Vogelschutzgebiet ´Nördliches Erdinger Moos:Es war die Lerche

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Am 31. Verhandlungstag des Startbahnprozesses entzündet sich abermals an Fragen des Vogelschutzes Streit. Naturschützer werfen dem Land Nachlässigkeit vor, das Gericht verlangt von der Behörde eine Stellungnahme

Von Johann Kirchberger

Die Feldlerche beschäftigt die Experten im Münchner Startbahnprozess. (Foto: Andreas Neuthe/dpa)

Der Naturschutz, speziell der Schutz der Vogelwelt im Erdinger Moos, wird vom achten Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) sehr ernst genommen. Seit Wochen wird darüber gestritten, ob die Aufnahme des Artenbestands ordentlich durchgeführt und die im Planfeststellungsbeschluss für den Bau einer dritten Startbahn geplanten Maßnahmen den strengen europäischen Vogelschutzgesetzen entsprechen. Das mag wohl auch daran liegen, dass beide Seiten für diese Frage hochkarätige Experten aufgeboten haben.

Vergangene Woche nun gelang es den Vertretern des Bund Naturschutz (BN), Freistaat und Flughafen GmbH ernsthaft in Verlegenheit zu bringen. Basierend auf einem Gesetz aus dem Jahr 2007 fragte der BN, was denn der Freistaat seither für die Erhaltung und den Schutz des Vogelschutzgebiets "Nördliches Erdinger Moos" getan habe, welche Verbote und Gebote erlassen worden seien. Christian Magerl, Landtagsabgeordneter der Grünen und BN-Kreisvorsitzender, gab schon einmal die Antwort. Nichts sei getan worden, der Freistaat sei seiner Aufgabe nicht nachgekommen. Für Magerl ein klarer Rechtsverstoß. Auch der Vorsitzende Erwin Allesch fand diesen Punkt bedeutend, zog sich mit seinem Senat eine Stunde zur Beratung zurück und gab der Oberen Naturschutzbehörde im Umweltministerium die Aufgabe mit auf den Weg, sich bis zum 5. November zu erklären. Dieser Erklärung sehe er mit großer Spannung entgegen, sagte Magerl.

Am Dienstag, dem 31. Verhandlungstag, ging es vor allem um die so genannten Kohärenzmaßnahmen, Ausgleichsmaßnahmen für die Vögel also, die durch den Bau der dritten Startbahn ihren Lebensraum verlieren würden. BN-Gutachter Matthias Schreiber stellte dabei die Feldlerche in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Eine Vogelart, die eine zentrale Rolle spiele. Für die Feldlerche gebe es nämlich in Bayern nur ein einziges Schutzgebiet, und das sei das "Nördliche Erdinger Moos". Von rund 500 Brutplätzen hier würden durch die dritte Startbahn etwa 100 zerstört. Die im Planfeststellungsbeschluss aufgelisteten Kohärenzmaßnahmen nannte Schreiber in Teilbereichen völlig ungeeignet. So sei etwa direkt neben der Autobahn ein Ersatzgebiet ausgewiesen, obwohl die Feldlerche nicht nur lärmempfindlich sei, sondern auch empfindlich auf Lichtreize reagiere. In diesem Zusammenhang kritisierte Schreiber erneut das Fehlen eines Managementplans.

In der Folge wurden Meinungen darüber ausgetauscht, welche Bedeutung die Flughafenwiesen für die Feldlerche hätten, ob dieser Vogel mehr auf Lärm oder auf optische Reize reagiere, ob der Verlust von Revieren überhaupt ausgeglichen werden könne und ob die 54 Hektar für Kohärenzsicherungsmaßnahmen in geeigneten oder ungeeigneten Gebieten liegen. Landesanwalt Anton Meyer wies dabei mit Entschiedenheit die in den Raum gestellten Vorwürfe zurück, hier sei ungeprüftes Material übernommen worden. Alles sei im Detail fachlich und genau geprüft worden, sagte er. Rechtsanwalt Geiger warf BN-Anwalt Ulli Kaltenegger vor, "polemisch und unsachlich" zu argumentieren, die Vorwürfe seien "mit der Realität nicht vereinbar".

Behandelt wurden auch grundsätzliche Probleme der Kohärenzmaßnahmen. Wiesenbrüter nämlich bräuchten möglichst freie Flächen, zahlreiche andere Vogelarten seien auf Büsche und Bäume angewiesen, hieß es. Durch die Rodung von Gehölzen in den Schutzgebieten würden ganze Lebensstätten zerstört, sagte Schreiber, er sah darin einen Verstoß gegen die Verbotsbestimmungen in den Vogelschutzrichtlinien, "ein klares Defizit". Dazu passe auch, dass etwa im Freisinger Moos Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen seien, obwohl dort überhaupt keine Bestandserfassung vorgenommen worden sei.

Auch der stark gefährdete Wachtelkönig war wieder einmal Gegenstand des Verfahrens. In der "Lüsse", einem feuchten Gebiet oberhalb des Kopfs der geplanten Startbahn, seien sechs Brutpaare registriert, sagte der Freisinger BN-Geschäftsführer Manfred Drobny. Dieses Gebiet jedoch werde durch Startbahn und Straßen überbaut. Regierungsvertreter indes sprachen in der nördlichen Lüsse sogar von Verbesserungen für den Wachtelkönig. Es sei nämlich geplant, alte Drainagen, mit denen das Moos einst trockengelegt werden sollte, zu beseitigen.

© SZ vom 23.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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