Auf dem Weg zur Fairtrade-Town:Schüler machen es vor

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Auf die Konsumenten kommt es an. Das erfuhren die Besucher der Veranstaltung zur Umsetzung des Fairtrade-Konzepts in der Stadthalle Germering. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Beim Einführungsabend in der Stadthalle kann die Germeringer Steuerungsgruppe vom Carl-Spitzweg-Gymnasium lernen. Dort setzt man seit sechs Monaten auf Waren, deren Produzenten nicht ausgebeutet werden

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Puchheim ist es seit 2014, auch Gröbenzell ist Fairtrade-Stadt - nein Fairtrade-Dorf - und nun will Germering auch in diesen erlauchten Kreis aufgenommen werden. Doch so alleinstellend ist diese Bezeichnung nicht mehr. 399 Fairtrade-Towns, wie sie offiziell heißen, gibt es bereits in Deutschland. Die erste Fairtrade-Stadt ist im Jahre 2009 Saarbrücken gewesen. Weltweit sind es sogar 22 000 Kommunen in 26 Ländern, die dieses Siegel tragen dürfen. Lernen kann die Steuerungsgruppe, die sich jetzt in Germering gebildet hat, um die Bedingungen für eine Fairtrade-Stadt sicherzustellen, von den Schülern des Carl-Spitzweg-Gymnasiums (CSG), das schon seit einem halben Jahr Fairtrade-Schule ist.

Moritz Bothe, Schüler der elften Klasse des CSG, erläuterte den etwa 80 Besuchern der Einführungsveranstaltung in der Stadthalle, wie es geht. Die Schülerinnen und Schüler haben dabei auch massiv an sich selbst gearbeitet und einen besonders lieb gewonnenen Ritus abgeschafft. "Die Rosengeschenk-Aktion am Valentinstag haben wir abgeschafft", erzählte Bothe. Sie hatten sich kundig gemacht, dass der Rosenanbau in Kenia die Umwelt nachhaltig belastet und auch den Bauern dort schadet. "Die Rosenproduktion erfordert einen hohen Wasserverbrauch, Wasser, das den Massai dann für die Viehtränke fehlt." Der Pausenverkauf im CSG wird jetzt auch mit fairen Produkten betrieben. "Salat und Wurst sind Bio", schränkte Bothe ein. Dafür gibt es demnächst auch fair gehandelte Schulpullis; bisher wären die auch nur Bio gewesen.

Über einen eventuell nötigen Verzicht Germeringer Bürger wurde bei der Einführungsveranstaltung nicht diskutiert. "Zehn Euro für eine Jeans vom Discounter ist nicht das Gelbe vom Ei", formulierte Oberbürgermeister Andreas Haas (CSU) eingangs plakativ, ehe die Sambagruppe "Sambavaia" für die gute Laune im Saal so fetzig wie laut aufspielte, dass sich ältere Besucher die Ohren zuhielten. Moritz Meisel vom Münchner Zertifizierungsbüro Trans Fair e. V. erläuterte den Anwesenden den Weg zur Fairtrade-Stadt. "Wir setzen uns für einen Handel mit Produzenten aus Afrika, Asien und Südamerika auf Augenhöhe ein", meinte Meisel. Es gehe dabei um stabile Mindestpreise plus einer Fairtrade-Prämie für die Genossenschaften der Kleinbauern. Man achte darauf, dass die Waren nicht mit "ausbeuterischer Kinderarbeit" hergestellt werden.

Die Steuerungsgruppe in Germering müsse dafür sorgen, dass möglichst bald Fairtrade-Produkte in acht Geschäften und vier Gastrobetrieben angeboten werden. Ebenso in einer Kirche und einem Verein, eine Schule habe man ja bereits. Dann muss Germering noch eine entscheidende Hürde nehmen: Im Büro des OB muss Fairtrade-Kaffee ausgeschenkt werden. Rathauschef Haas hat sich an diesem Abend nicht dazu geäußert, ob das bereits der Fall ist. "Entscheidend ist auch die Nachfrage der Konsumenten", appellierte Meisel an die Verbraucher, künftig Fairtrade-Produkte zu kaufen, um den Handel entsprechend zu beeinflussen. Per Rahmenvertrag mit dem Sportartikelhersteller Puma würden Fußbälle fair hergestellt werden. Meisel kündigte an, dass es von 2016 an auch erstmals einen Fairtrade-Standard für Baumwolle geben wird. "Das betrifft nicht nur den Rohstoff Baumwolle, sondern auch die Herstellung von Textilien", sagte Meisel.

Auf Nachfrage erklärte Meisel auch, dass Deutschland in Sachen Fairtrade-Handel weit hinter Großbritannien und der Schweiz hinterher hinke. "Pro Kopf liegen wir in Deutschland bei vier Euro Ausgaben für Fairtrade-Artikel, in Großbritannien und der Schweiz sind es 40 Euro pro Bürger." Das Wachstum in Deutschland stimme ihn jedoch zuversichtlich, weil sich jedes Jahr die Handelsmenge verdoppele. Nachdem die Kaffeekette Starbucks nur noch fair gehandelten Kaffee ausschenke, habe sich der Kaffeeabsatz ebenfalls verdoppelt. "Das ist ein Prozess, auf den wir uns einlassen können", sagte OB Haas und signalisierte Unterstützung seitens der Stadt. Haas beteuerte nachdrücklich: "Wir wollen kein Strohfeuer haben."

© SZ vom 24.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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