natur besteht und dass das Wesen des Menschen, seine Kultur, seine Überzeugungen und Gesinnungen immer schon gespiegelt werden, wenn er sich an Darstellungen der Natur versucht, haben längst nicht nur große Literaten und ihre Interpreten erkannt. Auf dieser innigen Beziehung zwischen dem Betrachter und dem Betrachteten, in diesem Fall dem Wald, liegt auch der Fokus der neuen Ausstellung im Museum Fürstenfeldbruck.

Eva von Seckendorff und Angelika Mundorff haben mit "Waldbilder" eine erlesene Sammlung von 125 Objekten zusammengestellt, die alle auf ihre individuelle Art und Weise den Wald darstellen. Das meiste sind Ölgemälde aus dem 19. Jahrhundert - der Wald hatte in der Romantik Konjunktur -, es sind aber auch Radierungen, Zeichnungen und Fotografien zu sehen. Das älteste Bild setzt am Ende des 17. Jahrhunderts an, auf der Höhe des Barocks, zu den neusten Bildern zählen Fotografien von Gerhard Richter, einem der bekanntesten zeitgenössischen Künstler, der seine Waldfotos mit groben Farbflecken übermalt, um dem Betrachter der ach so schönen Waldszenerien die Naivität seines Blicks wieder zurückzuwerfen.

Der Holländer Adriaen van de Velde malte 1668 einen nachdenklichen Hieronymus an einer Eiche, den Löwen zu seinen Füßen, dem er einen Dorn aus der Pranke gezogen haben soll. Ganz in sanften Brauntönen gehalten, verspricht die Landschaft Seelenruhe. Das rote Tuch des dargestellten Theologen sticht heraus, wohl auf seine Stellung hindeutend, der Himmel kokettiert mit einem leichten Blauton in der Ferne. Ansonsten Ruhe. Seckendorff und Mundorff haben das Bild aus Schwerin kommen lassen. Andere Bilder stammen aus näheren Orten, zum Beispiel von der Sammlung der Brucker Sparkasse.

Mit Dachau sind die beiden eine besondere Kooperation eingegangen: Zeitgleich zeigen die Nachbarn nämlich in ihrer Ausstellung "Baumbilder" die Protagonisten des Waldes - die Bäume. Gegenseitig haben sich Fürstenfeldbruck und Dachau mit Baum-, beziehungsweise Wald-Bildern ausgestattet. Beides läuft unter dem Begriff "Identitäten" des Museumsverbundes Landpartie, der sich rund um München gebildet hat.

Einer, dessen Name nicht unerwähnt bleiben darf, wenn es um die gewaltige Metaphernkraft des Waldes geht, ist der Romantiker Caspar David Friedrich. Bei dem "Chasseur im Walde" beispielsweise, nutzt er die Leinwand unmissverständlich für politische Aussagen - die stolzen, aufrechten, deutschen Fichten versperren dem feindlichen Franzosen während der Napoleonischen Kriege den Weg. Das Bild und sein Maler Friedrich sind zwar bei der Ausstellung in Fürstenfeldbruck nicht zu sehen, da sich kleine Museen die Versicherung für solche Werke gar nicht leisten könnten. Aber die Ausstellung versteht es trotzdem und ganz ohne Einbußen, den Betrachter auf die politische und gesellschaftliche Komponente des Waldes und seiner Darstellungen aufmerksam zu machen. Der Maler Willy Reinhardt zeigt ein ganz und gar ausgedünntes Waldstück, kaum mehr eine Nadel hat die dürre Fichte, kaum mehr ist der Boden grün - es ist 1947, "Nach dem Sturm" zeigt den Wald von Grafrath, trostlos einerseits, leer und daher auch wieder hoffnungsvoll vor blauem Himmel andererseits.

Die Werke wurden von den Kuratorinnen sorgfältig in Kategorien eingeteilt - der Wald als Ort des Erhabenen, des Patriotischen, der Wildnis, der ökonomischen Interessen, des Märchens. Dabei haben sie bewusst die Grenzen des Materials, der Epoche und des Stils übergangen. Manches Mal muss ein Einzelwerk deshalb die Aufmerksamkeit einbüßen. Meist gewinnt das Konzept dadurch aber an Aussagekraft: Waldbilder transportieren immer auch den Blick des Künstlers. Was die Hängung der Kuratorinnen ebenfalls offen legt, ist darüberhinaus der dritte Blick - der des heutigen Betrachters.

Ausstellung "Waldbilder" im Museum Fürstenfeldbruck, Vernissage am Donnerstag, 17. Mai , um 19.30 Uhr. Die Ausstellung ist bis zum 14. Oktober zu sehen.

© SZ vom 17.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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