Viele geben ihr Engagement auf:Frust bei Flüchtlingshelfern

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Beim Gipfel der Helferkreise in Oberbayern kritisieren Teilnehmer die Zusammenlegung der Asylsozial- mit der Migrationsberatung. Auch Ehrenamtliche aus dem Landkreis klagen über erheblichen Personalmangel

Von Gudrun Regelein, Landkreis

Die Frustration unter den ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern ist groß. So groß, dass inzwischen viele ihr Engagement aufgegeben haben. Den Helfern fehlten Erfolgserlebnisse, hieß es beim 5. Asylgipfel der Helferkreise in Oberbayern, zu dem am vergangenen Wochenende etwa 200 Teilnehmer nach München kamen. Der Hauptgrund aufzuhören, sei die bayerische Politik. Erwin Girbinger, der sich seit vielen Jahren im Moosburger Helferkreis engagiert, war zwar nicht beim Asylgipfel dabei. "Aber das trifft alles zu", sagt er.

Die Zusammenlegung der Asylsozial- und Migrationsberatung seit dem 1. Januar und die Berechnung der Stellen nach dem Ausländeranteil führe gerade auf dem Land zu einem drastischen Abbau von Stellen in der Asylsozialberatung, lautete ein Kritikpunkt bei dem Treffen. In manchen Landkreisen falle die Hälfte der Stellen weg. Die ehrenamtlichen Helfer wollten und könnten diese Lücke nicht auffüllen. In Unterkünften mit weniger als 50 Flüchtlingen seien keine Asylsozialberater mehr tätig, schildert Erwin Girbinger. Ein sogenanntes "aufsuchendes" Angebot gebe es dort nun nicht mehr. "Das müssen wir Ehrenamtlichen auffangen", sagt er.

Die Situation der meisten Flüchtlinge sei sehr schwierig. Viele der Asylsuchenden hätten auch nach Monaten noch keinen Bescheid. In Moosburg gebe es einen Flüchtling, der nun seit fünf Jahren darauf warte, berichtet Girbinger. "Der ist zum Nichtstun verdammt. Er sitzt mit anderen Männern eingepfercht in einem Zimmer, darf nicht arbeiten, hat kaum Kontakt zur Außenwelt", meint er. "Das führt natürlich zu totalem Frust - und der geht irgendwann auf die Helfer über." Erwin Girbinger ist Rentner, früher engagierte er sich täglich acht bis zehn Stunden im Helferkreis, heute nur noch ein bis zwei. Natürlich wolle man helfen und sich für die integrationswilligen Flüchtlinge einsetzen, sagt er. Aber diese Hilfe bedeute "unwahrscheinlich viel Arbeit" für die Ehrenamtlichen. Und das bringe sie an ihre Grenzen. Auch im Moosburger Unterstützerkreis sei die Zahl der Helfer beträchtlich zurückgegangen.

In der Gemeinde Marzling ist das ähnlich: "Wir sind am Limit, viele sind schon abgesprungen", sagt Regina Höfl vom Helferkreis Asyl. Fünf bis sechs Helfer gibt es dort noch, sie kümmern sich um die gut 50 Asylbewerber in der Gemeinde. "Zu Beginn waren wir doppelt so viele", erinnert sich Höfl. Fast alle Flüchtlinge haben auch hier keine Beschäftigung. "Sie sitzen den ganzen Tag nur im Haus." Sie zu motivieren, werde immer schwieriger. "Das alles belastet auch uns grenzwertig." Zu Beginn sei die Hilfe noch relativ einfach gewesen - da ging es zum Beispiel um Deutschkurse. Inzwischen seien die Themen wesentlich komplexer: Abschiebung, Arbeit, eine eigene Wohnung oder eine Familienzusammenführung, zählt die Helferin Höfl auf. "Wir wollen helfen, aber wir haben unsere Grenzen."

Die Grundstimmung unter den Ehrenamtlichen im Landkreis sei grundsätzlich gut, es bestehe ein vertrauensvolles und gutes Verhältnis zum Landratsamt, sagt der Sprecher des Landratsamts, Robert Stangl. Dort haben die Helfer mit einer Integrationslotsin auch eine Ansprechpartnerin.

Als zwischen 2015 und 2016 die meisten Flüchtlinge kamen, formierten sich im gesamten Landkreis Unterstützerkreise mit damals etwa 400 Ehrenamtlichen, sagt Stangl. "Wie viele heute noch tatsächlich noch aktiv sind, ist schwer einzuschätzen, viele sind auch im Hintergrund aktiv." Seit 1. Januar ist die neue Beratungs- und Integrationsrichtlinie (BIR) in Kraft. Seitdem leisten überwiegend die Wohlfahrtsverbände die Asylsozial- und Migrationsberatung. "Natürlich gibt es der Regelung gegenüber eine gewisse Erwartungshaltung, auch unter den Ehrenamtlichen", sagt Stangl.

Grundsätzlich mache eine Zusammenlegung zwar Sinn, sagt Beate Drobniak. Sie ist Leiterin der Diakonie Freising. "Aber seitdem ist der Betreuungsschlüssel, der früher 1:150 betrug, auf gefühlt 1:700 gestiegen", sagt sie. Denn die Zahl der Berater sei nicht erhöht worden. Daher verstehe sie den Frust der ehrenamtlichen Helfer. Eine aufsuchende Arbeit gebe es nun - außer bei speziellen Konflikten - in den kleineren Unterkünften nicht mehr: "Das ist nicht wirklich optimal", sagt Drobniak. Berater und Flüchtlinge könnten sich nicht kennenlernen. Einige Flüchtlinge aber scheuten den Weg in die Beratungsstelle. "Die Probleme landen also wieder vermehrt bei den Helfern vor Ort auf dem Tisch."

© SZ vom 26.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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