Abfälle:Biomüll - ein begehrtes Gut

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Wer seine Küchenabfälle durch Kompostieren im eigenen Garten entsorgt, zahlt bislang weniger Müllgebühren. Der Landkreis überlegt, das zu ändern. Er möchte selbst mehr Abfälle einsammeln und verwerten

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Abfälle enthalten nicht nur Wertstoffe, aus Abfällen lässt sich auch Energie gewinnen. Dazu können in erheblichem Maße Bioabfälle beitragen, die im Landkreis Fürstenfeldbruck seit langem getrennt gesammelt werden. Das aber funktioniert nur, wenn der Landkreis deutlich mehr Biomüll als bisher einsammeln und weiterverwerten kann. Deshalb soll es künftig weniger attraktiv werden, Küchenabfälle im eigenen Garten zu entsorgen und zu kompostieren. Eine Umstellung des ganzen Erfassungssystems auf eine eigene Biotonne freilich fand politisch bislang noch keine Mehrheit.

Der Landkreis möchte zunächst versuchen, die Sammelmengen von Bioabfall "innerhalb des bestehenden Abfallsystems", wie es heißt, zu erhöhen. Damit rückt er ein Stück weit von seiner bisherigen Politik ab und muss das Verwerten von Bioabfällen im eigenen Garten unattraktiver machen. Bislang sollte die Bioabfallsammlung "die Eigenkompostierung nicht ersetzen, sondern ergänzen". So steht es auf den Internetseiten des zuständigen Abfallwirtschaftsbetriebs (AWB) des Landkreises. Und: "Die Eigenkompostierung wird durch ermäßigte Abfallgebühren belohnt." Auch die vom Bayerischen Landesamt für Umwelt vorgelegte Abfallbilanz für das Jahr 2015 berichtet davon, dass 78 Prozent der Städte und Kreise in Bayern Eigenkompostierung förderten, Zuschüsse für Komposter und Häcksler oder reduzierte Abfallgebühren anboten.

Sie sollen kommen: Bioabfalltonnen, hier aufgenommen in einem Mülltonnenlager in München (Foto: Catherina Hess)

An diesem Privileg stoßen sich nun die Brucker Kreisräte, die über die Art der Abfallbeseitigung im Landkreis befinden. Zum Jahreswechsel wird nun als erster Schritt der einmalige Zuschuss für die Anschaffung von Kompostbehältern für den Garten, der bis zu 25 Euro betragen kann, abgeschafft. Darüber hinaus wird darüber nachgedacht, Bürgern, die Kartoffelschalen, Gemüsereste, Fallobst und ähnliches auf einen Komposthaufen werden, künftig ihren Gebührenvorteil zu streichen. Wer seinen Bioabfall im eigenen Garten entsorgt, zahlt seit Jahren weniger Müllgebühren, für eine 80- oder 90-Liter-Tonne beispielsweise nur 123 statt 142 Euro im Jahr. Im Landkreis profitiert nach Angaben des AWB die Hälfte aller Müllgebührenzahler als Eigenkompostierer von den ermäßigten Gebühren. Wenn diese keinen finanziellen Vorteil mehr haben, so hofft der Landkreis, würden sie ihm künftig mehr Biomüll überlassen. Allerdings müsse das, was die Bürger selbst kompostierten, nicht vom Landkreis entsorgt werden, hält Barbara Steinmetz vom AWB entgegen.

Die Landkreisbürger würden jedoch aus hygienischen Gründen nicht alle Küchenabfälle über den Komposter, sondern auch über die Restmülltonne entsorgen, heißt es in einem vom Bifa-Umweltinstitut und der AU Consult GmbH im Juli vorgelegten Gutachten, das "Handlungsoptionen des Landkreises für eine optimale Bioabfallerfassung und -verwertung" eruiert hat. Auch seien unter den Eigenkompostierern Trittbrettfahrer, die lediglich die reduzierte Müllgebühr in Anspruch nehmen wollten. 60 Kilogramm Bioabfall pro Kopf und Jahr würden nicht über die derzeitigen Entsorgungswege erfasst, schreiben die Gutachter. Der AWB schlägt deshalb die Möglichkeit vor, Eigenkompostierer "von administrativer Seite" verstärkt zu kontrollieren. Bei der Neukalkulation der Müllgebühren für den Zeitraum 2018 bis 2021 im nächsten Jahr will der AWB auch durchrechnen, wie sich die Streichung des Gebührenvorteils auswirken würde.

Eine Biotonne als Alternative, wie sie mittlerweile auch die Landkreises Dachau, Starnberg, Landsberg und Aichach-Friedberg eingeführt haben, will der AWB aber nicht vorschlagen. "Wir haben bereits eine optimale Stoffstromlenkung", sagt AWB-Leiter Herbert Britzlmair. Das Bifa-Gutachten habe die energetisch hohe Qualität der im Landkreis Fürstenfeldbruck gesammelten Küchen- und Speiseabfälle bestätigt. Diese würden in einem hochwertigen Verwertungsprozess einer Nassvergärungsanlage zugeführt. Das sei mit Gartenabfällen, die mit Küchenabfällen zusammen in einer Biotonne landeten, nicht möglich. 70 Prozent aller Müllgebührenzahler im Landkreis müssten sich eine Biotonne anschaffen, damit eine Umstellung des Müllsystems ökologisch einigermaßen sinnvoll sei. Dadurch würden Mehrkosten zwischen 2 und 2,75 Millionen Euro entstehen.

Eine Biotonne freilich würde die Papier- oder Stärkesäcke, in denen im Landkreis der Biomüll gesammelt und dann am Straßenrand von den Entsorgern abgeholt wird, obsolet machen - darüber würde sich wohl mancher freuen, denn "die Leute sind unzufrieden mit den Abfallsäckchen", sagt Grünen-Kreisrätin Ingrid Jaschke. AWB-Chef Britzlmair indes verortet die Beschwerden über die Säcke lediglich "im Promillebereich". Er sagt: "Es gibt fast keine Beschwerden, wir haben eine hohe Bürgerzufriedenheit." CSU-Kreisrat und Abfallreferent Dieter Rubenbauer indes schlägt vor, ein kleines "Biotönnchen", wie er es nennt, zumindest für die Bereitstellung der Biosäcke zu verwenden. Viele Haushalte würden das bereits von sich aus tun, aus Sorge davor, dass Kleintiere sich an den Bioabfällen zu schaffen machten. UBV-Kreisrat Jakob Drexler plädiert für die große Biotonne: "Wir können übernehmen, was andere Landkreise uns schon jahrelang vormachen." Und dass man Bioabfall und Grüngut getrennt behandeln müsse, sei ein Gerücht, sagt Drexler: "Man kann es zusammen vergären."

© SZ vom 30.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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