Früherer SS-Mann Kam wird nicht ausgeliefert:85-Jähriger des Mordes an dänischem Journalisten beschuldigt

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Der ehemalige SS-Mann Sören Kam wird nicht nach Dänemark ausgeliefert. Der 85-Jährige wird beschuldigt, 1943 in Lyngby bei Kopenhagen mit anderen den dänischen Journalisten Carl Henrik Clemmensen erschossen zu haben.

Hans Holzhaider

Der ehemalige SS-Mann Sören Kam wird nicht nach Dänemark ausgeliefert. Der 85-Jährige wird beschuldigt, im August 1943 in Lyngby bei Kopenhagen gemeinsam mit anderen den dänischen Journalisten Carl Henrik Clemmensen erschossen zu haben. Im März 2005 hatte das dänische Justizministerium deshalb einen Europäischen Haftbefehl gegen Kam erlassen.

Das Oberlandesgericht München lehnte die Auslieferung Kams mit der Begründung ab, es gebe keine hinreichenden Beweise dafür, dass die Tat nach deutschem Recht als Mord zu bewerten sei. Als Totschlag sei das Verbrechen aber seit 1963 verjährt. Die Entscheidung des Gerichts stößt in Dänemark auf Kritik.

Unterschiedliche Angaben über den Tathergang

Gemeinsam mit zwei anderen SS-Angehörigen hatte Kam den Journalisten aus dessen Privatwohnung entführt, um ihn einem Verhör zu unterziehen. Sie warfen Clemmensen vor, einen Mitarbeiter einer deutschfreundlichen Zeitung beschimpft und bespuckt zu haben. Auf der Rückfahrt von diesem Verhör wurde Clemmensen erschossen.

Über den Tathergang machten Kam und sein Mittäter Flemming Helweg-Larsen unterschiedliche Angaben. Vor einem SS-Gericht in Berlin erklärten beide, sie wären mit Clemmensen aus ihrem Fahrzeug ausgestiegen, um ihn zu weiteren Aussagen zu zwingen. Clemmensen habe versucht, Helweg-Larsen die Pistole zu entreißen. Daraufhin hätten die beiden SS-Männer insgesamt sieben Schüsse auf Clemmensen abgegeben. Das SS-Gericht sprach Helweg-Larsen und Sören Kam frei, weil sie nach dem Grundsatz "Recht ist, was dem Volk nützt" nicht rechtswidrig gehandelt hätten.

Helweg-Larsen wurde nach dem Krieg in Dänemark zum Tod verurteilt und hingerichtet. Kam setzte sich nach Deutschland ab, wo er in Kempten Arbeit fand und 1956 die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt. Im Zuge eines Ermittlungsverfahrens der Münchner Staatsanwaltschaft wurde er zweimal vernommen.

Keine Heimtücke

Dabei gab er zunächst an, Clemmensen habe schon tot am Boden gelegen, als er auf ihn geschossen habe. Später änderte er diese Aussage und erklärte, er habe Helweg-Larsen beistehen wollen, als dieser völlig überraschend von Clemmensen angegriffen wurde. Die Ermittler stellten das Verfahren im Juli 1999 ein, weil keine Mordmerkmale nachgewiesen werden könnten.

Dieser Beurteilung schloss sich das Oberlandesgericht München jetzt an. Es hält die angebliche Notwehrsituation zwar für "nicht nachvollziehbar", sieht aber keine Beweise für sogenannte niedrige Beweggründe, die aus der Tat einen Mord machen würden. Die Tat sei nicht "länger geplant und durchdacht" worden, auch eine "dem nationalsozialistischen Gedankengut nahe Gesinnung", die im Tatgeschehen zum Ausdruck komme, sei nicht festzustellen, heißt es in dem Beschluss des ersten Strafsenats. Auch das Mordmerkmal der Heimtücke liege nicht vor. Das Motiv für die Tat bleibe letztlich im Unklaren.

© SZ vom 6.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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