"Zeit verunst & totgevotet":Whatsapp-Chat im Unterricht

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"Zeit verunst & totgevotet" ist der Titel des aktuellen "Camerett"-Programmes. Das klingt kryptisch, ist aber trotzdem lustig. (Foto: Lukas Barth)

Kunst neben dem Mülleimer, überambitionierte Eltern und Lehrer, die am Laptop verzweifeln. Das "Camerett" überzeugt wieder mit Witz und schauspielerischem Können sein Publikum

Von Clara Lipkowski, Freising

Fast zwei Stunden vollgepackt mit Witz, Ironie und herzlicher Bissigkeit - so hat sich das "Camerett", das Kabarettensemble des Camerloher-Gymnasiums, am Dienstagabend präsentiert. Unter dem kryptischen Titel "Zeit verunst & totgevotet" boten 14 Schülerinnen und drei Schüler einen unterhaltsamen und abwechslungsreichen Überblick über den Schulalltag - mit all seinen guten und negativen Seiten. Der Titel spielte auf die einstündige Veranstaltung im Monat "Zeit für uns" an, in der Schüler über ihr Befinden sprechen. Mit "totgevotet" persiflierten die Gymnasiasten die ständigen Votings, die sie im Internet zu Schulfragen machen müssen.

Die Jugendlichen aus Klassen des neunten bis zwölften Jahrgangs schlüpften, unter Anleitung der Lehrerin Barbara Wohletz, am Abend in die Rollen der Lehrer, Eltern oder Schüler und zeigten ihr schauspielerisches Können. Sie boten Tanz- und Gesangseinlagen, nachgespielte Unterrichtsszenen und selbst gedrehte Videos. Seit mittlerweile 51 Jahren gibt es die Tradition des "Camerett" an diesem Freisinger Gymnasium. Damit ist das Schülerkabarett wahrscheinlich eines der ältesten in Deutschland.

Am Dienstagabend hatten die Schüler das tiefschwarze Kellertheater in helles Licht getaucht. Sie griffen zahlreiche komische Situationen auf, sei es eine Diskussion darüber, was als Kunst gelten könne (ein zerknülltes Stück Papier, das den Müllkorb verfehlt hatte), ein misslungenes Referat ("Ja, sorry, das weiß ich jetzt auch nicht, das stand nicht im Internet") oder überambitionierte Eltern beim berühmt-berüchtigten Elternsprechtag ("Eine Eins Minus? Da ist die Zwei nicht mehr weit!"). Im amüsierten Publikum waren vor allem andere Schüler, Eltern, Geschwister, Freunde und einige Lehrer, die auch laut über sich selbst lachen konnten. Schon nach dem Begrüßungslied der ganz in schwarz gekleideten Schüler und dem ersten Sketch über Kunst im Schulunterricht hatten die Schauspieler die etwa 120 Zuschauer erobert, kannten doch die Anwesenden Freud und Leid aus eigener Erfahrung. Ein anderer Sketch zeigte die Analyse eines Dramas im Unterricht. Statt einen klassischen Dialog zu interpretieren, erörterten drei Kursteilnehmerinnen unter großem Gelächter lieber den Whatsapp-Chat einer Schülerin "mit Tim von letztem Wochenende."

Abgesehen von viel Selbstironie, teilten die jungen Kabarettisten aber auch aus. Sie übten Kritik an Lehrern, für deren nicht gerade professionellen Umgang mit modernen Medien, beispielsweise mit Schülerlaptops im Unterricht. Dafür stellten die Schauspieler einen Workshop "Medienkurs" nach, in dem sich Lehrer gegenseitig Computer und Beamer erklären, aber bald verzweifelt aufgeben, weil sie feststellen, dass die Schüler besser darüber Bescheid wissen, als sie selbst.

In einem Youtube-Tutorial präsentierte eine Schülerin "Lifehacks" für den Schulalltag, beispielsweise wie man das Smartphone oder die Brotzeit für den Unterricht in einem Buch verstecken kann. Musikalisch untermalte ein Absolvent des Camerloher-Gymnasiums den Abend, er sorgte für Zwischeneinlagen am Klavier und dafür, dass die Besucher mit einer heiteren Melodie im Kopf das Theater verließen.

Nach dem gelungenen Auftakt der diesjährigen Camerett-Inszenierung spielen die Schülerinnen und Schüler noch einmal an diesem Donnerstag, 16. Juni, um 19.30 Uhr, im Kellertheater des Camerloher-Gymnasiums an der Wippenhauser Straße und zeigen, dass das eigentlich musisch ausgerichtete Gymnasium auch einige Schauspieler hervorgebracht hat.

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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