Wesensveränderung:"Mit Alkohol wird er zum Tier"

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Im Alkoholrausch schlägt ein 22-Jähriger immer wieder zu. (Foto: dpa)

Ein ausgerissener Ohrring, Prellungen im Gesicht und am Hinterkopf: Damit hatte das Opfer laut dem zuständigen Richter am Freisinger Amtsgericht noch "Riesenglück". Denn Alkohol macht den 22-jährigen Täter unberechenbar.

Von Alexander Kappen, Freising

Dass der junge Mann trotz seiner erst 22 Lebensjahre schon so einiges auf dem Kerbholz haben muss, ist nicht zu übersehen. Mit Fußfesseln bringen ihn Polizeibeamte in den Sitzungssaal 1 des Freisinger Amtsgerichts. Sie haben ihn aus der Justizvollzugsanstalt in Ebrach hergebracht, wo er aufgrund einer früheren Verurteilung eine Strafe von drei Jahren und vier Monaten verbüßen muss. Aber dabei bleibt es nicht.

Am Ende dieser Schöffensitzung gibt es acht Monate oben drauf, weil der Echinger im Oktober 2013 mit zwei Freunden in der S-Bahn einen Mann zusammengeschlagen und danach einen Polizisten beleidigt hat. Das Gericht unter Vorsitz von Boris Schätz verurteilt den geständigen Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung auf Grundlage einer Verständigung und unter Einbeziehung der bereits angetretenen Haftstrafe zu insgesamt vier Jahren und zwei Monaten Gefängnis.

Hätte das Opfer ein falscher Tritt erwischt, wäre es übel ausgegangen

Damit bleibt das Gericht unter der in der Verständigung zugesicherten Höchststrafe von vier Jahren und vier Monaten, welche die Staatsanwältin für "angemessen und erforderlich" hält. Der Verteidiger hat vier Jahre beantragt. Bei der Schlägerei im Oktober 2013 erlitt das Opfer Platzwunden, Prellungen im Gesicht, am Hinterkopf und am Handgelenk sowie Schürfwunden. Zudem wurde dem Mann bei der Auseinandersetzung ein Ohrring ausgerissen. Dass ihm nicht noch mehr passiert ist, sei "ein Riesenglück", betont der vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung: "Wenn das Opfer ein falscher Tritt erwischt hätte, säßen wir heute nicht nur wegen gefährlicher Körperverletzung hier."

Die Tat ereignete sich nach einem ausgiebigen Wiesnbesuch in München. Nachdem er am Hinweg zwei bis drei Bier und auf dem Oktoberfest weitere vier bis fünf Maß getrunken hatte, beleidigte der damals 20-jährige Angeklagte auf der Heimfahrt das Opfer wegen eines Tattoos auf dessen Hals unter anderem als "Knasti". Der Angesprochen habe zunächst "eigentlich ganz gut reagiert, er ist einfach nicht auf die Beleidigungen eingegangen", erzählt der Echinger dem Gericht. Doch als er schon gar nicht mehr mit einer Reaktion rechnete, kam das Opfer auf ihn zu und schlug ihm ins Gesicht. Daraufhin stürzten sich der Angeklagte und seine beiden Begleiter auf den Mann und bearbeiteten ihn mit Händen und Füßen. Als das Opfer sich an der Haltestelle Lohhof auf den Bahnhof flüchtete, verfolgte ihn der Angeklagte und stieß ihn gehen einen Fahrplanschaukasten. Die beiden gingen zu Boden. Danach trat einer der beiden anderen Täter, der in einem separaten Verfahren bereits verurteilt worden ist, dem Opfer wohl noch mal gegen den Kopf.

"Eigentlich ist er ein ganz netter Mensch"

Der 22-jährige Echinger zeigt sich in der Verhandlung sehr ruhig und vernünftig. Ihm sei "sehr peinlich, dass mir wieder so ein Unfug passiert ist, leider ist der Geschädigte nicht hier, sonst würde ich mich persönlich bei ihm entschuldigen". Auch bei früheren Verhandlungen habe er den Angeklagten als "sehr vernünftig" wahrgenommen, sagt der Richter. Allerdings werde er unter Alkoholeinfluss wohl zu einem anderen Menschen. Das bestätigt auch die Aussage eines Bekannten, die in der Verhandlung verlesen wird. Demnach ist der 22-Jährige "eigentlich ein ganz netter Mensch, aber mit Alkohol wird er zum Tier". Das hat sich schon in der Vergangenheit gezeigt, als der Echinger unter anderem zu mehreren Jugendhaft- und Bewährungsstrafen verurteilt worden ist. Immer wieder hat er Leute unter Alkoholeinfluss brutal geschlagen sowie Polizisten wüst beschimpft, getreten und gebissen. Zu seinem Repertoire zählten aber auch Urkundenfälschung und das unerlaubte Tragen einer Schusswaffe.

"Zum Schutz der Allgemeinheit und zu Ihren eigenen Gunsten hoffe ich, dass sich in der Haft jetzt etwas ändert", sagt der Richter bei der Urteilsverkündung zum Angeklagten. Der bekräftigt seinen Willen, sich zu ändern. Ein Anfang ist offenbar gemacht. Er hat jetzt eine Verlobte, die ihn regelmäßig im Gefängnis besucht und macht in der Haft eine Ausbildung zum Maurer.

© SZ vom 23.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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