Ausstellung am Wochenende:Abgefahren

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Die Modellbahn erlebt in Germering eine Renaissance

Von Christian Hufnagel, Germering

Briefmarken, Münzen, Mineralien sind als Sammelobjekte schon beinahe seit Generationen out. Auch die Leidenschaft von Bodo Pietsch zählt eigentlich zu den aussterbenden Freizeitbeschäftigungen. Auch wenn es viele Indizien für diesen Schluss gibt, der 64-jährige Germeringer nennt selbst die Auflösung von Vereinen und das Verschwinden von Fachgeschäften, kann er mit mehr als einem Hoffnungsschwimmer aufwarten. Er selbst hat vor eineinhalb Jahren einen Verein initiiert, der sich durchaus überraschend eines gewissen Zulaufes erfreut: Die Mitgliederzahl wächst, seit der Gründung von sieben auf immerhin elf. Und auch die zweite Initiative schlug ein: Rund 700 Menschen besuchten im vergangen Jahr die erste Ausstellung, was Pietsch zu einer ermutigen Erkenntnis bringt: "Das Interesse ist da." Die Modelleisenbahn findet also offensichtlich wieder Liebhaber, so dass der Verein an diesem Wochenende zur zweiten Schau in die Stadthalle Germering einladen kann, jeweils von 10 bis 17 Uhr geöffnet.

Der Titel verdeutlicht, dass es sich um mehr handelt als putzige Züge in idyllischer Umgebung: "Erleben Sie das Hobby Modellbahn in all seinen Facetten." Natürlich sind die Klassiker darunter: Miniaturzüge, die vorbei an Häusern und durch Tunnel ihre Runden drehen. Aber es gibt auch reine Landschaften, Dioramen genannt. Eine solche steuert Pietsch bei. Es zeigt ein Stück Heimat seiner holländischen Ehefrau in Gestalt einer Polder-Landschaft. Ein Hingucker dürfte die Anlage sein, die sogenannte DC-Cars in Bewegung setzt. Kleine Autos, die automatisch anfahren, beschleunigen und abbremsen, wie es die digital gesteuerte Verkehrslage eben vorgibt. Die Vereinsmitglieder selbst stellen Module aus, die einmal ein Gesamtwerk einer Zuganlage ergeben sollen.

Auch der Vorsitzende will eine solche in Zukunft verwirklichen. Bislang ist er vornehmlich ein Sammler: 1600 kleine Autos und 100 Lokomotiven und Waggons finden sich bei ihm zu Hause, verpackt in Schachteln im Keller und auf dem Speicher, einige präsentiert in Vitrinen. Wie bei vielen in seiner Generation entsprang dieses Hobby aus einer Kindheit, "als fast jeder Junge eine Modelleisenbahn hatte". Daraus entwickelte sich ein grundsätzliches Interesse an der Eisenbahn, das nach dem Informatik-Studium in das Sammeln von Nachbildungen im Spielzeugformat mündete, was ihn bis heute begleitet. Aber erst in der Rente findet er nun die Zeit, selbst eine Zuglandschaft zu realisieren - und in den ehemaligen Zimmern seiner erwachsenen Kinder auch den Platz dafür.

Was diese Freizeitbeschäftigung auch für junge Menschen des digitalen Konsumzeitalters bringen könnte, veranschaulicht Pietsch mit den Fähigkeiten, die eine Modelleisenbahn erfordert und fördert: Geduld, Kreativität, Fingerfertigkeit, Detailverliebtheit, elektronisch-technisches Wissen. Bei all diesen Möglichkeiten der Entwicklung ist der Modellbahner am Ende doch eine wenig ratlos: "Ich habe ein bisschen ein Unverständnis darüber, dass dieses Hobby heute nicht mehr so begehrt ist."

© SZ vom 05.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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