Wissenschaftler in Sorge:Raus aus den Laboren

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Auch der Freisinger Forstwissenschaftler Joachim Hamberger beteiligt sich an diesem Samstag in München am "March for Science" in München. (Foto: Marco Einfeldt)

Joachim Hamberger beteiligt sich am "March for Science"

Von Clara Lipkowski, Freising

Joachim Hamberger, 54, ist wie viele seiner Kollegen aus Forschung und Wissenschaft weltweit besorgt. Sie fürchten um die Freiheit der Forschung, weil im "postfaktischen Zeitalter" wissenschaftliche Erkenntnisse immer öfter abgelehnt und stattdessen "alternative Fakten" verwendet würden. Deswegen schließt sich der Lehrbeauftragte für Forst- und Umweltgeschichte in Weihenstephan an diesem Samstag in München dem weltweiten "March for Science" an.

Herr Hamberger, warum gehen Wissenschaftler plötzlich auf die Straße?

Hamberger: Der Kernpunkt sind die Entwicklungen, seit Trump im Amt ist. Die US-amerikanische Wissenschaftsszene ist extrem verunsichert. Trump will Geld für die Klimaforschung kürzen. Oder Viktor Orbán in Ungarn. Er will der "Central European University" die Rechtsgrundlage entziehen, weil sie ihm zu liberal ist.

Warum ist es populär, wissenschaftliche Erkenntnisse infrage zu stelle n?

Der Mensch, ich und Sie vermutlich auch, sehnt sich nach einfachen Lösungen. In der heutigen Wissensgesellschaft ist vieles komplexer geworden, unverständlicher. Da kann man in sozialen Medien unter Gleichgesinnten kommunizieren, Klimawandelskeptiker etwa, so schaffen sich viele ihre eigene Wirklichkeit, das kann die Weltsicht sehr verengen. Dann sind "die anderen" schnell Lügenpresse oder liefern Fake News. Da sind Emotionen im Spiel. In der Wissenschaft arbeiten wir ohne Emotionen, sondern mit Fakten. Aber die sind eben selten "sexy".

Sie sagen, vielen Menschen werde Wissenschaft zu kompliziert. Warum?

Beispiel Klimawandel: Er ist abstrakt. Leute nehmen das Wetter im Alltag wahr, aber nicht, dass die Durchschnittstemperaturen jährlich steigen, sich Meeresströmungen ändern, die Polkappen schmelzen. Für diesen Wandel gibt es keine einfache Lösung. Sagt man: Du solltest weniger fliegen, weil das Auswirkungen auf das Leben in 50 Jahren hat, trifft man auf Unverständnis, es ist zu weit weg.

Nehmen auch Sie als Forscher weniger Akzeptanz wahr?

Zum Glück bisher nicht. Aber es gibt auch hierzulande Leute, die über Jahre erarbeitete wissenschaftliche Erkenntnisse leugnen, Stichwort AfD. Aber die Wissenschaft hat auch ein Problem von innen heraus: Ihre Arbeit ist für viele Menschen unverständlich und es gibt wenige Forscher, die daran etwas ändern.

Was müssen Forscher konkret tun?

Ich habe mal einen Professor gebeten, seine Erkenntnisse in verständlicher Sprache in einem Artikel runter zu brechen. Da hat er gemeint, das mache er nicht, er werde nach Aufsätzen in Fachjournalen bewertet und bezahlt. Das ist das Problem: Die Forscher stehen unter enormem wissenschaftlichen Druck, da lohnt es sich für sie nicht, außerhalb des Fachs aktiv zu werden.

Aber es gibt bereits Sendungen wie Quarks & Co.

Was auch sehr gut ist. Da müssen Forscher aber noch viel mehr tun. Fragen Sie mal in Freising auf der Straße, wie viele Wissenschaftler die Leute kennen. Da kennen die meisten eher Sportler, Politiker. Forscher müssen wieder gesellschaftliche Vorbilder werden.

© SZ vom 22.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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