Jahresrückblick (Folge 1):Betten ohne Bewerber

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Das Thema bleibt auch im Landkreis ein bedeutendes, aber es ist in den Kommunen nicht mehr das beherrschende. Die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge nimmt im Jahresverlauf stark ab. Doch damit werden die Probleme bei der Integration sichtbarer

Von Erich C. Setzwein und Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Von April 2016 an kommen weniger Asylbewerber in den Landkreis. Wie andernorts auch, greift das Abkommen mit der Türkei, nur ein bestimmtes Kontingent Flüchtlinge nach Europa zu schicken. Turnhallen, in denen jeder fünfte Asylsuchende wohnt, werden als Notunterkünfte nicht mehr benötigt, sie werden nach und nach an die Kommunen zurückgegeben. Dennoch bleibt für die Asylhelfer viel Arbeit. Statt sich auf Neuankömmlinge einstellen zu müssen, können sie sich nun mehr auf Integrationsarbeit konzentrieren. Auch in der Kommunalpolitik ist das Thema Asyl nicht mehr an erster Stelle wie noch im Vorjahr. Dennoch gibt es politisches Gerangel um die Flüchtlinge - in der Erstaufnahmeeinrichtung in Fürstenfeldbruck und in Adelshofen. Und es wächst angesichts häufigerer Meldungen über Gewalt in den Unterkünften die Sorge, dass die Kriminalität steigen könnte.

Unterkunft

Eine harte Nuss zu knacken hat Landrat Thomas Karmasin (CSU) weiterhin in der Großgemeinde Gröbenzell. Denn dort kommt er mit den Plänen des Landkreises, eine Asylbewerberunterkunft zu errichten, nicht weiter. Die Gröbenzeller stehen auf dem Standpunkt, dass es besser sei, Flüchtlinge dezentral unterzubringen. Damit gelinge Integration besser. Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) hat dafür eine starke Unterstützung und versteht es zusammen mit dem Gemeinderat immer so zu entscheiden, dass Karmasin die Pläne nicht umsetzen kann.

Gegen Behelfsbauten auf der Klosterwiese stemmen sich Bürger in Adelshofen und starten ein Begehren. Sie erhalten die erforderliche Unterstützung, so dass es im April zum Bürgerentscheid kommt. Das Ergebnis ist eindeutig und schmeckt den Initiatoren nicht: Zwei Drittel der Bevölkerung sind für die Aufnahme von Flüchtlingen in ihrer Gemeinde.

Erstaufnahme

Angesichts sprunghaft gestiegener Asylbewerberzahlen wurde der Bereich rund ums frühere Fliegerhorst-Unteroffiziersheim im Oktober 2014 zu einer Erstaufnahmestelle für Asylbewerber. Bis heute fehlt es an der städtischen Genehmigung für die Nutzungsänderung. Die Stadt Fürstenfeldbruck hat dies bei der Regierung von Oberbayern angemahnt - bislang erfolglos. Das Verwaltungsgericht muss zudem klären, wer im Fall eines Brandes zuständig ist und ob sich die Regierung an den Kosten für die zusätzliche Feuerwache in der Nähe beteiligen muss.

Von anfänglich etwa 180 ist die Zahl der Bewohner auf um die 1000 gestiegen. Die Regierung von Oberbayern drohte bereits damit, auf insgesamt 1600 Personen aufzustocken, falls Bruck nicht der Umwandlung in eine Kurzaufnahme zustimmt - als Ersatz für eine zum Jahresende schließende Einrichtung in der ehemaligen Bayernkaserne.

In einer Kurzaufnahme würden Asylbewerber in der Regel nicht mehrere Monate, sondern lediglich einige Tage für die erste Registrierung und Gesundheitschecks aufgenommen, bevor sie auf andere Einrichtungen verteilt werden. Die Verhandlungen über die Umwandlungsgenehmigung durch die Stadt sind ins Stocken geraten. Bruck knüpft eine Zustimmung an Bedingungen: So soll die Unterkunft nach fünf und nicht erst nach zehn Jahren endgültig geschlossen werden. Obwohl es Signale für eine Annäherung gibt, hüllt sich die Regierung seit Monaten in Schweigen.

Kriminalität

Immer dann, wenn die Polizei nicht nur mit einem Streifenwagen, sondern mit vielen Einsatzfahrzeugen, blitzendem Blaulicht und lauten Sirenen an einer Asylbewerberunterkunft vorfährt, ist die Neugier der Anwohner natürlich groß. Wenn dann auch noch Notarzt und Sanitäter hineineilen, muss mit dem Schlimmsten gerechnet werden. Dabei gehen alle bekannt gewordenen Streitigkeiten noch glimpflich aus, auch wenn die eine oder andere, teils durchaus schwere Verletzung behandelt werden muss.

Die Ursachen sind für die Polizei oft nicht nachvollziehbar. Manchmal reichen eigentlich nichtige Anlässe aus, um die unter sehr großen Spannungen zusammenlebenden Menschen ausrasten zu lassen. Mitte Januar werden mehrere Fälle bekannt. In der Unterkunft in Mittelstetten geraten drei Frauen aus Afrika in der Küche aneinander. Ein verbaler Streit letztlich, der geschlichtet werden kann. An einem Samstag zwei Asylbewerber an einem Samstag in und außerhalb eines Supermarkts in Fürstenfeldbruck aneinander, später verprügeln in der Erstaufnahmeeinrichtung drei Männer zwischen 18 und 25 Jahren zwei 18-Jährige.

Anfang Februar dann kommt es, wieder an einem Wochenende, in der Erstaufnahme am Fliegerhorst zu einer Massenschlägerei mit mehr als 30 Beteiligten, denen erst 30, später mehr Beamte gegenüberstehen. Im April gehen in einer Olchinger Unterkunft Bewohner auf einen Wachmann los, der sich nur mit Pfefferspray zu wehren weiß, wenige Stunden später eskaliert der nächste Streit, eine Frau aus Somalia geht mit einem Messer auf einen Syrer los.

Das für den Landkreis zuständige Polizeipräsidium Oberbayern Nord veröffentlicht im April dieses Jahres die Zahlen aus 2015. Demnach wurden an oder in Asylbewerberunterkünften 1109 Straftaten gemeldet. Die Aufklärungsquote lag bei 85,3 Prozent, 946 Taten wurden geklärt. Insgesamt wurden dabei 828 Tatverdächtige ermittelt, von denen 791 Nichtdeutsche waren, aber auch 37 deutsche Staatsangehörige.

© SZ vom 27.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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