Wanderung hat begonnen:Huckepack über die Fahrbahn

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Frühlingszeit ist Laichzeit. Für die Kröten ist das eine gefährliche Reise, die beim Überqueren von Straßen leicht tödlich enden kann. (Foto: Marco Einfeldt)

Wenn der Frühling naht, machen sich Kröten und Frösche auf den Weg zu ihren Laichplätzen. Das Queren von Straßen ist dabei für die langsamen Tiere lebensgefährlich. Zäune, Kübel und Tunnel sollen sie schützen

Von Clara Lipkowski, Freising

Sie sind klein, oft warzig und grün und wandern wieder über Freisings Straßen. Kröten, Molche und Frösche sind unterwegs, die Gewässer im Landkreis zum Laichen aufzusuchen - denn Frühlingszeit heißt Laichzeit. Oft ist das eine gefährliche Reise, die tödlich enden kann, wenn die Amphibien Straßen überqueren müssen, auf denen Autos fahren. Verschiedene Schutzeinrichtungen sollen ihnen deshalb beim Queren helfen.

"Ein paar tote Tiere wurden schon gesichtet", sagt Jörg Steiner, Sachgebietsleiter der Unteren Naturschutzbehörde Freising (UNB). Das Problem ist: Mitunter benötigen die Tiere bis zu einer Dreiviertelstunde für das Überqueren der Straße. "Amphibien sind wechselwarme Tiere", erklärt Wolfgang Willner vom Bund Naturschutz in Freising, "sie sind von der Außentemperatur abhängig. Wenn es noch kalt ist, sind sie steif und unbeweglich, da kann es schon dauern, bis sie erst einmal drüber sind."

Eine lange Zeit, wenn sich ein Auto nähert. Zudem ist es meist dunkel, da die Tiere in der Dämmerung losziehen, um die Gefahr, von Feinden gefressen zu werden, zu minimieren. Hunderte, manchmal Tausende der wenige Zentimeter großen Tiere könnten in wenigen Tagen beschließen, laichen zu gehen, berichtet Willner. "Wenn es Plusgrade gibt und dann auch noch geregnet hat, entschließen sich manchmal ganze Massen von Erdkröten, Grasfröschen und auch Molchen dazu", sagt Willner. Das Fatale ist, dass die Tiere sogar durch in der Nähe vorbeifahrende Autos gefährdet sind. Fahren die Wagen mit 50 Stundenkilometern vorbei, erzeugt das einen enormen Luftdruck - und die Tiere platzen. "Besonders Erdkröten sind da sehr empfindlich", sagt Willner.

Schon vor Jahren wurden zum Schutz der Kriechtiere entlang einiger Freisinger Straßen Kunststoffwände aufgestellt, die die Tiere davon abhalten, weiter zu laufen. Stattdessen können die Tiere in bereit gestellte und in die Erde gegrabene Kübel krabbeln, wie zum Beispiel vor Kammerberg an der FS 3. "Die werden dann von der Naturschutzwacht zweimal am Tag geleert", sagt Jörg Steiner von der UNB. Einmal über die Straße getragen, können die Tiere ihren Weg sicher fortsetzen. "An der Kreisstraße FS 13 zwischen Oberhummel und Gaden auf Höhe des Isarauwaldes gibt es seit einigen Jahren eine Tunnelanlage", berichtet Willner. Parallel zur Fahrbahn stehen Zäune mit Kunststoffplanen, gegen die die Amphibien laufen. Kriechen die Tiere entlang des Zauns weiter, gelangen sie statt zu einem Kübel zu einem Trichter, über den sie in einen Tunnel einsteigen können. So kommen sie unterirdisch auf die andere Straßenseite. "Die Zäune sind mobil", erklärt Steiner, denn die Gegend sei gleichzeitig Hochwassergebiet. "Sie müssen schnell abbaubar sein, damit im Fall der Fälle das Wasser fließen kann." Ein dritter Zaun bei Weißling sei nicht wieder aufgebaut worden, weil er sich dort wegen zu weniger Kröten nicht bewährt hatte, sagt Steiner.

"Die Amphibien laichen vor allem in stehenden Gewässern", sagt Forstbetriebsleiter Alfred Fuchs von den Bayerischen Staatsforsten, "in Teichen, Mulden und Feuchtgewässern in den Freisinger Wäldern etwa". Außerdem laichten sie in Stillwasserabschnitten von Flüssen, sagt Willner. Um dorthin zu kommen, macht es sich das Krötenmännchen gerne bequem. Huckepack auf dem Rücken seiner Auserwählten lässt er sich zum Laichplatz tragen. Sichtet ein Autofahrer eine Kröte auf der Fahrbahn, lautet die Devise allerdings: "Runter vom Gas, aber nicht ausweichen." Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat warnt nämlich vor riskanten Ausweichmanövern, mit denen ein Fahrer in den Gegenverkehr geraten könnte. Zudem helfe es, von Tempo 50 auf 30 zu reduzieren. Das erhöhe die Überlebenschance der Tiere. Oft seien Schilder mit der Aufschrift "Krötenwanderung" aufgestellt, dann sollten Fahrer die Geschwindigkeitsbegrenzung unbedingt einhalten und aufmerksam fahren, mahnt Willner.

Die Laichzeit endet meist im April. Dann kommt es seltener zu massenhaften Rückwanderungen, weil sich die Tiere nach und nach wieder in die heimatlichen Gefilde begeben. Hin und wieder änderten sich auch die Wege, sagte Wolfgang Willner. Bebauung etwa verschöbe die Routen und teile ganze Lebensräume.

Wie viele Kröten, Frösche und Molche sich auf die Wanderung begeben, lässt sich nur schätzen. "Wenn sie selbst durch den Tunnel bei Oberhummel krabbeln, können wir sie nicht zählen", sagt Jörg Steiner von der UNB. Frühere Zählungen hätten aber ergeben, dass es bei Kammerberg gut tausend waren und bei Oberhummel "ein bisschen mehr".

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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