"Verzweiflungstat" oder PR-Gag?:Die Kritik an Merkel eint

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Die Freien Wähler im Landkreis zeigen Verständnis für die Busfahrt von Landshuts Landrat Dreier mit Flüchtlingen nach Berlin. Auch CSU-Landtagsabgeordneter Herrmann sieht eine Überlastung der Kommunen

Von Petra Schnirch, Freising

Für seine Busfahrt mit Flüchtlingen nach Berlin muss der Landshuter Landrat Peter Dreier (FW) Kritik einstecken. Führende Vertreter der Freien Wähler im Landkreis zeigen aber Verständnis für die Aktion. Er sehe darin ein "Zeichen der Ohnmacht und Überlastung" sowie eine Mahnung, sagt Landtagsabgeordneter Benno Zierer. Und Rainer Schneider, Vorsitzender der FW-Kreistagsfraktion, vermutet eine "Verzweiflungstat". Kreise und Kommunen fühlten sich allein gelassen, monieren die beiden Politiker. Für den CSU-Landtagsabgeordneten Florian Herrmann ist Dreiers Bus-Tour dagegen vor allem ein PR-Gag. "Sie sind alle wieder da - man sieht doch, wie viel das gebracht hat."

Der Landshuter Landrat war am Donnerstag mit 31 anerkannten Asylbewerbern in die Bundeshauptstadt gefahren, um auf die Probleme bei deren Unterbringung hinzuweisen. Viele können aus den Gemeinschaftsunterkünften nicht ausziehen, weil sie keine Wohnung finden. Auch im Landkreis Freising gibt es 68 sogenannte Fehlbeleger - sie blockieren Plätze, die dringend für neu ankommende Flüchtlinge benötigt würden. 1972 Asylbewerber leben derzeit im Landkreis Freising. Sobald sie anerkannt werden, sind die Kommunen für sie zuständig.

Bund und Länder müssten dringend - zumindest vorübergehend - Erleichterungen im Baurecht auf den Weg bringen, fordert Zierer, um schnell neuen Wohnraum schaffen zu können. "Wenn wir noch länger planen und uns unterhalten, steht die AfD da" und verspreche den Menschen, das Problem zu lösen. Diese Blöße dürften sich die demokratischen Parteien nicht geben.

Ein Signal in Richtung München und Berlin hält Rainer Schneider für durchaus angebracht - auch wenn er einräumt, dass er die Busfahrt an Dreiers Stelle wohl nicht gemacht hätte. Was seiner Einschätzung nach mehr Wirkung zeigen könnte, wäre ein gemeinsamer Protest der Landräte bei der Staats- und der Bezirksregierung - mit der Weigerung, weitere Asylbewerber aufzunehmen, da die Kapazitätsgrenzen erreicht seien. Sollte es dann zu Zwangszuweisungen kommen, könnten die Landkreise klagen. Das sei eine drastische Maßnahme, sagt Schneider. Doch die Bundesregierung verstoße mit ihrer Flüchtlingspolitik massiv gegen EU-Asylrecht - eigentlich müssten Flüchtlinge in das EU-Land zurückgeschickt werden, über das sie eingereist sind.

Bisher hätten die Landräte die Herausforderung, die Asylbewerber unterzubringen, "wirklich toll" gemeistert, sagt Florian Herrmann. "Das Problem der Überlastung der Behörden, der Kommunen, der Ehrenamtlichen und der Gesellschaft insgesamt" sei aber allen bekannt. In seiner Kritik an der Kanzlerin stimmt er mit Schneider überein. Noch einmal ein Jahr mit mehr als einer Million Flüchtlinge könne man nicht stemmen. "Wir wollen nicht dauerhaft Turnhallen belegen", so Herrmann.

Ein sinnvoller Schritt, um den Wohnungsmarkt in den Ballungsräumen zu entlasten, ist für ihn eine striktere Residenzpflicht. Was den sozialen Wohnungsbau angeht, verweist Herrmann auf das Asylpaket in Höhe von 500 Millionen Euro, das der Landtag verabschiedet habe. Auch für die Schaffung neuen Wohnraums werde da Geld bereitgestellt. Es dürften aber keine eigenen Viertel entstehen, in denen nur Flüchtlinge leben, warnt er.

Handeln müsse man aber weit vor den deutschen Grenzen, auch in diesem Punkt sind sich Schneider und Herrmann einig. Der CSU-Politiker fordert, wieder "Recht und Gesetz anzuwenden", die Menschen an den EU-Außengrenzen zu kontrollieren und Flüchtlinge über Quoten zu verteilen. "Das wäre der Weg."

Kreisrat Rainer Schneider kritisiert, dass man viel früher hätte reagieren müssen und den Menschen, die in Flüchtlingslagern beispielsweise in der Türkei leben, längst hätte helfen müssen. Wenn es in diesen Camps nichts mehr zu essen und zu trinken gebe, "würde ich auch gehen".

© SZ vom 16.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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