Amtsgericht:Unter Nachbarn

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Verfahren wegen Nachstellung gegen 69-Jährigen eingestellt

Von Ariane Lindenbach, Germering

Unzählige Nachbarschaftsstreitereien belegen, wie schwer es ist, mit anderen in Ruhe und Frieden zusammen zu leben. Dass es in solchen Fällen auch zum Vorwurf der Nachstellung kommt, ist eher ungewöhnlich. In einer Wohnsiedlung in Germering ist aber genau das passiert: Eine 41-jährige Frau fühlte sich von ihrem 28 Jahre älteren Nachbarn belästigt. Unter anderem lauere er immer auf, wenn sie den Müll zur Tonne bringe. Aus diesem Grund saß der Germeringer nun wegen Nachstellung und Beleidigung auf der Anklagebank des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck. Das Verfahren gegen den bislang nicht vorbestraften endete ohne Schuldspruch. Der Vorsitzende Richter stellte das Verfahren ein, nachdem er zwischen den beiden Parteien erfolgreich vermittelt hatte.

"Ich habe weder Miststück noch irgendwas gesagt, ich habe sie nicht an den Hüften gepackt", widerspricht der nach eigener Aussage glücklich verheiratete Angeklagte den Vorwürfen. Wie er darlegt, ist es ihm gar nicht möglich, seiner Nachbarin aufzulauern. "Ich kann das nicht sehen, ob sie aus der Wohnung rausgeht". Falls er sie mal bei den Müllcontainern treffe, sei das Zufall. Die Anklage wirft dem 69-Jährigen auch vor, sie auf dem Parkplatz an den Hüften gepackt zu haben. "Im Gegenteil, sie hat mich damals aus dem Auto gezerrt", entgegnet der Germeringer. Und schildert, dass ihn seine Nachbarin mit ihrem Wagen zugeparkt habe - ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem er bekanntlich regelmäßig wegfahren müsse. "Sie hat mich dann angebrüllt", und sei wutentbrannt mit ihrem Auto weggefahren.

Die 41-Jährige berichtet hingegen, der Angeklagte habe sie damals an der Hüfte gepackt und sie "Schlampe" genannt. Im weiteren Verlauf ihrer Aussage wird deutlich, dass sie sich auch von anderen Bewohnern schlecht behandelt fühlt. "Ich weiß, dass ich unerwünscht bin, weil ich Hartz-IV-Empfängerin bin", auch als alleinerziehende Ausländerin und Mieterin komme sie in der überwiegend von Eigentümern bewohnten Anlage nicht gut an.

Weitere Begegnungen, etwa eine Berührung beim aneinander Vorbeigehen, erscheinen auf die dezidierten Nachfragen von Richter Johann Steigmayer in einem anderen Licht. "Kann es sein, dass Sie da etwas überinterpretieren", fragt er und regt an, die Germeringerin, die in absehbarer Zeit nicht umziehen wird, solle das nächste Mal einfach ausweichen.

Hellhörig wird der Vorsitzende allerdings, als der Angeklagte von seiner Nachbarin als "diese Person" spricht. "Man könnte es netter formulieren. Das spricht ja schon Bände", rügt er den 69-Jährigen. Der beteuert, nicht gewusst zu haben, dass die 41-Jährige von Hartz IV lebt und alleinerziehend ist.

Beiden Parteien, dem Angeklagten wie seiner Nachbarin, entringt Steigmayer die Feststellung, dass ihnen nur daran gelegen sei, in Ruhe in der Anlage zu leben. Der 69-Jährige stimmt überdies seinem Vorschlag zu, "Dinge zu unterlassen, die von der anderen Seite überinterpretiert werden könnten". Und versichert, dass er seiner Nachbarin, wie bisher auch, nicht zu nahe tritt. Mit dieser Wendung stellt der Richter das Verfahren ein, die Kosten trägt die Staatskasse.

© SZ vom 14.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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