Vernetzungsplattform im Aufbau:Brücken bauen

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Nathalie von Pressentin ist die erste Integrationsbeauftragte des Landkreises. Sie kümmert sich um Menschen mit Migrationshintergrund, die sich auch nach längerer Zeit in Deutschland noch ausgeschlossen fühlen

Von Clara Lipkowski, Freising

Im Landkreis Freising ist auf die Verwaltung Verlass. Für nahezu jedes Problem gibt es einen passenden Beauftragten. Eine Gleichstellungsbeauftragte hat das Landratsamt schon längst, genauso einen Behindertenbeauftragten, zwei Energiebeauftragte, einen Datenschutzbeauftragten und jetzt, ganz neu und zum ersten Mal: eine Integrationsbeauftragte. Nathalie von Pressentin vertritt den Landkreis seit dem 17. Februar in Fragen integrationswilliger oder weniger williger Menschen mit Migrationshintergrund.

Als solche ist sie zuerst einmal für die Vernetzung bestehender Integrationsangebote zuständig. Das Projekt, für das sie in den kommenden fünf Jahren arbeitet, heißt: "Vernetzungsplattform für die Integration von Migranten". "Es gibt schon so viele Angebote im Landkreis", sagt die 29-Jährige, "jetzt geht es darum, zu vermeiden, dass ständig neue Räder erfunden werden." Heißt im Klartext: Sucht ein Migrant Anschluss, etwa in einem Verein oder einer Gruppe, soll er leichter Angebote finden können. Gleichzeitig sollen die Initiativen, also etwa die Volkshochschulen, Sportvereine oder Musikgruppen oder Helferkreise besser übereinander Bescheid wissen und Interessierte vermitteln.

Um Flüchtlinge speziell kümmert sie sich nicht. "Meine Zielgruppe sind alle Menschen mit Migrationshintergrund", erklärt von Pressentin. "Eine Unterzielgruppe davon sind anerkannte Flüchtlinge". Asylbewerber hingegen fallen nicht darunter. Die meisten Migranten im Landkreis kämen aus der Türkei, Rumänien, Ungarn, Polen und Kroatien. Mehr um sie ginge es in dem Projekt, genauso aber auch um Studenten aus dem Ausland.

"Es gibt genügend Menschen, die komplett integriert sind", sagt Nathalie von Pressentin, "ich will aber an die Personen herankommen, die Dinge in Deutschland noch nicht verstehen oder sich nach längerer Zeit immer noch ausgeschlossen oder abgelehnt fühlen." Sie habe eine Tendenz wahrgenommen, dass Menschen mit Migrationshintergrund in der öffentlichen Wahrnehmung "vernachlässigt" wurden, seit die Thematik der Flüchtlinge so allgegenwärtig sei. Nun will sie sich dafür stark machen, Parallelgesellschaften zu verhindern. Dafür müssten beide Seiten an Integration arbeiten. Migranten sollten "Offenheit, Lernbereitschaft und Mut" mitbringen, findet Nathalie von Pressentin, vom Amt hingegen müsse ein gutes Vernetzungsangebot kommen.

Zur aktuellen Diskussion, ob das Landratsamt besonders rigide im Umgang mit Arbeitserlaubnissen von Menschen mit geringer Bleibeperspektive ist, will sie sich nach knapp vier Woche Einarbeitungszeit nicht äußern. Zudem seien die Betroffenen nicht ihre Zielgruppe.

Als Integrationsbeauftragte macht Nathalie von Pressentin keine Einzelberatung, dazu seien Stellen wie die Diakonie oder die Caritas zuständig, sagt sie. Wende sich aber jemand direkt an sie, vermittele sie selbstverständlich. Später soll aus ihrer Arbeit ein "Integrationskonzept" erwachsen. Wie das aussehen wird, vermag die gebürtige Moosburgerin aber noch nicht zu sagen, erst einmal ermittele sie, wo es Verbesserungen bedürfe.

Konkrete Zeitvorgaben hat sie zwar nicht, bis 2022 läuft der Vertrag. In dieser Zeit will sie aber "idealerweise eine Brücke zwischen ehrenamtlichen Helfern, Migranten und der Bevölkerung insgesamt gebaut" haben. Denn der Kontakt zwischen Migranten und Bevölkerung sei unerlässlich für Integration.

Warum aber wurde die Stelle erst jetzt geschaffen und nicht schon früher mit Beginn der "Flüchtlingskrise"? "Die Idee dazu gab es schon seit dem Sommer 2015", sagt die 29-Jährige. Eva Dörpinghaus, Sprecherin des Landratsamts, ergänzt: "Damals haben wir auch schon Anträge gestellt, da solche aber sehr aufwendig sind, hat es gedauert, bis wir sie bewilligt bekommen haben." Die Finanzierung der "Vernetzungsplattform" läuft zu 60 Prozent über eine sogenannte Leader-Förderung, also Geldern der EU. Die restlichen 40 Prozent übernimmt der Landkreis.

Die Arbeit mit Menschen anderer Kulturen kennt Nathalie von Pressentin nicht zuletzt, weil sie ein Jahr lang in der Flüchtlingsunterkunft in der Wippenhauser Straße Asylsozialberatung gemacht hat. "Ich habe mitbekommen, wie es war, als Turnhallen belegt wurden." Zuvor war sie in Ecuador in der Jugendarbeit und in Burkina Faso als Französischlehrerin für Jugendliche tätig. Vor dem Studium der Internationalen Entwicklung in Wien, absolvierte sie eine Ausbildung in einer Eventagentur.

"Mein Ziel war es immer, beide Ausbildungen zu kombinieren", sagt sie. Das könne sie nun, weil sie "Projektmanagement im sozialen Rahmen" mache, erzählt sie mit leichtem Wiener Einschlag. Die Stelle habe sie zudem interessiert, weil sie nach dem verstärkten Zuzug von Flüchtlingen im Sommer 2015 gemerkt habe, dass sie nicht fernab, sondern in der Heimat helfen könne. Sich selbst bezeichnet Nathalie von Pressentin übrigens auch als Person mit Migrationshintergrund. Ihre Mutter ist Französin, der Vater ist französisch-deutsch. Sie selbst spricht beide Sprachen fließend und hat einen Doppelpass.

© SZ vom 24.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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