Frühlingsfest der Volksmusik:Hollarihollareidulljöh!

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Florian Silbereisen ist ein Massentherapeut, der mit feschem Frohsinn Seelen heilt, und der Musikantenstadl `nur noch ein Saustall` sagen seine Fans. Ein Abend im Volksmusik-Universum.

Birgit Lutz-Temsch

Wer Strohballen und dekorierte Heuschober erwartet hat, ist enttäuscht. Aber das Frühlingsfest der Volksmusik ist nicht der Musikantenstadl. Florian Silbereisen kommt in eher dezenter Kulisse, auf der Bühne blühen Pappblumen. Vor dem jüngsten Moderator Deutschlands liegen drei Stunden harter Arbeit.

Er ist erkältet, sagt er gleich als erstes, am Nachmittag war er in München beim Arzt, und der hat ihm von seinem Auftritt abgeraten. Doch das, sagt der 25-Jährige, käme gar nicht in Frage. ,,Ich weiß doch, dass Sie alle auf mich warten'', sagt er, ,,und deshalb habe ich mir eine Spritze geben lassen, ich tue alles, damit wir hier einen schönen Abend haben können, und jetzt bin ich hier, nur für Sie!''

Nur für Sie

Nur für Sie. Dieser Satz wird noch öfter fallen. Silbereisen weiß, wie viel dieser Abend seinem Publikum bedeutet. Und er gibt seinen Gästen ein paar Stunden lang das Gefühl, dass er wirklich gekommen ist, um nur mit ihnen Spaß zu haben.

Nicht, um irgendeine Show zu machen, und auch nicht, um eine Menge Geld zu verdienen. Sondern als persönlicher Aufheiterer für jeden einzelnen Gast in der Halle. Deswegen könnten die Hochzeits-, Überraschungs-, Frühling-, Sommer-, Herbst- und Winterfeste der Volksmusik einfach Florian-Silbereisen-Feste heißen: Er ist der Star, und zu ihm strömen die Massen.

,,Der ist viel besser als alle anderen'', sagt ein Mann am Bierstand, ,,der Musikantenstadl ist nur noch ein Saustall''. Und die Sitznachbarin in der Arena spricht aus, was in allen Illustrierten steht: Dass er schon ein toller Schwiegersohn wäre, der Silbereisen, so ein fescher. Der fesche Bursch' hat einiges in petto: ,,Wir haben uns viel ausgedacht, drum nehmt Euch jetzt in Acht'', so stimmt er im cremefarbenen Anzug auf den Abend ein.

Es folgt das erste Mitmachspiel: Alle müssen aufstehen, dann werden die Tulpen aus Amsterdam besungen und Kufstein, die Perle Tirols. Spätestens beim Holarihollareidulljöh schunkelt die ganze Olympiahalle. Die Sitznachbarin ist entsetzt, sie war auch noch nie auf einem Volksmusik-Fest, ,,das ist ja wie auf einer Kaffeefahrt'', sagt sie.

Was Volksmusik ist und was nicht, darüber wird nicht erst gestritten, seit der Bayerische Rundfunk Ende des vergangenen Jahres in seiner Sendung ,,Unter unserem Himmel'' sogenannten Tradimix spielte, aufgepeppte Volksmusik. Das erregte die Gemüter derer, die sich bemühen, eine traditionelle Musik jenseits der ganzen Stadljodeleien zu bewahren.

Diese Debatte ist Silbereisen nicht fremd, denn gleich nach den ersten Stücken erklärt er, dass unter Volksmusik alle Lieder fallen ,,die wir aktiv auf Festen singen, auch wenn wir schon zwei Masserl intus haben''. Also auch der Anton aus Tirol. Diese Feinabstimmung ist dem Publikum, man merkt es, egal, Hauptsache, das Vorgetragene ist schunkelbar und kommt mit einem hörbaren Lächeln. Ein anspruchsvoller Dreigesang wäre hier langweilig.

Viel wichtiger ist, dass auf der Quetschen ein paar Discolichter blinken, wie bei der von Silbereisen. Alles andere wäre zu ernst, und gerade das Ernste, das soll heute Abend mal vergessen werden. Trachtenvereine wiederum hätten ihre Freude an dem MDR-Fernsehballett, das nun auf die Bühne stürmt, in rot-weißen Hotpants und bauchfreien Rüschenblüschen.

Die Damen klopfen sich ordentlich auf die nackigen Schenkel und auch mal auf die Popos, intonieren dazu ,,Uns zieht keiner die Lederhosen aus'' und mühen sich dabei um einen bayerischen Akzent, was nur schiefgehen kann. Trotzdem ist der Auftritt ,,optisch schon eine Auflockerung'', wie ein männlicher Sitznachbar bemerkt.

Damit die Damen im Saal bei so viel straffem Fleisch nicht böse werden, flaniert Silbereisen durch die Zuschauerreihen und verteilt Komplimente, holt schließlich den hübschesten Feger der Halle, Roswitha, auf die Bühne, wo er mit ihr ,,17 Jahr, blondes Haar'' singt. Als Dank bekommt sie ein Programmheft und ein Polaroid von ihr und Silbereisen, dazu ein Busserl - auf den Mund!

Es folgen Gitti und Erika, die natürlich Heidi schmettern. Die Wildecker Herzbuben verkleiden sich als Maria Hellwig, Mireille Mathieu, Nana Mouskouri und schließlich Tina Turner, die Frauen kreischen, als das über dem mächtigen Körper schwingende Pailettenminikleid in guter alter Männerballettmanier einen Blick auf Herzbubens Unterwäsche bietet. Gesetzter tritt Pierre Brice auf, der jetzt nicht mehr den Winnetou, sondern den Serge Gainsbourg der Volksmusik macht, und als man sich langsam Iltschi herbeiwünscht, um auf seinem Rücken davon zu galoppieren, ist Pause, extra 25 Minuten lang, wie Silbereisen sagt, wegen der langen Schlangen am Damenklo.

Karel Gotts Auftritt ist garniert von einer Video-Homestory, die den soeben Vater gewordenen Sänger mit seiner jungen Lebensgefährtin in seinem Domizil über Prag zeigt. Das muss sein, ein bisschen Privates, das macht die Stars einerseits menschlicher, andererseits noch unerreichbarer, denn ein Haus wie Gott, wer hat das schon. Mit ,,Babicka'' und ,,Biene Maja'' ist der Abend an seinem Höhepunkt angelangt.

Silbereisen sprintet im achten Bühnenoutfit ,,Viva Colonia'' singend durch die Reihen, die Leute sollen etwas haben für ihr Geld, der Moment muss gefeiert werden, ,,und der Moment ist jetzt, hier in München, nur für Sie!'' Und wie er so vorbeirennt, verschwitzt und sichtbar hart arbeitend, da will man es ihm fast glauben, dass er es wirklich alles ernst meint, der ehemalige Zivi in der Altenpflege. Dass er es wirklich will, den Leuten einfach drei schöne Stunden schenken, ein bisschen Frieden, das Leben ist schließlich hart genug.

,,Der kann's'', sagt die Sitznachbarin. Beim großen Finale reicht ihm ein Fan aus Dankbarkeit ein Geschenk, eine kleine Flasche Wein und ein Paar Socken. Bei der rituellen Autogrammstunde nach Showende drängen sich hunderte Menschen heran, Silbereisen schüttelt Hände, Gitti bemalt ein Plakat, davon werden sie jetzt zehren, einmal ganz nah an Erika. Silbereisen verschwindet als erster. Die Socken hat er mitgenommen.

© SZ vom 26.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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