Alling:Allinger Politkrimi

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Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit von Mandatsträgern. Möglicherweise hat die Gemeinde in Verträgen mehr Leistungen von Bauherren verlangt, als ihr zustehen

Von Gerhard Eisenkolb, Alling

Ermitteln die Generalstaatsanwaltschaft München und das Landeskriminalamt in einer Gemeinde wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit und der Bestechung, wie in Alling, muss das nicht besagen, dass jemand konkret die Hand aufgehalten hat und wirklich Geld geflossen ist. Im Allinger Fall geht es um die Frage, ob die Ausweisung eines Baugebiets und der Versuch der Gemeinde, einen Teil des Planungsgewinns zur Erfüllung ihrer Aufgaben in die Gemeindekasse zu leiten, im Einklang mit dem Baugesetzbuch steht oder nicht. In engen Grenzen ist das legal und sogar notwendig. Sonst könnte eine Kommune nicht die Krippen, Kindergärten und Schulen finanzieren, die sie für die in die Neubaugebiete ziehenden Familien benötigt. Das Problem liegt darin, dass sich eine Gemeinde strafbar machen kann, wenn sie im Zusammenhang mit der für Grundeigentümer lukrativen Baulandausweisung unzulässige Leistungen einfordert. Die Kommune darf ihre Entscheidung nicht von einer wirtschaftlichen Gegenleistung des Nutznießers abhängig machen und damit "verkaufen".

Wie es in Alling seit den Achtzigerjahren üblich war, wollte die Gemeinde bei dem ins Visier der Ermittler geratenen Fall, pauschal einen Betrag von 22,5 Prozent abschöpfen. Zu klären ist jetzt, inwieweit die Vereinbarung der Gemeinde mit einem Bauträger gesetzeskonform und damit gerichtsfest ist. Soll ein Grundstückseigentümer oder Bauträger nämlich für Folgelasten aufkommen, schließt eine Gemeinde in der Regel städtebauliche oder notarielle Verträge mit demjenigen ab, der in einem Neubaugebiet ein größeres Wohnprojekt realisieren will. Das ist auch in Alling im Zusammenhang mit der Errichtung von etwa 40 Wohneinheiten auf einer Fläche von 35 000 Quadratmetern geschehen. Nur dass hier nun Mitarbeiter des Landeskriminalamts im Rathaus die mit einem Bauträger abgeschlossenen und später wieder gekündigten Verträge sowie die dazugehörigen Akten beschlagnahmt und zwei Mitarbeiter verhört haben. Solche städtebaulichen oder notariellen Verträge sollen vermeiden, dass die Leistungen des Bauträgers ein unzulässiges Koppelungsgeschäft sind.

Solche Vereinbarungen sind eine juristische Gratwanderung mit vielen Tücken und Fallen und dem Risiko von strafrechtlichen Folgen. "Man bewegt sich in einem nicht rechtssicheren Raum", räumt Allings Bürgermeister Frederik Röder (CSU) offen ein. Und er verweist darauf, dass höchstrichterliche Entscheidungen fehlten. Was den Allinger Fall noch komplizierter macht, als er sowieso schon ist, ist die Tatsache, dass das Neubaugebiet, für dessen vertragliche Vereinbarungen sich die Generalstaatsanwaltschaft nun interessiert, die Gemeinde spaltet und das politische Klima schon seit Jahren vergiftet.

Zu den Ermittlungen wäre es wohl nicht gekommen, wenn die Gemeinderatsmehrheit nicht die Landwirtsfamilie Killer daran gehindert hätte, einen Schweinemastbetrieb zu errichten. Gemeinderäte und Insider sagen, dass in Alling seit dem Streit um den Stall für 252 Schweine "Krieg" herrsche. Die Auseinandersetzungen ziehen sich durch Familien, es sind deshalb Freundschaften aufgekündigt worden, heißt es. So etwas spielt bei staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sicher keine Rolle, aber es beeinflusst deren Wahrnehmung in einem kleinen Ort.

Der Rechtsanwalt Ewald Zachmann wiederum, der die der SZ-Redaktion vorliegende Anzeige gegen Verantwortliche der Gemeinde Alling wegen des Verdachts der Vorteilsnahme, Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern im Zusammenhang mit der Schaffung von Baurecht erstattet hat, vertritt die Landwirtsfamilie Killer gegen die Gemeinde. Spätestens hier schließt sich der Kreis. Zachmann war selbst lange Bürgermeister von Olching und er ist immer noch Stadtrat. Damit ist er nicht nur Jurist, sondern auch ein erfahrener Kommunalpolitiker, der den juristischen Hebel an der richtigen Stelle anzusetzen weiß, um die Interessen seiner Mandaten gegen die Gemeinde zu vertreten.

Zachmann ist es in dem sich über Jahre hinziehenden Rechtsstreit wiederholt gelungen, dass der Bebauungsplan für das "Wohngebiet westlich der Gilchinger Straße" wegen eines Planungsmangels vom Verwaltungsgerichtshof außer Vollzug gesetzt wurde. Und die Gemeinde hat die in nicht öffentlichen Beratungen gebilligten Verträge mit dem Bauträger auf den Rat ihres Anwalts hin geändert. Die Passagen zur Regelung der Folgenkosten, für die sich vor allem die Ermittler interessieren dürften, wurden aus den Vereinbarungen herausgenommen. Mit der Folge, dass Alling nun leer ausgeht. Röder spricht von einer Summe von 730 000 Euro, die im Haushalt fehlt. Zachmann erwähnt in der Strafanzeige "vereinbarte finanzielle Zuwendungen" in einer Höhe von insgesamt knapp 1,2 Millionen Euro. Unstrittig ist, dass bisher kein Geld geflossen ist.

"Der Tatbestand der Vorteilsannahme und der Abgeordnetenbestechung kann bereits durch den Abschluss eines Vertrages (Unrechtsvereinbarung) erfüllt sein", stellt Zachmann in der Anzeige fest. Wie der Rechtsanwalt ausführt, ist es für den Tatbestand der Vorteilsannahme nicht notwendig, "dass der einzelne Amtsträger (Bürgermeister und/oder Gemeinderat) persönliche Vorteile erhält".

"Das stecke ich nicht weg", räumt denn auch Röder offen zum Vorwurf der Bestechlichkeit ein und ergänzt: "Das hat mich unheimlich entsetzt." Selbst wenn bisher nur ein Anfangsverdacht besteht und die Ermittlungen gegen Unbekannt geführt werden. Was Röder "belastet", ist der Vorwurf der Mandatsträgerbestechung, der der Grund dafür ist, dass der Fall der Generalstaatsanwaltschaft und dem Landeskriminalamt übertragen wurde. "Ich hätte nicht gedacht, dass in unserem Ort jemand das annimmt", sagt der Bürgermeister über den im Raum stehenden Vorwurf der Mandatsträgerbestechung.

Aus der Auseinandersetzung um den Schweinemaststall ist bei einem mehrheitlich im Februar 2010 angenommenen Bürgerentscheid die Idee der Gemeinde entstanden, durch die Aufstellung eines Bebauungsplans die Erweiterung der Tierhaltung um Mastschweine zu verhindern. Das schränkte die Entwicklung des landwirtschaftlichen Betriebs ein. Mit dem Rechtsstreit wurden die bereits wiederholt von Zachmann gerichtlich außer Vollzug gesetzten Bebauungspläne zum Bumerang für den Bürgermeister.

Wie sich erst nachträglich herausstellte, wurde aber auch der im Jahr 2010 mit dem zugkräftigen Titel "Schutz des Natur- und Erholungsraums Allinger Moos" durchgeführte Bürgerentscheid für einige Allinger zum Bumerang. Die mit dem Entscheid verbundene Forderung nach einem Bebauungsplan eröffnete der Gemeinde nämlich nicht nur die Möglichkeit, den Schweinestall zu verhindern, sondern gleichzeitig einen Teil der schützenswerten Landschaft in Bauland zu verwandeln. "Und wir Deppen haben den Bebauungsplan auch noch mit unseren Ja-Stimmen gefordert", lautete denn auch das Resümee des enttäuschten Verfassers eines in der Gemeinde verbreiteten anonymen Flugblattes. Ein weiterer Schauplatz der Auseinandersetzungen sind die auch nicht immer offen geführten Kontroversen zwischen Zugezogenen und Einheimischen.

Trotz einer Serie juristischer Niederlagen geht Röder davon aus, "dass es kein Verfahren geben wird und die Generalstaatsanwaltschaft erkennt, die Gemeinde hat hier nichts Unrechtes getan". Seinen Optimismus begründet er damit, die Gemeinde habe in dem umstrittenen Baugebiet nur das getan, was in einem Beschluss des Gemeinderats unter seinem Vorvorgänger bereits in den Achtzigerjahren festgelegt worden war. Damals ist eine pauschale Nachfolgenlastenregelung verabschiedet worden. Diese legt fest, dass ein Bauträger sowie der oder die Eigentümer einer größeren Grundstücksfläche einen Anteil von 22,5 Prozent des Wertes ihrer späteren Nettowohnbaufläche an die Gemeinde abführt. Dies kann durch Zahlung oder Übertragung eines Grundstücksanteils geschehen.

Probleme hat es mit dieser Regelung vor dem Streit um den Schweinestall kein einziges Mal gegeben, beteuert Röder. Laut Landrat Thomas Karmasin (CSU), der von seinem ehemaligen Stellvertreter Zachmann über dessen Anzeige informiert worden war, ist die Integrität von Röder über jeden Zweifel erhaben. Obwohl der Landrat, wie er ehrlich eingesteht, nicht weiß, wann ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zulässig und wann er als Kopplungsgeschäft verboten ist. Die Kernfrage der Ermittlungen könnte sein, ob eine solche Pauschalregelung, wie sie der Gemeinderat Alling in den Achtzigerjahren beschloss, sich inzwischen durch die Rechtsprechung überholt hat. Der Kommunalaufsicht des Landratsamts mussten und müssen solche städtebauliche Verträge nicht zur Prüfung vorgelegt werden. Laut einer Pressesprecherin hat das Landratsamts die Gemeinde Alling auch nie im Zusammenhang mit dem Abschluss von städtebaulichen Verträgen beraten. Dem Landratsamt liegen auch keine Verträge vor. Die Kommunalaufsicht des Landratsamts sehe auch keinen Anlass, in dem Fall rechtsaufsichtlich tätig zu werden, sagte die Sprecherin.

Matthias Simon ist Jurist beim Bayerischen Gemeindetag und dort als zuständiger Referent unter anderem mit dem Thema der städtebaulichen Verträge befasst. Eine sozialgerechte Bodennutzung, wie sie die Städte München und Fürstenfeldbruck praktizieren, führt er als Musterbeispiel einer zulässigen Möglichkeit an, vergünstigt Wohnraum zu schaffen. Gemeinden können in diesem Rahmen auch Regelungen zu möglichen Folgekosten treffen.

Laut den Vorgaben des Baugesetzbuches können Gegenstände eines städtebaulichen Vertrags die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen sein, "die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind". Bereichern darf sich eine Kommune an einer Baulandausweisung nicht, auch Schenkungen sind in diesem Zusammenhang nicht erlaubt. Bezieht sich der Verdacht der Bestechlichkeit auf Kommunalpolitiker, ist seit 2013 die Generalstaatsanwaltschaft zuständig, im Allinger Fall also die Generalstaatsanwaltschaft München. Deren Pressesprecher Georg Freutsmiedl verweist darauf, dass Unterlagen und Verträge aus dem Rathaus momentan ausgewertet werden.

© SZ vom 06.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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